
Die Gebäudebesitzer in Deutschland müssen überraschend auf einen Steuerbonus für das Dämmen ihrer Häuser verzichten. „Über eine steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung konnte im Koalitionsausschuss keine Einigung erzielt werden“, heißt es in einem internen Schreiben von SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann an seine Abgeordneten, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Der Bonus mit einem Volumen von einer Milliarde Euro im Jahr sollte rückwirkend ab Januar gelten, bis zu 25 Prozent der Sanierungskosten sollten absetzbar sein. Das scheiterte nun an Finanzierungsfragen.
Dieses Detail des jüngsten Koalitionsgipfels war bisher nicht bekannt - der Stopp gilt als fatales Signal, weil jetzt die Sanierungs-Saison beginnt. Im Dezember hatten sich die Ministerpräsidenten und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auf das Vorhaben verständigt, das seit Jahren angestrebt wird. Ziel ist es, Energiesparen und Klimaschutz durch den steuerlich begünstigten Austausch von Fenstern und alten Heizkesseln sowie durch das Dämmen von Wänden und Dächern zu stärken.
Musterrechnung: Hier lohnt sich die Sanierung
Zweifamilienhaus, 290 Quadratmeter (Baujahr 1925)
Bei hohem Verbrauch rechnen sich auch teure Maßnahmen. Beispiel Außenwände: Über die Fassade verlor das Haus 21.900 Kilowattstunden Wärme pro Jahr, nach Dämmung nur noch 5140, das spart in den nächsten 30 Jahren jährlich 1800 Euro Heizkosten. 50 Prozent der Dämmkosten von 21.300 Euro sind kreditfinanziert, das kostet jährlich 490 Euro Zins und Tilgung. Die Gesamtsanierung (alle fünf Maßnahmen) kostet 55.560 Euro und bringt 5110 Euro Ersparnis pro Jahr (6260 Euro Heizkostenersparnis – 1150 Euro Zinsen).
energetischer Zustand: sehr schlecht
Energiebedarf: 292 kWh/m² pro Jahr
Heizungsverbrauch: 74.870 kWh pro Jahr¹
¹kWh: Kilowattstunden
²Bauherr setzte zu 50 % Eigenkapital ein, das unrentabel auf Sparbüchern lag. Mittlere jährliche Kapitalkosten für Fremdkapitalanteil (2,00 % Zinsen, 3,5 % anfängliche Tilgung, 30 Jahre Laufzeit)
Wärmeverlust vorher: 16.800 kWh¹ pro Jahr
Wärmeverlust nachher: 4570 kW¹ pro Jahr
Sanierungskosten: 8730 Euro
eingesparte Heizkosten pro Jahr: 1780 Euro
Kapitalkosten pro Jahr: 180 Euro²
Einsparung: 1600 Euro pro Jahr
rechnet sich nach: 6 Jahren
¹kWh: Kilowattstunden
²Bauherr setzte zu 50 % Eigenkapital ein, das unrentabel auf Sparbüchern lag. Mittlere jährliche Kapitalkosten für Fremdkapitalanteil (2,00 % Zinsen, 3,5 % anfängliche Tilgung, 30 Jahre Laufzeit)
Wärmeverlust vorher: 21.900 kWh¹ pro Jahr
Wärmeverlust nachher: 5140 kWh¹ pro Jahr
Sanierungskosten: 21.300 Euro
eingesparte Heizkosten pro Jahr: 1800 Euro
Kapitalkosten pro Jahr: 490 Euro²
Einsparung: 1310 Euro pro Jahr
rechnet sich nach: 16 Jahren
¹kWh: Kilowattstunden
²Bauherr setzte zu 50 % Eigenkapital ein, das unrentabel auf Sparbüchern lag. Mittlere jährliche Kapitalkosten für Fremdkapitalanteil (2,00 % Zinsen, 3,5 % anfängliche Tilgung, 30 Jahre Laufzeit)
Wärmeverlust vorher: 8440 kWh¹ pro Jahr
Wärmeverlust nachher: 3800 kWh¹ pro Jahr
Sanierungskosten: 13.290 Euro
eingesparte Heizkosten pro Jahr: 650 Euro
Kapitalkosten pro Jahr: 280 Euro²
Einsparung: 370 Euro pro Jahr
rechnet sich nach: 34 Jahren
¹kWh: Kilowattstunden
²Bauherr setzte zu 50 % Eigenkapital ein, das unrentabel auf Sparbüchern lag. Mittlere jährliche Kapitalkosten für Fremdkapitalanteil (2,00 % Zinsen, 3,5 % anfängliche Tilgung, 30 Jahre Laufzeit)
Wärmeverlust vorher: 8050 kWh¹ pro Jahr
Wärmeverlust nachher: 2210 kWh¹ pro Jahr
Sanierungskosten: 4030 Euro
eingesparte Heizkosten pro Jahr: 830 Euro
Kapitalkosten pro Jahr: 90 Euro²
