Vorsicht vor schwarzen Schafen Der schwierige Weg zum besten Fertighaus-Anbieter

Fertighaus: Der schwierige Weg zum besten Anbieter Quelle: imago images

Der Markt für Fertighäuser boomt, doch neben seriösen Anbietern tummeln sich auch schwarze Schafe. Das erfuhr auch Familie Schmidt – und fand schließlich doch das perfekte Haus.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Eigentlich wollte Familie Schmidt gar kein Fertighaus bauen. Das junge Paar suchte nach einem gebrauchten Haus, mit genug Zimmern für künftige Kinder und vor allem: nicht zu teuer. Doch sie fanden keins, und das, obwohl sie am ländlichen Niederrhein suchten und nicht in einer der überlaufenen Metropolen.

Da empfahl ihnen eine Freundin, doch stattdessen selbst zu bauen. Ein Fertighaus. „Wir wussten gar nicht, dass es so etwas überhaupt gibt“, sagt Frau Schmidt. Doch nach einer kurzen Internetrecherche stand die Entscheidung fest: Es sollte ein Fertighaus werden.

Wie die Schmidts, die im echten Leben anders heißen, entscheiden sich immer mehr Menschen in Deutschland. Inzwischen geht jede fünfte Baugenehmigung an ein Fertighaus, in Süddeutschland ist es sogar jede dritte. Die Branche lockt mit kurzer Bauzeit und geringen Kosten. Doch im boomenden Markt gibt es viele schwarze Schafe.

Fertighäuser erleben einen Boom, jeder fünfte Neubau kam 2019 direkt aus der Fabrik. Sie gelten als günstiger und schneller aufgebaut als konventionelle Häuser. Doch es lauern viele Fallen - und die können teuer werden.
von Kristina Antonia Schäfer

Das mussten auch die Schmidts erleben. In ihrer ersten Euphorie suchten sie sich zunächst einen Fertighausbauer aus ihrer Region. Doch schon beim ersten Treffen kam ihnen einiges komisch vor, erinnert sich das junge Paar: Statt mit ihnen ein individuelles Angebot zu planen, wollte sie der Anbieter mit Flatrates fürs Wändeverschieben und einer Pauschalküche für 2500 Euro locken. Auf ihre Fragen ging er nicht ein. Das junge Paar beschloss, den Suchradius zu erweitern, und fuhr eines Januartages in die Fertighauswelt in Wuppertal.
Auf dem 18.000 Quadratmeter großen Grundstück haben 19 Fertighaushersteller ihre Häuser errichtet, die die Vorzüge des Fertigbaus zeigen sollen. Wie in einer Vorstadtsiedlung reiht sich ein weiß getünchtes Haus ans andere – eine sehr moderne Siedlung mit Solarpaneelen, Holz-Elementen und begrünten Vordächern.

Jeden Sonntag strömen etwa 500 Menschen in die Fertighauswelt, um die Häuser zu besichtigen. 2017 waren es insgesamt 43.000 Besucher. Die müssen Eintritt zahlen, vier Euro pro Erwachsenem, sechs Euro pro Familie. Der Bundesverband Deutscher Fertigbauer (BDF), der das Gelände betreibt, will so erreichen, dass möglichst nur Menschen mit ernsthaften Kaufabsichten kommen. Schließlich steht in jedem der 19 Häuser nur ein Berater zur Verfügung, der seine Zeit lieber mit zahlungsfähigen Kaufinteressenten als mit Sonntagsausflüglern verbringen will.

Undine Wilting ist eine von ihnen. An acht Tagen im Monat steht sie in einem der Musterhäuser, einem zweigeschossigen, weiß-orangen Flachbau, und wartet auf Kundschaft. Um die Vorteile des Fertigbaus zu untermalen, hat sie stets ein Modell zur Hand, dass den Querschnitt einer Wand zeigt: Dämmmaterial und Holz, kompakt und unentflammbar, betont sie, um etwaige vorbehalte der Kunden gegen die Holzbauweise auszuräumen. Noch wichtiger sind jedoch ein Stift und ein Blatt Papier, um mit den Kunden sofort eine persönliche Analyse zu beginnen.

Fertighäuser werden in Deutschland immer beliebter. Doch viele Bauherren gehen den Hausbau zu blauäugig an und versinken in Zusatzkosten. Auf diese acht Punkte sollten Sie achten.
von Kristina Antonia Schäfer

Diese Analyse war es auch, die dafür sorgte, dass das junge Ehepaar Schmidt das Haus von Frau Wilting nicht so schnell verließ wie viele der Häuser zuvor. Die Schmidts hatten sich ein paar Kennziffern aufgeschrieben: Wie viel Geld sie maximal aufbringen konnten (etwa 400.000 Euro inklusive Grundstück), wie viele Zimmer sie brauchten (mindestens sechs), welche Bauvorschriften das Haus erfüllen musste.

Einige der Anbieter hätten noch nicht einmal nach diesen grundlegenden Werten gefragt, sagen die Schmidts. „Die haben einfach ihr Standardprogramm abgespult.“ So verließen sie ein ums andere Haus mit tütenweise Material und sehr wenig Ahnung, wie sie sich entscheiden sollten. „Obwohl die Häuser unterschiedlich sind, sind sie doch sehr gleich.“ Als sie schließlich das Haus von Frau Wilting betraten, waren ihre Köpfe voll. „Wir waren eigentlich total fertig“, sagt Frau Schmidt, „aber sie war hartnäckig“.

Das Erfolgsrezept von Wilting ist so einfach wie durchschlagend: Sie nimmt ein weißes Blatt und malt ein Kreuz darauf, das die Fläche in vier gleich große Rechtecke unterteilt. In den oberen Bereich kommen die Grundvoraussetzungen: links die Daten über das Grundstück, rechts die über die Finanzen. Darunter skizziert Wilting, welches Haus auf dieser Basis umsetzbar wäre: links der Baukörper, also das Haus von außen, rechts das Innere des Hauses.

