Wohnimmobilien Steigende Energiekosten rechtfertigen niedrigere Kaufpreise

Rauchende Schornsteine auf Hausdach Quelle: dpa

Die steigenden Kreditzinsen setzen dem Immobilienmarkt zu. Doch der Effekt der Energiepreise ist nicht weniger wichtig – und wird sich noch deutlich zeigen. Ein Gastbeitrag.

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Nichts bewegt den Immobilienmarkt derzeit so sehr wie die steigenden Zinsen. Kosteten zehnjährige Immobilienkredite guter privater Schuldner zu Jahresbeginn noch weniger als ein Prozent, sind es jetzt oft über 3,5 Prozent. Ein Anstieg, der in Ausmaß und Tempo wohl alle am Markt überrascht hat. Doch die steigenden Zinsen sind beileibe nicht der einzige Preisfaktor. Investoren können in den kommenden Monaten vielmehr mit weiteren Preisrückgängen rechnen, denn die energetischen Anforderungen steigen mit den Energiepreisen. Wo in Zukunft teure energetische Maßnahmen fällig werden, weil Häuser schlecht gedämmt oder ineffizient beheizt werden, werden Eigentümer ungeachtet der gesetzlichen Standards nur mit hohen Abschlägen verkaufen können.

Einfach nichts tun? Das ist für Eigentümer solcher Objekte keine Lösung. Denn die Wohnnebenkosten erreichen aufgrund der aktuellen Lage einen Höchststand. Die sogenannte zweite Miete wird immer teurer und damit zum entscheidenden Faktor bei der Vermietung und dem Ankauf von Wohnimmobilien. Je schlechter die Energieeffizienz, desto höher fällt die zweite Miete tendenziell aus.

Bisher betrugen die Wohnnebenkosten im Schnitt nur rund ein Drittel der Grundmiete. Noch im November vergangenen Jahres rechnete ein Gutachten der d.i.i. Deutsche Invest Immobilien AG und des Instituts der deutschen Wirtschaft in vielen Gemeinden mit kalten Betriebskosten von einem Euro je Quadratmeter Wohnfläche und 1,09 Euro Heizkosten. Heute kann man darüber fast nur noch lachen.

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Nicht etwa, weil die Experten keine Ahnung hatten, sondern weil sich die Rahmenbedingungen eben gravierend geändert haben. Es ist zu erwarten, dass die Werte um ein Vielfaches steigen werden. Allein von Juli 2021 bis Juli 2022 haben sich Energieprodukte nach Berechnungen des Statistischen Bundesamts bereits um 35,5 Prozent verteuert. Allein Strom kostete im Juli beispielsweise 18 Prozent mehr als im gleichen Vorjahresmonat. Die Mehrkosten für Mieter können mehrere Hundert Euro im Monat betragen.

Energetische Sanierung als Verkaufsargument

Wenn Interessenten nun nach Wohnraum suchen, werden sie aufgrund der gestiegenen Energiepreise stark auf die Energieeffizienz des Hauses achten. Faktoren wie das Alter der Fenster, der Zustand des Hauses, die Dachdämmung, die Art der Heizung und die Dämmung der Fassade werden wichtiger. Was früher eine kleine Macke war, vielleicht sogar zum Charme eines Objekts beitrug, ist nun womöglich ein Grund, sich gegen die Anmietung zu entscheiden. 

Der strukturelle Leerstand in ineffizienten Gebäuden wird selbst bei Wohnraummangel stark zunehmen, da niemand enorm hohe Nebenkostennachzahlungen tragen will beziehungsweise kann. Um solche Objekte doch zu vermieten, müssten die Eigentümer die Kaltmiete deutlich senken. Dies hätte jedoch ebenfalls einen Abschlag auf den Kaufpreis zur Folge, da die Berechnungsgrundlage von Immobilienkaufpreisen die auf das Jahr gerechnete Nettomiete ist.

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Zudem werden die meisten Mieter bereit sein, für ein energetisch saniertes Objekt oder eine Wohneinheit in einem energetisch sanierten Gebäude mehr zu bezahlen, da es dort Einsparpotenziale bei den Betriebskosten gibt. Sicherlich ist vielen Mietern grundsätzlich egal, wie sich die Miete zusammensetzt. Hauptsache, die Gesamtbelastung steigt nicht über das aktuelle Niveau hinaus.

Der Eigentümer eines ineffizienten Gebäudes muss nun also mit der Nettomiete runter, um bei gleicher Gesamtbelastung Mieter zu gewinnen. Der Eigentümer eines sehr effizienten Gebäudes hingegen kann seine Miete mindestens halten, wenn nicht sogar steigern, da es wenig Angebot an energieeffizientem Wohnraum gibt. Die Vermietbarkeit ineffizienter Gebäude wird aus den vorher geschilderten Gründen erheblich erschwert.

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Mit Kaufpreisabschlägen rechnen

Das alles führt zu Kaufpreisabschlägen bei stark sanierungsbedürftigen Objekten. Wie hoch dieser Abschlag ausfällt, ist sehr stark von der Lage und dem jeweiligen Objektzustand abhängig. Käufer und Verkäufer sollten sich die Immobilien genau anschauen. Bei manchen Objekten sind schon die Fenster gemacht, aber das Dach und die Heizung sind alt – oder umgekehrt. Käufer tun gut daran, sich bei der Kaufentscheidung vom Kaufpreisfaktor leiten zu lassen – sich also ein Ziel zu setzen, nach wie vielen Jahren sich die Immobilie über die Mieteinnahmen amortisiert haben soll.

Der zinsbedingte Abschlag von 25 Prozent ist dabei bereits eingetreten, wie sich an den Immobilienangeboten beobachten lässt. Nun kommen die energetischen Maßnahmen hinzu. Bis zu 20 Prozent, je nach Zustand, sind als Faustregel für weitere mögliche Preisabschläge bei Gebäuden mit mittlerer oder schlechter Energiebilanz eine gute Richtlinie.

Heizung kann den Kaufpreis drücken

Die größten Kostenpunkte sind dabei aktuell die Heizung, das Dach und die Fassade. Den größten Hebel für Kaufpreiskorrekturen gibt es bei der Heizung. Maßgeblich ist hierbei, welcher Energieträger verbrannt wird. Wir erleben gerade die Renaissance des Nachtstromspeichers, da jetzt der Strompreis vom Gaspreis entkoppelt wird und dementsprechend das Heizen mit Strom viel günstiger werden könnte.

Wer heute eine Immobilie mit Gasheizung kauft, muss die Kosten einer neuen Heizung mitrechnen, denn die kommt so oder so. Erstens, weil die Mieter sich die Betriebskosten sonst nicht mehr leisten können. Zweitens, weil bis 2035 zu erneuerbaren Energieträgern gewechselt werden soll. Interessenten sollten also als Allererstes einen Blick in den Heizungskeller werfen, bevor über den Preis verhandelt wird.

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Fakt ist: Die immer weiter steigenden Nebenkosten werden die Kaltmieten unter Druck setzen. Die Gesamtbelastung droht sonst, Menschen zu überfordern – wer als Eigentümer und Käufer Mieten stabil halten oder sogar steigern möchte, der kommt um Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz nicht umhin.

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