Wenig Immobilienbesitz Deutschland bleibt beim Wohneigentum Schlusslicht

Krieg, Steuern, Mieterschutz - es gibt viele Gründe, warum in Deutschland weniger Hausbesitzer leben als im übrigen Europa. Und warum sich das kaum ändern wird.

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In diesen Städten sind die Immobilienpreise explodiert
Platz 5: Frankfurt am MainIn der hessischen Mainmetropole stiegen die Wohnungspreise von Bestandsimmobilien zwischen 2009 und 2016 um 40 Prozent an. Im Vergleich zu Düsseldorf, München, Hamburg und Berlin bedeutet das Platz fünf. Eine Kerntriebfeder: Das Brexit-Votum und die damit verbundene Auswirkung auf den Finanzstandort Frankfurt. Für das Jahr 2017 wird eine weitere Preissteigerung erwartet. Quelle: dpa
Platz 4: DüsseldorfIn der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt wiesen die Immobilienpreise zwischen 2009 und 2016 eine Steigerung von knapp über 60 Prozent auf. Im Vergleich zu anderen Metropolstädten entwickelte sich der Düsseldorfer Immobilienmarkt allerdings eher träge. Aufgrund einer zurückhaltenden Bautätigkeit und einer relativ hohen Leerstandsquote kann sich das Preisniveau in den kommenden Jahren laut Deutscher Bank vorerst halten und wird nicht so stark ansteigen wie in anderen Städten. Quelle: obs
Platz 3: HamburgIm besagten Zeitraum gingen die Wohnungspreise in Hamburg um etwa 70 Prozent nach oben. Eine rege Bautätigkeit sorgt in der Hansestadt dafür, dass der Nachfrageüberhang mehr und mehr abgebaut wird, und sich das Preissteigerungsniveau auf lange Sicht normalisieren dürfte. Bis dahin erwarten die Experten aber weiterhin ein kräftiges Plus in der Hansestadt. Quelle: dpa
Platz 2: BerlinDie Bundeshauptstadt erfreut sich zunehmender Beliebtheit – das schlägt sich auch in den Immobilienpreisen nieder. Zwar ist das Niveau der Preise deutlich niedriger als beispielsweise in München – so bekommt man etwa für drei Berliner Einfamilienhäuser in München nur eins – doch die Preise stiegen zwischen 2009 bis 2016 um etwa 75 Prozent an. In Zukunft wird eine deutliche Steigerung des Preisniveaus erwartet, da immer mehr Menschen nach Berlin ziehen, das Wohnangebot aber bei weitem nicht mithalten kann. Quelle: dpa
Platz 1: MünchenIn München sind die Preise in den vergangenen sieben Jahren um mehr als das Doppelte gewachsen. Die bayrische Landeshauptstadt ist nicht nur die teuerste Stadt Deutschlands, sondern verzeichnet auch einen starken Nachfrageüberschuss bei Wohnimmobilien. Die Leerstandsquote tendiert gegen null – somit sind weitere Preissteigerungen in Zukunft vorprogrammiert. Quelle: dpa
Platz 5: EinfamilienhäuserBetrachtet man die einzelnen Immobilienarten, so lassen sich teils große Unterschiede feststellen. So stiegen die Preise für Einfamilienhäuser zwischen 2009 und 2016 um etwa 35 Prozent an – im Vergleich zu anderen Immobilienarten, beispielsweise Eigentumswohnungen, ist das der niedrigste Wert. Experten erwarten in den kommenden Jahren allerdings weitere Preissteigerungen und eventuell könnten dann auch die Preise für Einfamilienhäuser stärker steigen. Quelle: dpa
Platz 4: Reihenhäuser (Bestand)Bei den Preisen für Reihenhäuser ging es um etwa 40 Prozent nach oben. Damit liegen die Preise nur knapp über denen für Einfamilienhäuser. Zwar werden auch hier weitere Preissteigerungen erwartet, allerdings dürften diese auch bei Bestands-Reihenhäusern niedriger ausfallen als beispielsweise bei Eigentumswohnungen. Quelle: dpa

Die meisten Niederländer haben sich den Traum von den eigenen vier Wänden erfüllt, ebenso die Polen, Italiener oder Briten: „My home is my castle.“ 70 Prozent der Europäer wohnen im eigenen Heim. Die Deutschen belegen in dieser Hinsicht mit Abstand den letzten Platz in der EU. Steigende Mieten und Niedrigzinsen haben die Nachfrage nach Baukrediten in den vergangenen Jahren zwar angekurbelt - aber der Anteil der Eigentümer ist sogar gesunken auf 52 Prozent. Warum? Experten nennen neun Gründe.

