US-Immobilienpreise Häuser-Hype in den USA: Selbst Milliardäre müssen warten

Manche Hausbesitzer in Kalifornien würden ihre wertvolle Immobilie gerne verkaufen – befürchten aber, auf dem leergefegten Markt keine neue Bleibe zu finden. Quelle: Bloomberg

In Kalifornien toben wahre Bieterschlachten um die knappe Ressource Haus. Die Preise erreichen irrwitzige Höhen. Ein persönlicher Erlebnisbericht unseres Korrespondenten, der seit vielen Jahren im Silicon Valley lebt.

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Mindestens einmal pro Woche meldet sich bei mir zu Hause in Kalifornien ein Immobilienmakler: „Wollen Sie nicht ihr Haus verkaufen? Ich habe bereits jede Menge Interessenten.“

Für Immobilienmakler sind es gerade goldene Zeiten. Wenn sie denn etwas zu vermakeln haben. In den USA gab es im Sommer erstmals mehr Makler als verfügbare Immobilien. In Kalifornien ist das Missverhältnis noch größer. Im Golden State mit seinen 39,5 Millionen Einwohnern fehlen wegen Bürokratie, Kosten und örtlichem Widerstand gegen Bauvorhaben mindestens drei Millionen Wohnungen. Gerade hat Gouverneur Gavin Newsom daher grünes Licht für ein neues Gesetz gegeben. Bislang Einfamilienhäusern vorbehaltene Parzellen können nun mit mehreren Wohnungen bebaut werden. Newsom unterzeichnete das Gesetz allerdings erst, nachdem seine Abwahl abgewendet war. So liberal die Kalifornier sich gern geben, bei Immobilien sind sie konservativ. Das Gesetz ist umstritten, weil es die ohnehin veraltete Infrastruktur noch stärker belastet.

Es ist der Mangel, der die Preise treibt. Als meine Frau und ich unser Haus im Juni 2014 den Erben unseres langjährigen Vermieters abkauften, galt unsere Region um Santa Cruz als Geheimtipp. Damals konnte man noch vorzeigbare Häuser unter einer Million Dollar erwerben. Auch die für bezahlbaren Wohnraum verantwortliche Managerin der Stadt Palo Alto zog damals nach Santa Cruz. Ausgerechnet sie konnte sich an ihrer Arbeitsstätte kein Haus leisten.

Netflix-Gründer Reed Hastings, der prominenteste Unternehmer aus Santa Cruz, hat das neue Hauptquartier seines Video-Imperiums extra am Rand des Silicon Valley angesiedelt. So, dass er innerhalb einer halben Autostunde zurück in seinem geliebten Santa Cruz ist. Das ist machbar – außerhalb des Berufsverkehrs. Täglich ist es nicht zu empfehlen, allein schon wegen des kurvigen Highways 17. Er führt durch die Santa Cruz Mountains ins Silicon Valley und gilt als eine der gefährlichsten Straßen der USA. Seit Covid das Heimbüro etabliert hat, ist auch diese natürliche Barriere kein Hindernis mehr für die „Techies von hinter dem Berg“, wie Ortsansässige sie nennen.

Seitdem wimmelt es hier von Interessenten aus dem Silicon Valley, von Apple, Facebook, Google und Netflix. Sie stechen Einheimische aus, weil sie oft bar (!) bezahlen können. Santa Cruz ist nun – gemessen am örtlichen Lohnniveau – die teuerste Region der USA. Im Vergleich zum Silicon Valley allerdings noch immer erschwinglich. In Palo Alto, wo Facebook-Gründer Mark Zuckerberg wohnt, sind für ein anständiges Einfamilienhaus mit Garten inzwischen knapp drei Millionen Dollar fällig. In Santa Cruz ist diese Marke noch nicht gerissen. Aber wie im Silicon Valley sind auch hier die bei Immobilienportalen wie Redfin gelisteten Preise nur Köder. In Mountain View, wo Google angesiedelt ist, wurde jüngst ein Haus für eine Million Dollar über dem beworbenen Preis verkauft.



Mein Nachbar Nate hat die hohen Lebenshaltungskosten in Kalifornien jetzt satt. Er hat die Hoffnung aufgegeben, dass seine Kinder und Enkel, die in Arizona und Oregon wohnen, in seine Nähe ziehen. „Das ist finanziell nicht mehr zu machen“, sagt er. Im Sommer hat Nate deshalb sein Haus auf den Markt gebracht. Ein typisches, am Hang klebendes Holzhaus mit drei Zimmern, auf 220 Quadratmeter verteilt. Mit Blick auf den Pazifik. Allerdings muss er sich seine enge Hauseinfahrt mit dem Nachbarn teilen. Sein Makler riet zu einem Preis von 1,4 Millionen Dollar. Nate schlug 450.000 Dollar drauf. Innerhalb einer Woche war es an ein Paar aus Los Angeles verkauft - für 1,8 Millionen Dollar. Nate hat sich nun für 600.000 Dollar ein Wohnmobil in der Größe eines Einfamilienhauses gekauft und will mit seiner Frau in den nächsten beiden Jahren durch die USA touren. Damit hat er das Problem vieler Hausbesitzer für sich gelöst, die verkaufen möchten, aber keinen neuen, vor allem erschwinglichen, Ersatz finden.

Die Steuern in den USA erschweren die Lage zusätzlich. Die Grundsteuer berechnet sich in Kalifornien und vielen anderen US-Bundesstaaten nach dem letzten Verkaufspreis und steigt dann pro Jahr um in der Regel zwei Prozent. Wer in den Achtzigerjahren sein Haus für 80.000 Dollar erwarb, zahlt also nur ein paar Tausend Dollar Grundsteuer pro Jahr. Wer, wie junge Familien, im Silicon Valley zwei Millionen Dollar für ein Haus berappen muss, zahlt mindestens 20.000 Dollar an Grundsteuern pro Jahr. Verkleinern macht so für langjährige Hausbesitzer keinen Sinn. Um das zu ändern, können über 55-Jährige nun ihre geringen Grundsteuern mitnehmen, wenn sie innerhalb von Kalifornien umziehen.

Der Häusermangel nervt aber nicht nur die Mittelklasse. Nivida-Gründer Jensen Huang ist einer der reichsten Männer des Silicon Valley, das Wirtschaftsmagazin Forbes schätzt sein Vermögen auf 19,4 Milliarden Dollar. Er erzählte mir, dass er mit einem Haus in Santa Cruz geliebäugelt habe. „Aber ich habe nichts Passendes finden können.“

Mehr zum Thema: Der amerikanische Immobilienmarkt ist überhitzt, die Preise schießen immer weiter nach oben. Mit den Häuserpreisen wachsen auch die Gefahren: Es drohen eine neue soziale Spaltung und ökonomische Verwerfungen, wenn die Zinsen steigen.

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