Nach dem 21. Juni sind die Altverträge also in jedem Fall unwiderrufbar und bei vorzeitiger Kündigung ist eine übliche Vorfälligkeitsentschädigung zu zahlen. Diese Frist gilt für alle privaten Darlehensverträge, die zwischen November 2002 und dem 10. Juni 2010 abgeschlossen wurden und Fehler in der Widerrufsbelehrung aufweisen. Das letztere in dieser Zeit häufiger falsch als richtig waren, lag an der Tatsache, dass Widerrufsbelehrungen erst ab 2002 vorgeschrieben waren und Banken in der Folge munter mit Formulierungen experimentierten, die von der Musterwiderrufsbelehrung des Gesetzgebers abwichen. Erst mit dem 10. Juni 2010 wurde die Musterwiderrufsbelehrung aus einer Verordnung gekippt und erhielt Gesetzesrang. Das führte dazu, dass weit weniger Widerrufsbelehrungen unwirksam waren – selbst, wenn sie aus heutiger Sicht fehlerhaft waren.
Wer die Frist zum Widerruf verpasst, lässt die Gelegenheit zum günstigen Ausstieg aus einem teuren Altkredit mit Vertragsschluss bis 1. Juni 2010 verstreichen.
(Anm. d. Red. vom 10.06.2016: Den folgenden Absatz haben wir korrigiert, nachdem uns einige Zuschriften zur "ewigen" Widerrufsfrist für Verträge aus der Zeit nach dem 1. Juni 2010 erreicht haben, und die Verbraucherzentrale NRW auf Nachfrage ihre zunächst geäußerte Einschätzung korrigiert hat.)
Verträge, die aber im Zeitraum zwischen nach dem 10. Juni 2010 und vor dem 21.3.2016 abgeschlossen wurden, können aber der gesetzlichen Regelung zufolge weiterhin noch ohne Zeitdruck widerrufen werden, wenn die Widerrufsbelehrung falsch ist. Bei diesen Verträgen sind Fehler in der Widerrufsbelehrung jedoch deutlich seltener und kommen zumeist in anderer Form daher, da in dieser Zeit bereits eine geänderte Musterwiderrufsbelehrung mit Gesetzesrang galt. Für Verträge mit Abschlussdatum ab dem 21. März 2016 gilt bei fehlerhafter Widerrufsbelehrung nach der neuen Wohnimmobilienkreditrichtlinie (WIKR) lediglich eine Frist von maximal 12 Monaten und 14 Tagen, in der der Widerruf noch erfolgen kann. Ob und auf welcher Basis Verträge ab 2010 noch den Widerrufsjoker nutzen können, sollte zuvor unbedingt ein Fachanwalt prüfen.
So nutzen Sie noch 14 Tage Widerrufsjoker optimal
Markus Feck von der Verbraucherzentrale NRW hatte wegen des Widerrufsjokers eigentlich mit mehr Andrang gerechnet. „Seit Ende Mai nehmen wir keine neuen Fälle mehr an, da die Zeit für eine Einzelfallprüfung nicht ausreichen würde. Wer jetzt noch überlegt, seinen Kreditvertrag zu widerrufen, sollte sich schleunigst einen Termin beim Fachanwalt geben lassen“, sagt Feck. Die Anwaltskammern können bei der Suche nach Fachanwälten für Bank- und Kapitalmarktrecht behilflich sein. So bietet etwa die Rechtsanwaltskammer Düsseldorf auf ihrer Internetseite eine Suche nach geeigneten Anwälten der Umgebung an. Das sollte der erste Schritt sein.
In schnellen Schritten zum Last-Minute-Widerruf
Für den Kreditwiderruf sollte es ein Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht sein. Idealerweise hat dieser schon zahlreiche Widerrufsfälle bearbeitet. Etwas Vorsicht ist bei marktschreierischen Angeboten von Anwälten im Internet. Hier besteht die Gefahr, dass auch aussichtslose Fälle noch vor Gericht gezerrt werden, schließlich bekommen Anwälte ihr Honorar so oder so. Ratsam ist es in jedem Fall, einen Anwalt aus der Region zu nehmen, da dieser für Besprechungen besser erreichbar ist und zudem auch schon Erfahrungen mit den Banken der Region gesammelt hat.
Die Vertragsunterlagen sollten jetzt so schnell wie möglich zu Anwalt, damit dieser eine erste summarische Prüfung der Vertragsinhalte und insbesondere der Widerrufsbelehrung vornehmen kann. Sagt der Anwalt schon zu dieser Zeit, ein Widerruf sei zwecklos, sollte der Kreditnehmer Abstand von seinem Vorhaben nehmen.
Sieht der Anwalt Chancen auf einen erfolgreichen Widerruf, sollten Kreditkunden zunächst das Gespräch mit der Bank suchen, um herauszubekommen, wie diese mit dem Thema „Widerrufsjoker“ umgeht. Es gibt Banken, die ihren Kunden entgegenkommen und bessere Kreditkonditionen anbieten. Andere wiederum blocken sofort, so das ohne formellen Widerruf keine Aussicht auf Erfolg besteht.
