Vergabe von Baukrediten Rekord-Immobilienkredite trotz Corona

Die Nachfrage nach Immobilienkrediten steigt trotz der Coronapandemie weiter an Quelle: imago images

Dass der Immobilien-Crash vorerst ausbleibt, kristallisiert sich schon länger heraus. Neue Daten der Kreditinstitute zeigen nun, dass es sogar einen gegenläufigen Trend gibt: einen regelrechten Run auf Immobilienkredite.

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Eigentlich schien die Argumentation recht logisch: Wegen der Coronakrise blicken die Menschen in eine ungewisse Zukunft. Zehn Millionen Arbeitnehmer sind in Kurzarbeit, einige haben ihre Jobs schon verloren, viele weitere könnten folgen. Wer nicht weiß, ob er morgen noch genug Geld verdient, wird sich doch sicher nicht mit einem Immobilienkredit belasten? Doch die Menschen scheinen noch immer nicht genug zu bekommen von Immobilien, Krise und Unsicherheit zum Trotz. So ist bei fast allen großen Kreditvermittlern die Nachfrage nach Baukrediten auch nach Beginn der Coronapandemie weiter stark angestiegen.

Das dürfte auch an den historisch niedrigen Bauzinsen liegen. So hat der Finanzdienstleister Europace in einer neuen Erhebung im Juni herausgefunden, dass der durchschnittlich anfallende Zins für eine zehnjährige Zinsbindung in der Coronakrise auf wenig mehr als 1,1 Prozent gefallen ist. Selbst bei einer 20-jährigen Zinsbindung waren es zuletzt weniger als 1,5 Prozent. Die im Schnitt mithilfe des Kredits finanzierte Summe stieg dabei von 216.000 Euro im März auf 218.000 Euro im Mai an.

Eine Umfrage der WirtschaftsWoche zeigt, wie sich die Kreditvergabe der einzelnen Institute entwickelt hat. So verzeichneten die Volksbanken und Raiffeisenbanken im ersten Quartal des Jahres das höchste Kreditwachstum seit dem Jahr 2000. Im März, dem ersten Monat der Coronakrise in Deutschland, lag die Kreditvergabe 6,2 Prozent über Vorjahresniveau.

Baukredite sind sogar noch stärker gestiegen als die Kreditvergabe allgemein, wie eine Sprecherin erklärt: „Wesentlicher Treiber der starken Kreditnachfrage sind nach wie vor die Wohnbaukredite an Nichtbanken.“ So gab es im März 7,6 Prozent mehr Immobilienkredite als im Vorjahresmonat. Bei Firmenkunden lag der Zuwachs gar bei 10,3 Prozent, aber auch bei Privatkunden bei stolzen 6,7 Prozent.


Andere Institute gebe sich zurückhaltender mit Zahlen, doch der Trend ist derselbe. Die ING spricht von „sehr vielen Baufinanzierungsabschlüssen“, sowohl insgesamt als auch im Vergleich zum Vorjahr. Nur so viel Detail gibt es dann doch: „Aktuell liegen wir beim Neugeschäft in diesem Jahr bisher deutlich über Vorjahresniveau.“

Auch die Deutsche Bank konnte ihr Neugeschäft nach eigenen Angaben deutlich steigern, und das über alle vier Marken hinweg (Deutsche Bank, Postbank, BHW Bausparkasse und DSL Bank) sowie in den gesamten ersten vier Monaten des Jahres, also inklusive des Shutdown-Monats April.

Noch wortkarger gibt sich die Allianz, die seit Jahren massiv ins Baufinanzierungsgeschäft drängt. Die Entwicklung der Baufinanzierung sei konstant positiv, auch im Vorjahresvergleich, heißt es.

Auch der größte Baukreditvermittler Deutschlands, die Interhyp, wird weiterhin von Kaufwilligen überrannt. Im März und April sei die Nachfrage gar noch etwas höher gewesen als zuvor, berichtet CEO Jörg Utecht: „Das Interesse an Baukrediten ist damit weiterhin sehr groß.“

Unter den wenigen Instituten, die Zahlen preisgeben, sind die Deutschen Sparkassen – und diese Zahlen haben es in sich. Demnach erleben sie derzeit einen regelrechten Kreditboom, wie zuerst die „Süddeutsche Zeitung“ berichtete. Vorläufigen Daten zufolge hat der April den auch schon sehr guten Wert des Vorjahres noch einmal weit hinter sich gelassen: In nur einem Monat vergaben die Sparkassen 5,5 Milliarden Euro an neuen Krediten und damit 12,1 Prozent mehr als im Vorjahresmonat. Der Bestand privater Wohnungsbaukredite wuchs damit um 1,2 Milliarden Euro auf 326 Milliarden Euro.

Zur Wahrheit gehört freilich auch, dass im April und gerade im März noch Kredite zum Abschluss kamen, die schon in der Zeit vor Corona angebahnt wurden. Seitdem ist die Zahl der Neuinserate auf Immobilienplattformen zurückgegangen – und womöglich wird die Zahl der Neukredite folgen.

Glaubt man den Sparkassen, ist dennoch nicht zu erwarten, dass die Corona-Delle sich noch mit Verspätung auf dem Immobilienmarkt zeigen könnte. Eher im Gegenteil: Während zwischenzeitlich etwa Wohnungsbesichtigungen praktisch unmöglich waren, normalisiert sich nun die Lage. Sparkassen-Präsident Helmut Schleweis freut sich deshalb schon auf die nächsten Rekorde: „Die Nachfrage nach Wohnimmobilien ist weiterhin sehr stabil und wird womöglich sogar weiter steigen.“

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