Unsichere Zeiten für Anleger Was der Brexit für den Immobilienmarkt bedeutet

Der Brexit dürfte den Boom nach Betongold in Deutschland weiter verstärken, die Kurse der Branchenaktien profitieren bereits. Offene Immobilienfonds hingegen müssen wahrscheinlich eine bittere Pille schlucken.

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Wolken ziehen über Neubauten im Europaviertel von Frankfurt am Main: Die Immobilienpreise in Frankfurt dürften nach dem Brexit-Votum der Briten steigen. Quelle: dpa

Wenn es unsicher wird, dann in Anleihen und Immobilien investieren. Diesem Reflex folgend, gibt Carsten Schlabritz, Chef des Immobilienvermittlungsportals Immowelt, die Parole aus: „Der Brexit führt zu Unsicherheiten auf den Finanzmärkten. Anleger suchen nach krisensicheren Anlagen, wodurch der anhaltende Immobilienboom weiter verstärkt wird.“

Die Auswirkungen seien bereits zu spüren. An den Wohnungspreisen dürfte dies, einen Arbeitstag, nachdem die Briten ihr „Nein“ zur Europäischen Union verkündeten, wohl kaum ablesbar sein.

Schneller als die Immobilienpreise reagieren die Immobilienaktienkurse. Am Montagnachmittag sind die drei größten Gesellschaften, Vonovia, Deutsche Wohnen und LEG Immobilien allesamt im Plus – anders als der Dax zu diesem Zeitpunkt. Und nicht nur das. Vonovia und Deutsche Wohnen werden zu Kursen über dem Schlusskurs vom Donnerstag gehandelt und die LEG nicht weit davon weg.

Etwas komplizierter wird es, wenn die mittel- bis langfristigen Auswirkungen betrachtet werden. Schlabritz ist Anhänger der These, dass der Finanzstandort Frankfurt vom EU-Austritt der Briten profitiert. Die Überlegung: Banken ziehen Personal in London ab und schicken es nach Deutschland. Eine These, der Christian Ulbrich, seit Beginn des Monats neuer Präsident des weltweit zweitgrößten Immobiliendienstleisters mit Dienstsitz London, mit Skepsis begegnet. Unternehmen würden sich dort ansiedeln, wo sie Talente fänden. Und für die Finanzbranche sei dieser Ort London. Dass sich Londoner Banker in Scharen nach Frankfurt umsiedeln lassen, bezweifelt er.

Auch Tobias Just, Professor für Immobilienwirtschaft an der Universität Regensburg, warnt davor, die Eigentümer Frankfurter Immobilien als großen Brexit-Profiteur zu sehen. Möglicherweise kommt es zur Verlagerung von ein paar Tausend Arbeitsplätzen aus der Londoner City in andere Finanzzentren. „Wie viele davon allerdings Frankfurt am Main abbekommt, ist unklar“, sagt er und verweist auf das jüngste Global Financial Centre Ranking des Londoner Beratungsinstituts Z/Yen-Group.

Darin komme Frankfurt innerhalb Europas nur noch auf Platz fünf der wichtigsten Finanzzentren – hinter Luxemburg, Genf, Zürich und London. Weltweit entspreche dies nur Platz 18. „Möglich also, dass in Falle eines Banker- und Beraterexodus aus der City andere Standorte mehr profitieren als deutsche Städte.“


Britische Immobilienhäuser drehen den Spieß um

Andererseits sieht auch Just: „Die Spekulationen über Wohn- und Büroflächenbedarf schießen wahrscheinlich ins Kraut schießen und befeuern damit die Preisentwicklung.“ Nach Immowelt-Daten liegt die mittlere Monatsmiete für Wohnungen in Frankfurt aktuell bei 13,10 Euro. Ein Zuzug würde die Wohnungsmieten weiter in die Höhe treiben, ist Schlabritz überzeugt. Denn in Frankfurt hält der Wohnungsbau mit dem Bevölkerungswachstum schon jetzt nicht schritt.

Für den Frankfurter Gewerbeimmobilienmarkt erwartet Ulrich Höller, Chef des Immobilieninvestors GEG German Estate Group, „zumindest mittelfristig neue Impulse“. Steigende Mieten aufgrund hoher Flächennachfrage würden den Anlegern offener Immobilienfonds zu pass kommen. Denn die Fonds haben fast sechs Prozent ihres rund 80 Milliarden Euro betragenden Vermögens im Rhein-Main-Gebiet investiert.

Doch zuvor müssen sie wahrscheinlich eine andere bittere Pille schlucken – die Abwertungen ihrer Fondsimmobilien in Großbritannien. So fürchtet etwa Immobilienwissenschaftler Just, dass es im Zuge der konjunkturellen Eintrübung in Großbritannien zu Abwertungen der Immobilien kommen werde. Weniger Nachfrage bedeutet Druck auf die Mieten und damit auch Wertberichtigungen. In welchem Umfang kann zurzeit niemand seriös abschätzen.

Doch Abwertungen werden schon aus einem anderen Grund eintreten: Das Pfund hat bereits an Wert gegenüber dem Euro verloren. Das heißt: Die in der britischen Währung bewerteten Gebäude werden in Euro, der Währung der Fonds, weniger wert. Wenn Fondsimmobilien an Wert verlieren, geben die Anteilspreise automatisch nach. Immerhin stecken fast zehn Prozent der Immobilienfondsgelder in britischen Immobilien.

Weniger Sorgen müssen sich die Fondsanleger über die Mieteinnahmen in Pfund machen. Üblicherweise sichern die Fonds Einnahmen in fremden Währungen weitgehend ab, indem sie die Kredite zur Finanzierung der Objekte ebenfalls in der fremden, der Landeswährung aufnehmen.

Britische Immobilienhäuser drehen den Spieß einfach um. Sie erklären sowohl die sinkende Pfund-Notierung als auch die fallenden Immobilienpreise nach einer ersten Korrektur „zum Kaufsignal für opportunistische Investoren aus dem Ausland“, wie etwa Mark Clacy-Jones. Er ist Partner beim britischen Maklerhaus Knight Frank und dort für die Analyse des Gewerbeimmobilienmarktes verantwortlich.

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