Vonovia will Deutsche Wohnen kaufen Die wichtigsten Antworten zur Mega-Fusion

Das geplante Übernahmeangebot vom Vonovia stehe unter dem Vorbehalt einer Mindestannahmequote von 50 Prozent aller ausstehenden Deutsche-Wohnen-Aktien. Quelle: dpa

Die beiden großen Immobilienkonzerne Vonovia und Deutsche Wohnen stehen vor einem Zusammenschluss. Alles Wissenswerte zur Mega-Fusion.

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Worum geht es bei der Fusion von Vonovia und Deutsche Wohnen?

Am deutschen Wohnungsmarkt bahnt sich ein Mega-Merger an: Vonovia will die Deutsche Wohnen – der im Großraum Berlin mehr als 100.000 Wohnungen gehören – übernehmen und hat diesbezüglich bereits eine Grundsatzvereinbarung unterzeichnet. Mit der Übernahme entstünde Europas größter Wohnimmobilienkonzern mit einem gemeinsamen Börsenwert von voraussichtlich rund 45 Milliarden Euro. Vonovia ist mit mehr als 415.000 Wohnungen der größte Vermieter Deutschlands, Deutsche Wohnen folgt mit mehr als 142.000 Wohnungen auf Platz 2.

Gab es einen ähnlichen Versuch nicht schon einmal?

Ja, einen ersten Versuch gab es vor fünf Jahren. Dieser scheiterte, da nicht genügend Aktionäre der Deutschen Wohnen das Angebot unterstützt hatten. Auch der Deutsche-Wohnen-Chef Michael Zahn hatte sich damals vehement gegen den Verkauf gestemmt. Vor einem Jahr dann hatte sich Vonovia wiederum Hilfe von Beratern geholt, um ein erneutes Gebot zu prüfen. Dazu kam es aber nicht, der Versuch verlor sich im Sande.
In diesem Jahr nahmen die Firmen nach dem Urteil des Verfassungsgerichts über den Berliner Mietendeckel Mitte April erneut Gespräche über eine Übernahme auf. Dieses Mal offenbar mit mehr Erfolg, denn die Parteien konnten sich auf einen Preis einigen.

Wie sieht der neue Plan von Vonovia und Deutsche Wohnen konkret aus?

Vonovia gab in einer Mitteilung vom Montagabend die Absicht bekannt, ein freiwilliges öffentliches Übernahmeangebot im Gesamtwert von rund 18 Milliarden Euro oder 53,03 Euro je Deutsche-Wohnen-Aktie abzugeben. Das entspräche einer Prämie von knapp 18 Prozent auf den Schlusskurs vom Freitag und von 25 Prozent auf den volumengewichteten Drei-Monats-Durchschnittskurs.

Wann könnte der Plan noch scheitern?

Damit die Fusion tatsächlich vollzogen wird, muss eine Mindestannahmequote von 50 Prozent aller ausstehenden Deutsche-Wohnen-Aktien erreicht werden. Zusätzlich benötigen die Unternehmen eine fusionskontrollrechtliche Freigabe und „weitere übliche Bedingungen“ müssen erfüllt werden. Deutsche-Wohnen-Chef Zahn zeigte sich jedenfalls zuversichtlich, dass die Offerte genügend Zuspruch bei den Aktionären findet. „Wir sind der Meinung, dass es ein sehr attraktives und faires Angebot ist. Deswegen bin ich mir sehr, sehr sicher, dass sehr viele Aktionäre dieses Angebot annehmen werden.“

Wie soll das zukünftige Unternehmen Vonovia aussehen?

Das künftige Unternehmen soll unter dem Namen Vonovia firmieren und seinen Sitz in Bochum haben. Geführt werden soll es allerdings sowohl von Bochum als auch von Berlin aus. Deutsche-Wohnen-Chef Michael Zahn soll ebenso wie CFO Philip Grosse in den Vonovia-Vorstand einziehen.

Was sagt die Politik zu den Fusionsplänen von Vonovia und Deutsche Wohnen?

Die Transaktion würde einen Riesen auf dem deutschen Wohnungsmarkt mit mehr als 500.000 Wohnungen erschaffen. Angesichts der massiven Unzufriedenheit mit Wohnungsmangel und steigenden Mieten bemühten sich die Unternehmen sichtlich, den Deal als positiv für Mieter und die öffentliche Hand darzustellen. Mietenanstiege sollen begrenzt und neue Wohnungen gebaut werden, die Stadt Berlin kann Wohnungen übernehmen. Auch die Politik wird mit ins Boot geholt: Dem Senat der Hauptstadt soll angeboten werden, „eine signifikante Anzahl an Wohnungen aus dem Bestand der beiden Unternehmen zu erwerben“. Dabei geht es um rund 20.000 Einheiten.
Im Berliner Rathaus kommt das Angebot gut an: „Das ist die Größenordnung einer eigenen Wohnungsgesellschaft“, sagte der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD). Nunmehr werde mit allen Beteiligten im Detail besprochen, um welche Bestände es sich handele. „Mir liegen soziale Brennpunkte am Herzen, mir liegen Großsiedlungen am Herzen“, sagte Müller. Mehr Wohnungen in kommunaler Hand bedeuteten mehr Einfluss auf sozialverträgliche Mieten und mehr Sicherheit für viele Menschen im Bereich Mieten und Wohnen.



