Wohnungsmarkt Das Ende der Preissteigerungen naht

Erstmals seit Jahren sind die Wohnungspreise in München in einem Quartal stabil geblieben. Anderenorts lässt der Preisauftrieb nach. Die Zinsen bleiben niedrig. Werden die eigenen vier Wänden erschwinglicher?

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Wohnungsmarkt: Das Ende der Preissteigerungen naht Quelle: dpa

Düsseldorf Seit Jahren kennen die Preise für Eigentumswohnungen und Einfamilienhäuser nur eine Richtung: nach oben. Von 2004 bis heute stiegen die Preise für Wohnungen in Deutschland im Schnitt um 44 Prozent, die der Eigenheime um 22 Prozent, zeigen Teilsegmente des F+B Wohn-Index Deutschland für das dritte Quartal 2017. In den Ballungsgebieten sind die Steigerungsraten wesentlich höher. Junge Familien verzweifeln, weil sie nicht so schnell sparen können, wie Ihnen die Preise weglaufen. Und zuletzt sind auch noch die Zinsen gestiegen, nicht die für Spargelder, sondern die für Immobilienkredite. Das hat die Situation für Möchtegern-Bauherrn noch dramatischer gemacht.

Doch nun könnte sich die Situation entspannen. Die Preise für private Wohnimmobilien steigen weniger schnell als in der Vergangenheit. Der F+B Wohn-Index Deutschland für Wohnungen legte für das dritte Quartal 2017 gegenüber dem Vorquartal nur noch 0,9 Prozent und für Einfamilienhäuser sogar nur um 0,7 Prozent zu. Damit setzt sich ein Trend durch, den die Wohnimmobilien-Marktforscher von F+B Forschung + Beratung seit zwölf Monaten beobachten. Die Preise klettern zwar noch nach oben, aber weniger schnell.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt Europace. Der Europace-Hauspreis-Index (EPX) legte im September 2017 gegenüber dem Vormonat um 0,44 Prozent zu. In diesen Index fließen die Preiseentwicklungen von Ein- und Zweifamilienhäusern sowie Wohnungen ein. Dabei ist egal, ob es sich um einen Neubau oder eine Bestandsimmobilie handelt. „Von Preisexplosionen kann also allgemein weiterhin keine Rede sein“, sagt Stefan Kennerknecht, Vorstand der Europace. Die Gesellschaft wickelt jährlich 45 Milliarden Euro Immobilienkredite für Privatpersonen ab.

Die beiden Indizes liefern vergleichbare Ergebnisse auf Basis unterschiedlicher Daten. F+B bedient sich bei Angebotsdatenbanken, die beispielsweise die Preise von über Vermittlungsplattformen wie Immobilienscout 24 offerierten Objekten auswerten. Europace nutzt Daten aus über die eigene Plattform abgewickelten Finanzierungen. Daraus sind die tatsächlichen Preise ersichtlich. Doch immer dann, wenn – wie zurzeit – die Nachfrage nach Wohnraum sehr hoch ist, ist erfahrungsgemäß die Differenz zwischen Angebots- und Vertragspreise gering.


Häuslebauer weichen ins Umland der Metropolen aus


Der Immobilienkreditvermittler Dr. Klein blickt nach vorn. Seine gute Nachricht für Haus- und Wohnungskäufer lautet: Neue Rekorde der Immobilienpreissteigerungen seien 2018 nicht zu erwarten. „Die Steigerungsrate der Immobilienpreise hat ihren Scheitelpunkt erreicht“, ist Dr.-Klein-Vorstand Michael Neumann überzeugt.

Ein Beispiel für diese Entwicklung liefert München. Dort stagnierten die Preise erstmalig, stellt F+B nach ihrer neuesten vierteljährlichen Untersuchung von Mieten und Preisen in den knapp 500 deutschen Städten mit mehr als 25.000 Einwohnern fest. Genau genommen gingen die Preise für Eigentumswohnungen in München im dritten gegenüber dem zweiten Quartal 2017 sogar um 0,4 Prozent zurück. Im Vorjahresvergleich nahmen sie um 0,9 Prozent zu.

Viele Quartale lang war die bayerische Hauptstadt nicht nur die Stadt mit den höchsten Wohnungspreisen und –mieten, sondern auch die Metropole, in der die Wohnkosten am schnellsten hochgingen. Teuerster Wohnstandort Deutschlands ist die Stadt geblieben. Im Schnitt, also über alle Stadtlagen und Altersklassen hinweg, kostet ein Quadratmeter Wohnung in München 5.900 Euro, ermittelte F+B. Die Spanne der Preise reicht von 2.760 bis 11.510 Euro. In der Liste der 50 Städte mit den teuersten Eigentumswohnungen folgen auf den nächsten fünf Plätzen Umlandgemeinden der Isarmetropole und Garmisch-Partenkirchen. F+B spricht von „Überschwapp-Effekten“, weil die Nachfrage in München nicht annähernd gedeckt werden kann. Freiburg folgt in der Liste auf Platz sieben, Hamburg auf Platz neun und als nächste Metropole Frankfurt auf Platz zwölf.