Einsparung: 740 Euro pro Jahr
rechnet sich nach: 5 Jahren
¹kWh: Kilowattstunden
²Bauherr setzte zu 50 % Eigenkapital ein, das unrentabel auf Sparbüchern lag. Mittlere jährliche Kapitalkosten für Fremdkapitalanteil (2,00 % Zinsen, 3,5 % anfängliche Tilgung, 30 Jahre Laufzeit)
Wärmeverlust vorher: 19.000 kWh¹ pro Jahr
Wärmeverlust nachher: 7000 kWh¹ pro Jahr
Sanierungskosten: 6300 Euro
eingesparte Heizkosten pro Jahr: 1200 Euro
Kapitalkosten pro Jahr: 100 Euro²2
Einsparung: 1100 Euro pro Jahr
rechnet sich nach: 6 Jahren
¹kWh: Kilowattstunden
²Bauherr setzte zu 50 % Eigenkapital ein, das unrentabel auf Sparbüchern lag. Mittlere jährliche Kapitalkosten für Fremdkapitalanteil (2,00 % Zinsen, 3,5 % anfängliche Tilgung, 30 Jahre Laufzeit)
(durch Öffnen oder Kippen der Fenster)
Wärmeverlust vorher: 13.600 kWh¹ pro Jahr
Wärmeverlust nachher: 13.600 kWh¹ pro Jahr
(keine Einsparung möglich)
¹kWh: Kilowattstunden
²Bauherr setzte zu 50 % Eigenkapital ein, das unrentabel auf Sparbüchern lag. Mittlere jährliche Kapitalkosten für Fremdkapitalanteil (2,00 % Zinsen, 3,5 % anfängliche Tilgung, 30 Jahre Laufzeit)
Heizungsverbrauch: 17.970 kWh pro Jahr
Energieersparnis: 74 %
Kostenersparnis: 5110 Euro pro Jahr
Sanierungskosten gesamt: 53.650 Euro
Investition rechnet sich nach 11 Jahren
Unter anderem Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) sperrte sich jedoch dagegen, dass zur Gegenfinanzierung der Handwerkerbonus abgeschmolzen werden sollte. Es sollten hier nur noch Leistungen oberhalb von 300 Euro von der Steuerschuld abziehbar sein.
Die CSU reagierte harsch und warf Oppermann eine „Falschdarstellung der Ergebnisse des Koalitionsausschusses“ vor. „Dass die CSU die energetische Gebäudesanierung gestoppt hätte, ist eine Falschmeldung des Herrn Oppermann“, sagte Generalsekretär Andreas Scheuer der dpa. Er betonte aber selbst, dass seine Partei die Pläne „nicht als Mogelpackung mit einer Kürzung des Handwerkerbonus“ mittrage.
Oppermann betonte in dem Schreiben, das Wirtschaftsministerium prüfe nun alternativ, Zuschussprogramme der Staats-Bank KfW zu erhöhen. Schon ein erster Anlauf war wegen Streits um die Gegenfinanzierung vor allem an rot-grünen Ländern gescheitert. „Der schwarze Peter gehört den Haushältern zahlreicher Bundesländer, die trotz sprudelnder Steuereinnahmen eine Förderung der Energiewende ablehnen“, kritisierte der Generalsekretär des Handwerksverbands, Holger Schwannecke. Auch aus der Unions-Fraktion hieß es, die Länder hätten sich nicht ausreichend an der Finanzierung beteiligen wollen.
Gebäudebesitzer sollten dem Plan zufolge 10 bis 25 Prozent ihrer Sanierungskosten von der Steuerlast abziehen können. Der Bonus sollte beim Finanzamt nicht auf einmal geltend gemacht werden können, sondern nur über zehn Jahre verteilt. Durch das vorläufige Aus gerät auch das Ziel in Gefahr, den klimaschädlichen CO2-Ausstoß bis 2020 um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 zu verringern. Mehrere Millionen Gebäude und Heizungen in Deutschland gelten als ineffizient.
Bis zum Fachverband Mineralwolleindustrie gab es einen Proteststurm der Profiteure des Steuerbonus. Ob es einen Neuanlauf gibt, ist noch unklar. Grünen-Chefin Simone Peter sprach von einer „peinlichen Rolle rückwärts“. Der von Kanzlerin Angela Merkel persönlich zugesagte Sanierungsbonus werde wieder einkassiert. „Die Bundesregierung hat keinen Plan, die klimaschädliche Energieverschwendung in schlecht gedämmten Gebäuden zu beenden.“ Holger Lösch vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) kritisierte: „Die Entscheidung der Koalition wirft uns bei der Umsetzung der Energiewende weit zurück“.