Wie sieht es kartellrechtlich aus?

Der neue Wohnriese käme mit mehr als 500.000 Wohnungen deutschlandweit auf einen Anteil von mehr als zwei Prozent am gesamten deutschen Mietwohnungsmarkt – allerdings mit regionalen Schwerpunkten. DIW-Präsident Marcel Fratzscher sieht den geplanten Zusammenschluss daher kritisch. „Eine Fusion der beiden größten privaten Immobilienkonzerne Deutschlands ist problematisch, da es dadurch weniger Wettbewerb geben dürfte und die Marktmacht des neuen Konzerns noch stärker wird“, sagte der Chef des in Berlin ansässigen Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) am Dienstag. Bereits jetzt hätten beide Konzerne in vielen Regionen einen erheblichen Einfluss auf den Wohnungsmarkt, sowohl auf Mietpreise als auch auf Kaufpreise. „Ich vermute, dass das Kartellamt dies ähnlich kritisch sehen wird und daher die Chancen für eine Fusion nicht sehr hoch sind“, sagte Fratzscher.

Das Bundeskartellamt wird sich die Fusionspläne nach den Worten von ZEW-Präsident Achim Wambach wie schon beim ersten Versuch des Zusammenschlusses 2015 genau anschauen. Damals sei eine mögliche Übernahme der Deutschen Wohnen durch Vonovia in der ersten Phase der Untersuchung freigegeben worden, da beide nur einen relativ geringen Anteil am gesamten Wohnungsbestand in den jeweiligen Märkten hatten, sagte der Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). „Da es nicht den einen Wohnungsmarkt gibt, sondern viele regionale Märkte, und dabei verschiedene Märkte für die jeweils unterschiedlichen Wohnungsgrößen, wird eine wettbewerbliche Prüfung der Übernahme sich diese einzelnen Märkte anschauen, inwiefern ein Zusammenschluss dort zu einer Beeinträchtigung des Wettbewerbs führt“, sagte Wambach, der Mitglied der Monopolkommission ist. Dieses unabhängige Gremium berät die Bundesregierung und die gesetzgebenden Körperschaften in Fragen der Wettbewerbspolitik, des Wettbewerbsrechts und der Regulierung.

Was sagen Mieter von Vonovia- und Deutsche-Wohnen-Immobilien?

Unter den Bewohnern von Vonovia- und Deutsche-Wohnen-Immobilien wächst die Angst vor steigenden Mietpreisen. Der Deutsche Mieterbund hat bereits vor zusätzlichen Belastungen im Zuge der geplanten Großfusion gewarnt. Bei manchen Zusagen zur Begrenzung von Mieterhöhungen oder der Modernisierungsumlage handele es sich teilweise um Selbstverständlichkeiten, die den Unternehmen wenig abverlangten, kritisierte am Dienstag der Präsident des Deutschen Mieterbundes, Lukas Siebenkotten. Der Mieterbund befürchtet, dass die Mieter die Kosten der Fusion tragen müssten, ohne dass sich für sie dadurch irgendetwas verbessern werde. „Auch die geplante Fusion ändert nichts daran, dass wir dringend einen Mietenstopp im Bestand brauchen, und zwar nicht nur in Berlin, sondern bundesweit.“

Die Initiative „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“ übt ebenfalls scharfe Kritik an der Ankündigung der Konzerne zu Mietpreisbegrenzungen. „Diese Ankündigungen sind reines Whitewashing. Wir wissen, wie Vonovia und Deutsche Wohnen in der Praxis agieren. Nur dort, wo es starke Mieterbewegungen gibt, kommen diese Konzerne den Mietern entgegen“, so Rouzbeh Taheri, Sprecher der Initiative, zur WirtschaftsWoche. Die angestrebte Fusion betrachtet er als „Verzweiflungstat“. „Dass sich Deutsche Wohnen nun zu Vonovia flüchtet, zeigt nur, wie groß die Verzweiflung bei Politik und den Unternehmen ist“, sagte Taheri.

Wie reagierte die Aktien von Vonovia und Deutsche Wohnen?

Die Ankündigung einer solch großen Transaktion ließ selbstverständlich auch die Börsenkurse der Unternehmen nicht kalt. Die Papiere der Deutsche Wohnen stiegen am Dienstag um zeitweise 16 Prozent auf 52,38 Euro, lagen damit unterhalb des Angebotspreises. Die Aktien von Vonovia verloren zeitweise 6,8 Prozent und notierten nur noch bei 48,57 Euro.

Mit Material von dpa, Reuters und Bloomberg

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