Auch im Großraum Frankfurt weichen die Menschen in Umlandgemeinden aus, so dass etwa in Bad Homburg die Wohnungspreise ganz besonders stark anziehen. Die Stadt ist von jeher Wohnort gutverdienender Frankfurter Banker. Sie dürfte es auch bleiben. Denn in Frankfurt wird inzwischen der Zuzug von 10.000 bis 15.000 Bankmitarbeitern der oberen Einkommensklasse samt Familien erwartet. Denn in den vergangenen Tagen haben sich mehrere Banken darauf festgelegt nach dem Ausstieg Großbritanniens aus der Europäischen Union (Brexit) einen großen Teil ihres Geschäftes aus London nach Frankfurt zu verlegen. Der Brexit könnte dem Frankfurter Immobilienmarkt eine Sonderkonjunktur bescheren.


Keine Angst vor steigenden Zinsen


Doch anderenorts könnte bei wenig bis gar nicht steigenden Preise Wohnraum wieder erschwinglicher werden. Dazu müssten die Einkommen weiter zunehmen und die Zinsen nicht noch einmal steigen. Das vor wenigen Tagen nach oben korrigierte Wirtschaftswachstum macht Hoffnung auf weiter steigende Einkommen. Und auf der anderen Seite schließen Ökonomen und Baufinanzierungsvermittler zumindest drastische Zinserhöhungen aus. „Gerade aufgrund des schrittweisen und behutsamen Ausstiegs der Europäischen Zentralbank (EZB) aus den Anleihekäufen sind keine abrupten Zinssprünge zu erwarten“, sagt Dr.-Klein-Manager Neumann und verspricht: „Die Konditionen bleiben 2018 günstig.“

Die Bedeutung der EZB-Anleihekäufe ist nur über einen kleinen Umweg zu erklären. Zurzeit wird angenommen, dass EZB-Präsident Mario Draghi das Ankaufsprogramm für Anleihen auch im neuen Jahr weiterführt, aber das Volumen von aktuell monatlich 60 Milliarden verringert. Spekuliert wird über Volumina von 40 oder gar nur noch 30 Milliarden Euro.

Eine geringere Nachfrage wird dazu führen, dass die Kurse für Anleihen nachgeben. Das bedeutet, dass die Renditen automatisch zunehmen, weil die Kupons der Anleihen gleich bleiben. Die Renditen der Pfandbriefe orientieren sich an denen der Staatsanleihen. Wenn die Renditen der Staatsanleihen steigen, ziehen die Renditen der Pfandbriefe nach. Pfandbriefe sind das Instrument, mit dem Banken ihre Immobilienkredite refinanzieren. Wenn die Finanzierungskosten der Banken steigen, geben sie diese an ihre Kunden weiter. Insofern profitieren Häuslebauer von Draghis behutsamer Änderung der Zinspolitik, weil die für langsam steigende Anleiherenditen und somit auch moderat zunehmende Baufinanzierungszinsen sorgt.

Baufinanzierungsberater empfehlen unverändert, die niedrigen Zinsen zu nutzen um Verträge mit langer Zinsbindung und hohen Tilgungsquoten abzuschließen – konkret: 15 Jahre fest Zinsen und drei Prozent Tilgung. Nach den auf der Internetseite der FMH Finanzberatung ersichtlichen Top-Konditionen am Dienstag würde ein solcher Kredit über 300.000 Euro bei 1,54 Prozent Effektivzins 1.127,50 Euro im Monat kosten. Nach Auslauf der Zinsbindung im Jahr 2032 wäre der Kredit bis auf eine Restschuld von 148.382 Euro getilgt. Über die Jahre hätte die Bank 51.332 Euro Zinsen kassiert.

Angenommen, die Zinsen steigen nur langsam wie nahezu von allen prognostiziert und der gleiche Kredit würde im nächsten Jahr 0,4 Prozent teurer, also zu effektiv 1,94 Prozent angeboten. Dann würde die monatliche Belastung um gut 100 Euro auf 1.230 Euro zunehmen und die Bank 65.095 Euro Zinsen einnehmen. So ärgerlich die höheren Zinszahlungen sind, ein positiver Aspekt bleibt: Aufgrund eines mathematischen Effekts ist bei einem Darlehen mit gleichbleibenden Raten (Annuitätendarlehen) die Tilgung umso höher, je höher die Zinsen sind. Deshalb beträgt die Restschuld bei 1,94 Prozent Effektivzins nur 143.695 Euro. Der Häuslebauer wird bei höheren Zinsen früher schuldenfrei.

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