Wohnungsmarkt Vom Ausland lernen: Bloß kein Mietpreisdeckel!

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Bröckelnde Innenstädte

Beispiel Portugal

Auch in Portugal stiegen die Mietpreise nach dem zweiten Weltkrieg aufgrund der Wohnungsknappheit deutlich. Während der Salazar-Diktatur wurde daher bereits 1947 ein Mietpreis-Stopp für die Metropolen Lissabon und Porto verhängt, der sich mehr als vier Jahrzehnte halten sollte.

Da die eingefrorenen Mieten auch nicht an die allgemeine Teuerungsrate angepasst wurden und Portugals Währung immer wieder unter hoher Inflation litt, sanken die realen Mieten in dieser Epoche enorm. Viele Mieter zahlten mehr für Strom, Gas und Wasser als für ihre komplette Wohnung. Ab dem Ende der Achtzigerjahre durften die Mieten zumindest mit der Inflation schritthalten, aber bis 2006 blieb die reale Mietpreiserhöhung in den beiden Großstädten verboten. Als Folge davon blieben bis zu dieser Zeit Sanierungen und Modernisierungen des Gebäudebestands weitgehend aus, immer mehr Altstadtwohnungen verfielen, weil den Vermietern das Geld für die Instandhaltung fehlte. Ende der Neunzigerjahre stürzten jährlich rund 20 Häuser in Lissabons Stadtzentrum ein. Zu Beginn dieses Jahrzehnts sollen in Lissabons Innenstadt noch mehrere Zehntausend Wohnungen leer gestanden haben.

Weil der Besitz von Mietwohnungen unattraktiv war, boomte im Gegenzug der Besitz von Eigentumswohnungen. Vermieter zogen es oftmals vor, den Tod der Mieter abzuwarten, um die Häuser abzureißen und durch Bürogebäude zu ersetzen.

Seit dem Ende der Mietpreisbremse 2006 steigen die Immobilienpreise in Portugal im Eiltempo, vor allem an der Algarve-Küste sowie von Lissabon und Porto. Doch obwohl es sich für Investoren wieder lohnt, in den Wohnungsbau zu investieren, bleibt das Wohnraumangebot weit hinter der der Nachfrage zurück – der jahrzehntelange Verfall und der Rückzug der Vermieter haben deutliche Spuren hinterlassen. Heute wohnen drei Viertel der portugiesischen Haushalte in der eigenen Immobilie.

Beispiel Spanien

Spanien hielt die Mietpreise nach dem Zweiten Weltkrieg ebenfalls über Jahrzehnte gedeckelt. Da Mietwohnungen so mit den Jahren unrentabel wurden, zogen sich private Vermieter zurück. Im Gegenzug stieg der Anteil der Immobilieneigentümer: Weil viele Vermieter ihre Wohnungen direkt an ihre Mieter verkauften, wohnen Spaniens Haushalte zu 77 Prozent im Wohneigentum – trotz einer Hypothekenkrise im Zuge der Finanzkrise ab 2008 und einem seitdem gestiegenen Anteil der Mieter. Zum Vergleich: In Deutschland liegt die Wohneigentumsquote bei nur 51 Prozent – was sehr für einen funktionierenden Mietmarkt spricht.

Die gestiegene Nachfrage nach Mietwohnungen trifft weiter auf ein zu kleines Angebot, was faire Mieten und mehr Wettbewerb verhindert. Dass der spanische Mietmarkt nicht weiter Fahrt aufnimmt, dürfte auch daran liegen, dass sich der Staat in die Vermietung immer wieder einmischt. Vermietern wie Mietern fehlt es an Rechtssicherheit. Denn auch nach dem Ende der Mietpreisdeckelung wurde Spaniens Wohnungsmarkt mehrfach reguliert. Zuletzt wurde eine Mietrechtsreform vom Dezember 2018 vom Parlament gestoppt. Zankapfel sind unter anderem Mietkautionen und Vertragsverlängerungen.

Viele Mietverhältnisse in Spanien sind auf drei, fünf oder sieben Jahre befristet und verlängern sich stillschweigend um jeweils ein bis drei Jahre. Vermieter haben somit das Recht, nach Ende der Vertragslaufzeit einen neuen Vertrag zu meist deutlich höheren Mietpreisen anzubieten. Bestandsmieter sehen sich in den Metropolen Barcelona oder Madrid so nach einigen Jahren oft mit horrenden Mieterhöhungen konfrontiert. Seit 2012 ist Wohnraum im Madrid um 23 Prozent, in Barcelona sogar um 55 Prozent teurer geworden, obwohl die Löhne sanken. Mieterschutz und Mieterverbände erfreuen sich mittlerweile regen Zulaufs.

Beispiel Großbritannien 

Die Mietpreise in London sind zuletzt sogar wieder gesunken – was sicher mit Brexit-bedingtem Schrumpfen der Banker-Szene zu tun hat. In Großbritannien sind mögliche Mietpreisbegrenzungen dennoch immer wieder Thema, da Städte wie London oder Manchester für normale Angestellte kaum bezahlbar sind.

Dabei hatte das Land bereits in den Siebzigerjahren schlechte Erfahrungen mit Mietpreisdeckeln gesammelt. Damals hatten sich viele Vermieter umgehend von ihren Immobilien getrennt, weil sie sonst unter Marktpreis hätten vermieten müssen. Andere wiederum umgingen den Mietpreisdeckel, indem sie nur noch möblierte Wohnungen anboten. Als diese ab 1975 ebenfalls unter die Mietendeckelung fielen, brach das Angebot solcher Wohnungen umgehend ein, die entsprechenden Annoncen in den Zeitungen sanken um 75 Prozent. Zudem entstand ein Schwarzmarkt für Mietwohnungen. So versuchten Vermieter über hohe Abstandszahlungen für Einrichtungen wie einer Einbauküche oder abstrus hohe Garagenmieten ihre Einnahmen auf Marktniveau zu erhöhen. Auf das Wohnungsangebot hatten die „Fair Rent“-Regeln jedenfalls keinen positiven Effekt.

Fazit: Ein Mietpreisdeckel führt über kurz oder lang dazu, dass das Angebot an Mietwohnungen sinkt, weil private Investoren fernbleiben. Alternativ verfällt der Gebäudebestand – auch im sozialen Wohnungsbau im Falle finanziell erschöpfter Kommunen – oder es bilden sich merkwürdige Umgehungsstrategien und Schattenmärkte. In keinem der Beispiele ist das Wohnungsangebot gestiegen, vielmehr sorgte das knappe Angebot für explodierende Mietpreise nach dem Ende der Preisgrenzen.

Die britische Zeitung „Telegraph“ zitiert daher den Ökonomen und Wohnungsmarktexperten Assar Lindbeck: „Eine Regulierung der Mieten scheint der effizienteste derzeit bekannte Weg zu sein, um eine Stadt zu zerstören – von ihrer Bombardierung einmal abgesehen.“

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