Wohnungsbau Spekulanten verhindern den Bau von Wohnungen

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Drohen in München Enteigungen durch die Stadt?

München beispielsweise greift mit der Städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme, kurz SEM, ein. Neue Wohnviertel kann die bayerische Hauptstadt mit SEM ohne Rücksicht auf Eigentumsverhältnisse durchziehen. Preise für Bauland werden auf dem Niveau eingefroren, bevor die Baupläne bekannt sind. Die Stadt sichert sich ein Vorkaufsrecht. Grundstückseigentümer werden notfalls enteignet.

Im Nordosten Münchens, in Daglfing, bereitet die Stadt eine SEM vor. Die Baulandpreise sind seit mehreren Jahren festgezurrt. Was an Grundstücken in öffentlicher Hand ist, soll später gewinnbringend an Bauherren veräußert werden. Mit den Einnahmen will München unter anderem Kitas und Schulen finanzieren.

Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) will nicht enteignen. „Die Grünen und die Münchner SPD schließen Enteignungen jedoch nicht aus“, sagt Martin Zech von der Bürgerinitiative Heimatboden. Zech fürchtet, dass die Debatte in Berlin über das Enteignen von Wohnungen auch aufs Bauland überschwappen könnte.

Das Einfrieren der Bodenpreise sei so etwas wie eine kalte Enteignung, sagt Hans Oberfranz, Grundstückseigentümer im Nordosten Münchens. Für mehr als zehn Euro pro Quadratmeter dürfe er nicht verkaufen, sonst könnte die Stadt den Verkauf rückabwickeln. Oberfranz will jedoch sein Grundstück behalten. Er sei kein Spekulant.

Es gebe Alternativen zur SEM, sagt die Initiative Heimatboden. Dazu gehöre beispielsweise das Konzept sozialgerechte Bodennutzung, kurz Sobon. Zwei Drittel des Wertzuwachses fürs Bauland bleibe bei Sobon bei der Stadt, ein Drittel erhalte der Grundstückseigentümer. Von dem einen Drittel gingen noch die Steuern ab, weil die überwiegend landwirtschaftlichen Flächen zum Betriebsvermögen gehörten. Dass die Stadt bei Sobon zu wenig Geld einsammeln würde, um öffentliche Infrastruktur zu finanzieren, sei unsinnig, sagt Zech.

Dass die Kommune die SEM bevorzugt, hat finanzielle Gründe. Denn mit ihr kann München ein breiteres Spektrum an Infrastruktur mit Geld aus den Grundstücksverkäufen fördern. Beispiel: Über Mittel aus Sobon ließe sich eine Grundschule, aber keine weiterführende Schule finanzieren. Das ginge jedoch mit der SEM. Ohne diese Maßnahme müsste München etwa fürs Gymnasium Haushaltsmittel verwenden.

Für Hans Oberfranz ist es ein Kampf gegen Windmühlen. Noch sei er nicht eingeknickt. Denn Eigentümer aus anderen Ballungsräumen hätten ihn aufgefordert, Widerstand gegen die SEM zu leisten, weil München ein Präzedenzfall sei. Bisher habe es solche Eingriffe in Eigentumsrechte vor allem bei Industrieanlagen und ehemaligen Kasernen gegeben. In München seien erstmals in großem Ausmaß private Eigentümer betroffen. Wenn in der bayerischen Landeshauptstadt die SEM durchgehe, könne sie Eigentümer überall in Deutschland treffen.

Nur sechs Jahre zum Bauen

Berlin hat einen anderen Weg eingeschlagen, um Spekulanten auszubremsen. Im vergangenen Jahr hat die Bundeshauptstadt die Bauordnung geändert. Vor der Reform galt eine Baugenehmigung drei Jahre lang und konnte unbegrenzt um jeweils ein Jahr verlängert werden. Viele Bauherren haben nur einen Baucontainer aufgestellt und dann auf steigende Preise gewartet. Jetzt muss das Bauvorhaben innerhalb von sechs Jahren abgeschlossen sein, eine Baugenehmigung lässt sich nur noch zwei Mal um jeweils ein Jahr verlängern.

Soweit sind die Maßnahmen noch sinnvoll. In seinem Stadtentwicklungsplan Wohnen 2030 geht Berlin mit seinen politischen Forderungen jedoch noch einen Schritt weiter. So solle der Bund beim Umwandeln von Brachflächen in Bauland grundsätzlich einen Preis unabhängig vom Marktwert festlegen. Eigentümer könnten dann nicht mehr meistbietend verkaufen. Der Markt für Baugrundstücke wäre staatlich reguliert.

Entwickler mit Salamitaktik

Auch ohne Spekulanten können sich Wohnbauprojekte verzögern. Nämlich dann, wenn die Interessen von Projektentwickler und Kommune auseinanderlaufen. Das kommt recht häufig vor. Denn die Gemeinde will möglichst schnell bezahlbaren Wohnraum, der Entwickler eine möglichst hohe Rendite. Kommen zu viele Wohnungen zu schnell auf den Markt, sinkt die Marge des Verkäufers.

Brack Capital hat das Neubaugebiet Grafental im Osten Düsseldorfs sukzessive entwickelt. 2015 war der erste Bauabschnitt fertig. Bis 2026 soll das letzte Haus stehen. Dann sollen in dem neuen Quartier rund 1500 Menschen wohnen.

Im Glasmacherviertel sollen wie beim Projekt Grafental 40 Prozent der Wohnungen öffentlich gefördert oder preisreguliert sein. Ob sich die Stadt Düsseldorf auf eine ähnlich lange Frist bis zum letzten Bauabschnitt einlassen will, ist fraglich. Eigentlich müsste sie den angespannten Immobilienmarkt schneller mit bezahlbarem Wohnraum entlasten. Im geförderten Teil des Gerresheimer Areals soll die Kaltmiete bei maximal 9,60 Euro je Quadratmeter liegen.

Kapitalanleger dürften an den übrigen 60 Prozent interessiert sein. Bei einem Kaufpreis von geschätzt 120 Millionen Euro für das gesamte Areal seien Kaltmieten von 15 Euro je Quadratmeter wahrscheinlich, monieren Kritiker. Mir weniger ließen sich die Investitionen nicht refinanzieren. Käufer und Verkäufer des Glasmacherviertels haben Stillschweigen über den tatsächlichen Kaufpreis vereinbart. Klar ist zumindest, dass sich Durchschnittsverdiener Kaltmieten um die 15 Euro nicht leisten könnten.

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