Einer der wichtigsten liegt lange zurück: Nach dem Zweiten Weltkrieg waren viele Städte zerbombt, es wurde rasch Wohnraum gebraucht, auch für die Millionen Heimatvertriebenen. Staat, Unternehmen und Wohnbaugenossenschaften zogen in der jungen Bundesrepublik massenhaft Mietwohnungen hoch, wie Alexander Schürt vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung erklärt. Deshalb ist der Bestand an Häusern aus den 1950er und 1960er Jahren hier so hoch.

Deutschland ist außerdem dicht besiedelt, doppelt so dicht wie die EU insgesamt. „In der Stadt gibt es eher Geschosswohnungsbau, und das geht oft einher mit Mietwohnungen“, sagt Schürt. Auch heute boomt vor allem der Bau großer Wohnhäuser in den Städten.

„In Italien oder Spanien ist der Mietwohnungsmarkt nicht so gut“, sagt Ludwig Dorffmeister, Immobilienexperte des Münchner Ifo-Instituts. „Mietwohnungen haben auch einen schlechteren Ruf, zum Beispiel in Großbritannien.“ Der deutsche Baustandard ist dagegen hoch, auch „die Qualität der Mietwohnungen in Deutschland ist vergleichsweise gut, man muss nicht eigene vier Wände haben, um gut zu wohnen“, sagt Schürt.
Und dazu kommt: „In Deutschland sind Mieter besser geschützt als in vielen anderen europäischen Staaten“, wie Schürt sagt. Der Kündigungsschutz ist hoch, die Politik eher mieterfreundlich. Jüngstes Beispiel: Die Mietpreisbremse.

Käufer dagegen belastet der Staat mit hohen Nebenkosten. Bayern kassiert 3,5 Prozent Grunderwerbssteuer, Nordrhein-Westfalen sogar 6,5 Prozent. Dazu kommen 1,4 Prozent Notargebühr plus Maklercourtage - das alles verteuert den Kauf schnell um zigtausend Euro. Dies schrecke viele ab, sagt Dorffmeister. Zumal das Geld bei einem Verkauf verloren ist. Die Briten dagegen könnten alle zehn Jahre umziehen, „die verkaufen halt ihr Haus und kaufen ein neues“.

Bauboom geht an vielen Normalverdienern vorbei

Zugleich fährt die Politik bei der Förderung von Wohneigentum einen Schlingerkurs. Lange unterstützte der Staat gut verdienende Häuslebauer steuerlich. Von 1996 bis 2006 gab es dann Kinder- und Eigenheim-Zulagen bis zu bestimmten Einkommensgrenzen. Heute hilft der Bund noch ein bisschen mit billigen Krediten und Wohn-Riester - aber „im Prinzip ist das ein Feigenblatt“, sagt Dorffmeister. Grunderwerbssteuer erhöht und Eigenheimzulage gestrichen - „wir sind Schlusslicht mit Ansage“, kritisiert Stephan Kippes, Leiter der Marktforschung beim Immobilienverband Deutschland Süd.

Immobilienboom außerhalb der Metropolen - Preisanstieg in den Landkreisen

Im Beruf ist heute Mobilität gefordert. Wer nach Ausbildung oder Studium eine Stelle sucht, muss vielleicht in eine andere Stadt umziehen, bekommt mitunter sogar nur einen befristeten Vertrag. Die Immobilie aber macht eher immobil. „In Südeuropa haben viele ihr eigenes Häuschen, die Leute sind stärker verwurzelt in ihrer Region. Das ist auch eine Mentalitätsfrage“, sagt Dorffmeister.

Wo das Vertrauen in den Staat geringer und die sozialen Sicherungssysteme schwächer sind, bietet ein Häuschen im Alter ein Stück Sicherheit. In Deutschland funktioniert der Sozialstaat, und die gesetzliche Rente hat zumindest bislang den meisten für einen auskömmlichen Lebensabend gereicht.

Quellen: Immobilienscout, Interhyp, eigene Berechnung
*Die Werte beziehen sich auf eine 80qm Wohnung und auf die lokalen Kaufpreise inklusive Grunderwerbsteuer wie vor Ort fällig.

„Den Baufirmen ging es seit der Wiedervereinigung noch nie so gut“, teilte das Ifo-Institut nach der jüngsten Konjunkturumfrage mit. An vielen Normalverdienern geht der Bauboom jedoch vorbei. Nicht nur die Mieten, auch die Grundstückspreise in den Ballungsräumen und die Baukosten sind enorm gestiegen. Ein gebrauchtes Einfamilienhaus in München kostet laut Bundesinstitut im Durchschnitt 1,2 Millionen Euro - in einigen anderen Regionen gebe es dafür ein Dutzend Häuser. „Die Frage ist, ob man dort Arbeit findet und wohnen will“, sagt Dorffmeister.

Er sieht zwei gegenläufige Tendenzen: Niedrigzins, Inflationsangst und die Suche nach einer sicheren Geldanlage erhöhen die Eigentumsquote - der Bau neuer Mietwohnungen für Flüchtlinge und Zuwanderer senkt sie. „Insgesamt hebt sich das in etwa auf.“

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