Viele Banken werden vermutlich verhalten reagieren und zunächst den Fall durch ihre eigene Rechtsabteilung prüfen wollen – selbst, wenn dies zuvor schon oft geschehen ist. Hier besteht die Gefahr, dass die Bank auf Zeit spielt und sich über die Widerrufsfrist retten will. Je nach Reaktion der Bank empfiehlt es sich, den Anwalt schon mal mit einem Rechtsgutachten zum Kreditvertrag zu beauftragen. Das wird im Zweifel ein paar hundert Euro kosten, sollte aber Voraussetzung für einen formellen Widerruf sein und die Frage klären, inwieweit auch der Gang vors Gericht Aussicht auf Erfolg bietet. Mit dem Anwalt sollten Sie eine Vorgehensweise entwickeln, um ihre Interessen Schritt für Schritt und kostenschonend zu wahren, bzw. durchzusetzen.
Parallel sollten betroffene Kreditnehmer Angebote für eine günstige Anschlussfinanzierungen von anderen Banken einholen. Nur wenn der Kredit zu einer anderen Bank umgeschuldet werden kann, ist im Falle eines wirksamen Widerrufs zu verhindert, dass die Restschuld auf einen Schlag aus eigenen Mitteln zu bestreiten ist. Holen Sie sich unmittelbar vor dem Widerrufstermin eine Kreditzusage.
Gibt es bis zum 21. Juni keine Einigung mit der Bank, widerrufen Sie den Vertrag am 21. Juni bis Mitternacht schriftlich, am besten durch Ihren Anwalt. Das geht zur Not auch per Fax, dann sollten jedoch die Schriftstücke per Post nachgereicht werden. Wer den Widerruf rechtzeitig mit der Post abschickt, sollte dies per Einschreiben tun.
Nach erfolgtem Widerruf sollten die Verhandlungen mit der Bank ernsthafter Verlaufen. Führt das zu keinem akzeptablen Ergebnis, bleibt nur die Klage vor Gericht. Ohne Rechtsschutz kann das teuer werden, denn mangels höchstrichterlicher Urteile sind die Aussichten auf Erfolg vor jedem Gericht anders zu bewerten. In dieser Phase ist auch ein Vergleich möglich.
Gibt das Gericht dem Widerruf statt, dauert es in der Regel noch etwa 30 Tage, bis die Einsprüche gegen das Urteil eingereicht werden können und das Urteil somit rechtskräftig wird. War der Widerruf rechtens, tickt jetzt die Uhr: Binnen 30 Tagen muss die Restschuld komplett beglichen sein. Prüfen Sie die Berechnung der Restschuld gemeinsam mit ihrem Anwalt und zurren Sie die Anschlussfinanzierung endgültig fest, um die Restschuld zu überweisen.
Widerruf gilt auch für viele KfW-Darlehen
Der Widerrufsjoker greift bei allen privaten Verbraucherdarlehen, vor allem aus der fraglichen Periode bis 2010. Auch für die beliebten staatlichen KfW-Darlehen, die Banken oftmals als günstigen Finanzierungsbaustein in die Baufinanzierung eingebaut haben, können unter bestimmten Voraussetzungen widerrufen werden. Denn auch wenn die Zinsen der Förderbank des Bundes meist unterhalb der damals marktüblichen Zinssätze liegen, so sind sie doch noch deutlich teurer, als heute. Inzwischen vergibt die KfW Immobilien- und Sanierungskredite für das selbstgenutzte Eigenheim zu einem Zinssatz von 1,4 Prozent und weniger. Selbst Bankkredite sind heutzutage deutlich billiger, als etwa die 2,5 bis 3,6 Prozent, die die KfW noch 2010 verlangt hat.
Voraussetzung für den Widerruf eines KfW-Darlehens ist in der Regel, dass der Kreditvertrag zwischen dem 1.8.2002 und dem 1.0.6.2010 abgeschlossen wurde. In dieser Zeit galt das Widerrufsrecht für alle KfW-Verträge, da diese laut BGB als private Verbraucherdarlehen galten. Einzige Ausnahme: Das Darlehen wurde nicht über eine Bank vermittelt, sondern von der KfW direkt an den Immobilienkäufer vergeben.
Da die KfW in ihren Verträgen bis Juni 2010 kein Widerrufsrecht vorsah, gilt in diesen Fällen die Widerrufsbelehrung der kreditvermittelnden Bank – und die war wie geschildert in den meisten Fällen fehlerhaft. Sofern das Widerrufsrecht nicht verwirkt ist – was ein Anwalt unbedingt prüfen sollte – können diese KfW-Darlehen widerrufen werden.
KfW-Darlehen aus Zeit nach dem 10. Juni 2010 gelten aufgrund einer Änderung im BGB jedoch nicht mehr als private Verbraucherdarlehen, sondern als staatliche Förderkredite. Für diese mussten die Darlehensnehmer nicht mehr über ihr Widerrufsrecht nach §495 aufgeklärt werden. Kurz: Es bestand und besteht in diesen Fällen kein Widerrufsrecht nach BGB.
Das Widerrufsrecht bestand dennoch in Ausnahmefällen, etwa bei einer Kreditvermittlung ohne persönlichen Kontakt. Dann greift unter Umständen das Fernabsatzgesetz, das explizit ein Widerrufsrecht vorsieht. Dann kann wiederum bei fehlerhafter Widerrufsbelehrung durch die vermittelnde Bank unter Umständen widerrufen werden.