Weniger ist mehr Wie Möbelbauer Minimalismus begegnen

Der Umsatz der deutschen Möbelbauer wird für 2019 leicht unter dem des Vorjahres liegen. Das liegt unter anderem daran, dass viele Leute weniger Platz haben. Quelle: imago images

In Köln versammeln sich auf der Möbelmesse IMM Cologne wie jedes Jahr Möbelbauer aus aller Welt. In Zeiten, in denen beim Wohnen viele eher zu Minimalismus tendieren, ist die große Frage: Was lässt sich noch verkaufen?

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Jahrzehntelang war sie der Inbegriff des deutschen Wohnzimmers: die massive Schrankwand mit Regalen und Aussparung für den Fernseher, oft aus dunkler Eiche. Für Möbel-Hersteller eine sichere Bank, um Geld zu verdienen. Läuft man heute über die internationale Möbelmesse IMM Cologne, die jährlich Überblick über aktuelle Wohntrends gibt, sucht man solche wuchtigen Exemplare vergebens. Der Zeitgeist lautet: Weniger ist mehr. Für alle, die mit Möbeln ihr Geld verdienen wollen, nicht gerade eine gute Nachricht.

Der Umsatz der deutschen Möbelbauer wird für 2019 mit rund 18 Milliarden Euro leicht unter dem des Vorjahres liegen, wenn man der Schätzung des Verbands der Deutschen Möbelindustrie (VDM) folgt. Dass die Branche schwierige Zeiten durchlebt, liegt jedoch nicht nur am skandinavisch inspirierten Trend zum Minimalismus oder daran, dass Käufer im Sinne der Umwelt auf Neukäufe verzichten. Die Wahrheit ist auch: Viele Leute haben schlicht weniger Platz.

„Immer mehr Menschen zieht es in die Städte“, sagt der Geschäftsführer der Kölner Messe, Gerald Böse. „Das Thema Urbanisierung wird uns weiter begleiten.“ Zahlen des Statistischen Bundesamts zufolge hat der durchschnittliche Wohnraum pro Kopf in den sieben größten deutschen Städten zwischen 2010 und 2018 um knapp zwei Prozent auf 39,2 Quadratmeter abgenommen – Tendenz sinkend.

Möbelbauer können sich also nicht mehr einfach darauf verlassen, dass die meisten Menschen sich eben irgendwie einrichten müssen. „Einfach nur Möbel verkaufen funktioniert heute nicht mehr“, sagt VDM-Geschäftsführer Jan Kurth. „Da muss man sich etwas Neues einfallen lassen.“

Um trotzdem mit Kunden, denen in Großstädten nur wenige Quadratmeter Wohnraum zur Verfügung stehen, Geld zu verdienen, setzen die Hersteller auf Speziallösungen, wie seit Montag auf der Kölner Messe zu sehen ist. Der Schreibtisch fürs Home Office ist an Seilen und Drähten aufgehängt und kann - auch unaufgeräumt – hochgefahren werden. „Man fährt spontan den Tisch unter die Decke, und zack - die Dinnerparty kann losgehen“, erklärt Christoph Flötotto, der auf der Messe das „Smart Village“ betreut. Eine „Teleskop-Sauna“ lässt sich nach dem Schwitzen in die Kleiderschrank-Wand des Beispiel-Lofts einfahren. Der vernetzte Badezimmer-Spiegel nebenan zeigt nicht nur Gesundheitsdaten seines Nutzers, sondern auch die aktuellen Schlagzeilen des Tages an.

Ganz neu sind die großen Schlagworte der IMM Cologne – Smart Home und Nachhaltigkeit – zwar nicht mehr, trotzdem liegen weiterhin große Hoffnungen auf ihnen. So produziert die italienisch-niederländische Designmarke Magis all ihre Produkte im Umkreis von 200 Kilometern, während sich der Teppich-Hersteller Rugx ein Verbot von PVC und Latex auferlegt hat. „Es geht darum, ein Produkt herzustellen, das man für immer behalten kann“, sagt der Designer Luca Nichetto, der für die baden-württembergische Marke Rolf Benz Polstermöbel entwirft. Auch andere Firmen werben mit Slogans wie „handcrafted for generations“ – also „handgemacht für Generationen“. Dass die Kunden tatsächlich ein Leben lang mit einem Sofa auskommen, dürfte jedoch nicht wirklich im Interesse der Branche liegen.

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