Drei Treffen später stand der Plan für das Traumhaus der Schmidts. Der habe maximal „zu 0,001 Prozent“ etwas mit dem Musterhaus aus der Fertighauswelt zu tun, sagt Herr Schmidt. Das ist ihm wichtig. Bekannte hätten, als sie von ihren Plänen hörten, gelästert: „Das ist ja dann gar nicht euer Haus.“ Sie dachten an Kataloghäuser, an Standardbauteile, an Uniformität.

Tatsächlich hatten Fertighäuser lange ein schlechtes Image. Die Häuser der ersten Generationen ähnelten einander alle und brachten zu allem Unglück oft bauliche Mängel mit sich. Seit dem kämpft die Branche darum, diese Makel abzustreifen. Die Anbieter, die sich im Dachverband BDF zusammengeschlossen haben, verpflichten sich freiwillig zu besonders hohen Qualitätsstandards. Zudem bieten sie mannigfaltige Individualisierungsmöglichkeiten an. Nur noch jedes dritte Fertighaus stammt inzwischen noch aus dem Prospekt.

Individuelle Fertighäuser bergen viele Risiken

Doch die Individualisierung bietet nicht nur Freiheit, sondern auch Risiken. Gerade windigere Anbieter werben oft mit Fertighäusern ab 80.000 oder 100.000 Euro. Tatsächlich sind solche Angebote kaum realisierbar – zumindest nicht, wenn man am Ende ein bezugsfertiges Haus haben will. Bei Günstig-Anbietern kostet alles extra, jede zusätzliche Wand oder Steckdose, aber oft auch Grundlegendes wie Stromleitungen oder die Anschlüsse ans örtliche Wasser- und Elektrizitätsnetz. Bodenplatte oder Keller, so denn einer gewünscht ist, sind selbst in den meisten Angeboten der seriösen Fertigbauer nicht enthalten.

Das Problem: Das wissen die wenigsten Bauherren. Menschen, die ein konventionelles Haus bauen wollen, beauftragen in der Regel einen Architekten, der sich mit solchen Details auskennen muss. Wer hingegen ein Fertighaus wählt, verlässt sich oft alleine auf den Anbieter. Der will jedoch in allererster Linie Geld verdienen, keine Freundschaft aufbauen, warnt Eva Reinhold-Postina vom Verband Privater Bauherren (VPB).

von Kristina Antonia Schäfer

Dabei müssen Fertighausbauer noch nicht einmal in Grauzonen tricksen, um naive Bauherren zu übertölpeln. Es reicht, wenn sie die Angebotsbeschreibungen möglichst vage ausfüllen. Darin steht in der Regel nur, was im Vertragsumfang enthalten ist, nicht jedoch, was fehlt. Wer nicht weiß, dass er sich selbst um die Bodenplatte kümmern muss, dem wird auch nicht auffallen, dass sie nicht erwähnt ist.

Auch Familie Schmidt wäre nur allzu leicht in eine solche Falle getappt, das geben beide zu. Zu ihrem Glück bekamen sie von Wilting eine Liste, die auch zeigte, was nicht im Preis enthalten war. Es seien „anstrengende Tage gewesen“, sie hätten „viele Lebensentscheidungen“ treffen müssen, erzählen die beiden.

Nicht nur die äußere Form des Hauses mussten sie bestimmen, auch jeden Dachziegel und jeden Wasserhahn. Da können schonmal vermeintliche technische Details untergehen, umso mehr, wenn man nichts von ihnen weiß. „Über Energiepass oder Anschlüsse hätte ich mir doch gar keine Gedanken gemacht“, sagt Frau Schmidt.

Was den Schmidts hingegen von Anfang an wichtig war: Alle Leistungen, so weit möglich, aus einer Hand zu bekommen. Tatsächlich warnen Kritiker wie Reinhold-Postina vom VPB vor Anbietern, die Subunternehmer beschäftigen. Gerade angesichts der vollen Auftragsbücher sei das immer öfter der Fall, weil die Fertighausbauer der Nachfrage sonst kaum gerecht werden könnten.

Doch jede Schnittstelle berge ein Risiko, sagt Reinhold-Postina, sei es zwischen Bodenplatte von einem Hersteller und Aufbau von einem anderen oder zwischen Wänden und Dach. Schon bei minimalen Ungenauigkeiten passen die Bauteile nicht mehr zusammen – und das Haus ist undicht oder kann im schlimmsten Fall nicht gebaut werden.

Dem Hausbauer vertrauen zu können, ist wichtig, gerade bei einer Entscheidung, die die meisten Menschen nur einmal in ihrem Leben treffen. Die Schmidts sagen, natürlich hätten sie versucht, so viele Fakten wie möglich zu vergleichen. Fast genauso wichtig war am Ende aber das Gefühl, gut aufgehoben zu sein. „Wir wollten jemanden, mit dem wir persönlich klarkommen“, sagt Frau Schmidt.

Das junge Paar hat bereits das Werk des Fertighausbauers besucht, um zu sehen, wie auch ihr Haus einst entstehen wird. Im Frühjahr soll es soweit sein. Bei dem Werksbesuch steckten die Schmidts ein Stück Bauholz ein, das sie zuhause in ihren Kamin warfen. Es brannte tatsächlich nicht, so wie Wilting es versprochen hatte.

Für Kenner von Fertighäusern mag das eine Selbstverständlichkeit sein. Für die Schmidts verstärkte es das Vertrauen, sich richtig entschieden zu haben.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%