Wohnungsmarkt Hamburg In der Hansestadt sind die Wohnungen knapp

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"Als Mieter hatten wir ein Vorkaufsrecht. Ich fand das damals zu teuer, aber heute zahlen Sie hier das Doppelte", weiß er. Er besitze noch eine zweite Wohnung, gleich um die Ecke, "Ende der Neunziger aus steuerlichen Erwägungen gekauft". Die habe sogar ein "klein bisschen Alsterblick – im Winter, wenn das Laub ab ist". So was bekomme man heute aber nicht für unter 5.000 den Quadratmeter, erzählt er gut gelaunt. "Da habe ich 1997 zweitausend für bezahlt – D-Mark!" Das "Deeee-Maark!", zieht er in die Länge, mit ein paar Vokalen mehr als nötig, und hält den Zeigefinger hoch.

Rundherum werde jetzt "nachverdichtet", parliert er gekonnt im Fachjargon, "heißt: überall kommen Lofts auf die Dachböden oben auf. Da ziehen dann die Schnösel ein", erklärt er. "Und für jeden Schnösel fallen drei Parkplätze für die Anwohner weg." Wegen der breiteren Feuerwehrzufahrten, die wegen der Lofts notwendig seien – "eine Zumutung", findet der Mann, "mal von dem ständigen Baulärm ganz ab". Seine Jutetasche hat jetzt eine nasse Ecke – die Fischstäbchen tauen.

Da es in Hamburg zu wenig geeignete Flächen gibt, sind auch dem sogenannten Nachverdichten, das den Anwohner so nervt, enge Grenzen gesetzt. 8.000 Menschen zieht es jedes Jahr per saldo in die Hansestadt, der Senat schätzt den Bedarf auf 6000 neue Wohnungen pro Jahr, damit der Bestand wenigstens nicht überaltert, gebaut werden seit Jahren nur 3.000 – der berühmte Tropfen auf den heißen Stein. Die Hansestadt will nun gegensteuern. Auf dem Gleisbett vor dem Kopfbahnhof Altona sollen von 2012 an auf 30 Hektar mehr als 3200 Wohnungen gebaut werden. Doch es gibt Stunk. Ihn störe gar nicht, dass "viele Menschen wieder in der Innenstadt wohnen wollen, statt draußen die Landschaft zu zersiedeln. Das ist an sich eine begrüßenswerte Entwicklung", sagt Stadtplaner Mario Bloem.

Und doch unterstützt er die Bürgerinitiative Altopia, die gegen die Pläne ankämpft. Ihn mache "die Art und Weise wütend, in der Stadt und Eigentümer Deutsche Bahn eines der letzten großen unbebauten Gelände in Hamburg regelrecht verhökern", erklärt deren Gründer Thomas Leske, 72, Nervenarzt und Psychiater im Ruhestand. Das Gelände sei "ein Rohdiamant", sagt Bloem, bei dem die Altopia-Leute und andere Anwohner sich Rat holen. "So ein riesiges, zentrales Baugrundstück gibt es in Städten wie Hamburg oder München nur alle 100 Jahre zu bebauen." Umso mehr ärgert Leske, dass die Stadt bereits Filetstücke in der Mitte des Geländes an Investoren verkauft habe, "ohne ein richtiges Gesamtkonzept für das Areal zu haben. Da geht es nur darum, wer am schnellsten den größten Reibach macht", vermutet der Mediziner. Damit die Kalkulation der Investoren aufgeht, muss die Stadt in ihrem Flächennutzungsplan das Industrie- in ein Wohngebiet umwandeln. Dass das passiert, ist angesichts der Wohnungsnot sehr wahrscheinlich. „Wenn Sie auf dem Grundstück dann sechsstöckige Wohngebäude bauen dürfen, können sie – vereinfacht – jeden Quadratmeter sechs Mal verkaufen, ein enormer Gewinn entsteht“, erklärt Bloem. Leske meint, der Gewinn müsse von der Stadt teilweise abgeschöpft und in den sozialen Wohnungsbau gesteckt werden, „sonst leben in der Innenstadt in zehn Jahren nur noch Betuchte“.

Hier entsteht Betongold

Dass die Investoren mit dem Gelände Gewinn machen werden, ist so gut wie sicher. "Wie bei Stuttgart 21 geht es in Altona nur sekundär darum, wo ein ICE-Bahnhof am besten steht. Vor allem geht es um die frei werdenden Baugrundstücke in bester Zentrumslage", sagt Stadtplaner Bloem. "Hier wird das berühmte Betongold erschaffen." Ein Gutachten der Lawaetz-Stiftung bezifferte den zu erwartenden Reingewinn aus dem Projekt auf 318 Millionen Euro. Die Zahl wurde auf Basis der Verkaufspreise von 2006 berechnet; inzwischen dürften sich diese aber verdoppelt haben. Entstehen würde der Gewinn aus Bodenwertsteigerung (durch das Umwandeln von billigem Bahngelände in Wohnungsbauland) und die Gewinnspanne beim Verkauf der rund 3300 Eigentumswohnungen auf dem Gelände.

Konkret läuft die Betongold-Schöpfung so: Der Projektentwickler, in Altona die ehemalige Bahn-Tochter Aurelis, die heute dem Baukonzern Hochtief und US-Finanzinvestor Redwood Grove gehört, erwerben die Grundstücke billig; für den Einkaufspreis maßgeblich sind die Bodenrichtwerte der Städte – und die sind bei Gleisanlagen und Industriebrachen sehr niedrig. Beim Projekt Mitte-Altona rechnet die Studie mit 200 Euro je Quadratmeter, zuzüglich 60 Euro für Dekontaminierung und Freimachung.

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