Herr Müller liebt Weißwein vom Ende der Welt. Er liebt Diskretion und heißt deswegen in Wirklichkeit auch anders. Und er liebt Service und Sicherheit. Deshalb hat er sich eine Wohnung im Düsseldorfer Andreas-Quartier zugelegt. Das Andreas-Quartier ist das derzeit luxuriöseste und zentralste Wohnprojekt in der an luxuriösen und zentralen Bauprojekten so reichen Stadt am Rhein. Der Quadratmeter kostet ab 4000 Euro aufwärts, für ein Penthouse werden um die 16 000 Euro fällig. „Die Lage ist nicht wiederholbar“, sagt Müller. Ihm sei es wichtig, mitten im Leben zu sein, erklärt er, während er sein Fischallerlei zerteilt, das so kunterbunt ist wie die Stadt, dessen Filetstück er sich rausgepickt hat.
In seiner neuen Residenz wird Müller auch auf Raffaele Sorrentino treffen, den ehemaligen Chef-Concierge der Berliner Edelherberge Adlon. Jetzt ist er im Andreas-Quartier dafür zuständig, den Bewohnern das Leben so lebenswert wie möglich zu machen. „Sorrentino ist ein Zauberer mit Kontakten in die ganze Welt“, sagt eine ehemalige Kollegin aus dem Adlon. „Er könnte vermutlich jede Flasche Weißwein aufspüren, die jemals gekeltert worden ist.“ Öffentlichkeit wird Sorrentino künftig weghexen. Das Team rund um den Concierge soll jenen den Zugang zum Andreas-Quartiers verwehren, die nicht dort hingehören.
So wohnen die Deutschen in verschiedenen Lebensphasen
Die Wohnstudie wurde 2015 von Marktforschungsinstitut TNS Infratest durchgeführt – im Auftrag des Versandhändlers Otto. Im Rahmen einer repräsentativen Online-Panel-Befragung wurden 1336 Deutsche ab 18 Jahren befragt. Zudem wurden mit 15 Verbrauchern ausführliche Interviews geführt.
In einer jungen Familie sind alle Kinder jünger als zwölf Jahre. Für Möbel gibt eine junge Familie im Schnitt über fünf Jahre verteilt 8059 Euro aus. Gut die Hälfte von ihnen wohnt zur Miete. Ein ebenso großer Teil will beim nächsten Umzug in eine größere Wohnung ziehen.
Das Fünf-Jahres-Budget der Familie mit älteren Kindern liegt bei 7568 Euro. Als ältere Kinder werden Kinder ab zwölf eingestuft. Nur jede dritte Familie mit älteren Kindern wohnt zur Miete. Jede vierte Familie mit älteren Kindern will beim nächsten Umzug eine kleinere Wohnung.
Empty Nester sind Familien, deren Kinder mittlerweile eigene Wohnungen haben. Sie geben im Schnitt 7017 Euro in fünf Jahren für das eigene Heim aus. Jede vierte Familie aus dieser Gruppe hat nach dem Auszug der Kinder die ehemaligen Kinderzimmer umfunktioniert.
Jeder sechste Single unter 40 wohnt alleine, jeder dritte noch bei den Eltern und jeder zehnte in einer WG. Im Schnitt beträgt das Budget für die eigenen vier Wände über fünf Jahre 5402 Euro. 70 Prozent der befragten jungen Singles wohnen zur Miete.
Der ältere Single ist über 40 und eine unattraktive Zielgruppe für Möbelhändler. Mehr als jeder zweite von ihnen plant keine Umgestaltung seiner Wohnung und falls doch, will er nicht viel ausgeben. Nur sechs Prozent von ihnen gab an, mehr als 5000 Euro investieren zu vollen. Das Fünf-Jahres-Budget liegt bei 3720 Euro.
Drei Viertel der jungen, kinderlosen Paare wohnen zur Miete – doch jedes zweite träumt vom Eigenheim. Beim Zusammenziehen hat gut die Hälfte von ihnen einen Großteil der Möbel neu gekauft. Das Fünf-Jahres-Budget liegt bei 6105 Euro.
Das größte Budget steht älteren Paaren ohne Kinder zur Verfügung: Sie geben in fünf Jahren für ihr Heim im Schnitt 10.523 Euro aus. Die Hälfte von ihnen wohnt zur Miete.
Wer hinein möchte, braucht eine PIN, eine Chipkarte oder einen entsprechenden Kontakt. Es handle sich um ein abgeschlossenes Quartier, erzählt ein Mitarbeiter der Frankonia bereitwillig, der im Showroom des Projektentwicklers Dienst tut. Noch sieht das Altstadt-Juwel aus, als hätte Verpackungskünstler Christo eines seiner Laken darüber gestülpt. Das, was darunter Realität werden soll, hat in Deutschland einen ziemlich bitteren Beigeschmack. Bürger, die sich abschotten, verursachen Magengrummeln. Die Schere, die aufklappt zwischen Arm und Reich, Gemeinwohl, das sich dünne macht, Reichtum, der durch Wohnen zur Schau gestellt wird, all das gilt als anstößig.
Weltweit ist der Trend zum Rückzug in die Wohlfühlenklave nicht mehr zu stoppen. Immer mehr Wohlhabende igeln sich in isolierten Apartmenthäusern, Wohnvierteln, ummauerten Anlagen mit Hunderten von Häusern oder gleich ganzen, umzäunten Städten ein. Gated Community nennt sich das dann. Status, Prestige, das Bedürfnis, unter Gleichen zu leben, der Wunsch nach Sauberkeit, Ordnung, Service und Komfort, die Suche nach Gemeinschaft in einer unübersichtlich und chaotisch gewordenen Außenwelt sind die Grundlage dieses Wunsches.
In Istanbul wird kaum eine neue Siedlung ohne Tor davor gebaut. In São Paulo haben sich reiche Brasilianer hinter einem sechs Meter hohen und fünf Kilometer langen Betonwall verschanzt. In den USA stieg die Zahl von Häusern in Gated Communities laut Zensusdaten im vergangenen Jahrzehnt um 53 Prozent.
Mike Davis, amerikanischer Historiker und Stadtsoziologe, skizzierte in seinem Werk „City of Quartz“ schon Anfang der Neunzigerjahre ein Bild urbanen Verfalls. Er beschwört auf 500 Seiten die Düsternis einer in privatwirtschaftlich organisierten Einheiten zerbröselten Stadt, die von der Polizei abgesichert wird wie ein Gefängnis. Davis beschreibt sein postmodernes Atlantis am Beispiel von Los Angeles und orakelt, die Stadt würde zu einer Festung, das öffentliche Leben nur noch hinter Mauern stattfinden, der öffentliche Raum gänzlich abgewertet. Davis’ Befürchtung droht nun in vielen Städten der Welt Realität zu werden.