Wohnungsmarkt München Immobilienblase an der Isar

Im Münchner Stadtteil Laim kann man derzeit besichtigen, was passiert, wenn einer Stadt der Raum ausgeht. Alte Häuser werden abgerissen, zu wenig neue gebaut. Wer kaufen will, muss schnell sein.

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München Quelle: LAIF/Michael Riehle

"Es is a Jammer", klagt ein Anwohner in Polohemd und Sandalen. "Die ganzen schönen alten Häuser reißen’s ab", mosert er, "da baun’s dann sechs, sieben greisliche Reihenhäusl nauf, wo vorher eins war." Typische Münchner Kaffeemühlen-Häuser prägten bis vor Kurzem die ruhigen Seitenstraßen links und rechts der Agnes-Bernauer-Straße: biedere, zweistöckige Gebäude mit quadratischem Grundriss und Walmdach, etwas klobig, nichts Luxuriöses, aber solide. Inzwischen sind sie selten. Denn die frei stehenden Kaffeemühlen stehen auf großen Grundstücken, nicht selten 2.000 Quadratmeter groß; sie werden von den Erben oft abgerissen, die Grundstücke aufgeteilt. Nachfrage ist mehr als genug da, die Gegend beliebt: ruhig, aber zentral; nicht weit vom Nymphenburger Park und trotzdem schnell an der Stuttgarter Autobahn und der U-Bahn zur Innenstadt.

Für ein Laimer Reihenhäuschen interessierten sich Max Schilling, 38, und seine Frau. Der Jurist hatte sich einen kleinen Neubau in der Agricolastraße ausgeguckt, einer typischen Laimer Wohnstraße: kaum Durchgangsverkehr, gepflegte Vorgärten, den parkenden Autos nach wohnen viele Familien hier. Kombis und Vans sind deutlich in der Überzahl, Sportwagen die Ausnahme. 890.000 Euro sollte das Häuschen kosten, 140 Quadratmeter Wohnfläche auf drei Etagen, in zweiter Reihe, ohne Stellplatz oder wenigstens Zufahrtsmöglichkeit. Schillings zögerten. "Wir wollten uns das noch mal zwei Tage durch den Kopf gehen lassen, schließlich ging es um fast eine Million Euro." Aber der Verkäufer drängte; er habe noch ein Dutzend weitere Interessenten an der Hand.

Entscheidungen über Millionen werden in Minuten gefällt

"Das ist doch irre!", findet Schilling. "Wenn ich einen Fernseher kaufen will, lese ich einen Testbericht, recherchiere die Preise im Internet, lasse mich im Fachhandel beraten; am Ende habe ich bestimmt einen halben Tag investiert für eine Investition von 499 Euro – hier soll ich in zwei Stunden eine Kaufentscheidung über eine Million Euro fällen." Niklas Richter, 42, ebenfalls Jurist, war sich mit dem Verkäufer schon einig. Die Finanzierung war klar, der Notartermin stand. "Einen Tag davor rief die Maklerin an und sagte, wir müssten noch mal über den Preis reden, es gebe plötzlich einen anderen Interessenten, der deutlich mehr biete – von einem Tag auf den anderen sollten wir noch mal 120.000 Euro drauflegen."

Immobilienblase in München

"Wer zögert, hat keine Chance", sagt Immobilien-Investor Robert Weiher. Seine Familie ist seit Jahrzehnten im Münchner Markt aktiv; Eltern und Brüder sind Bauträger, Projektentwickler, Bestandshalter. Auch er selbst besitzt "ein kleines, bescheidenes Portfolio", sagt er. Aber was "momentan in München abgeht", meint der Bayer, "das hat Züge einer Blase, auf jeden Fall ist es ein Hype". Objekte in der richtigen Größe – drei bis fünf Zimmer – seien "in zwei bis drei Tagen vom Markt", beobachtet Weiher, "aber die guten Sachen kriegen Sie eh nicht übers Internet oder die Zeitung; die sehen Sie auch nicht bei den Maklern im Schaufenster".

Die Vermögensverwalter der Superreichen hätten sich "ein eigenes Netz aus Maklern und Projektentwicklern aufgebaut"; alle suchen Immobilien für ihre Kunden. Weiher: "Wenn in München was wirklich Interessantes auf den Markt kommt, geht es diesen Weg; da stehen Leute dahinter, für die es auf ein paar Hunderttausend mehr nicht ankommt." Weiher kennt aber auch "immer mehr Leute, die ihre Häuser und Wohnungen neu beleihen, um weitere dazukaufen zu können". Seit drei Jahren hat Weiher selbst keine Wohnung mehr gekauft, obwohl er sein privates Portfolio "gern erweitert hätte" – zu teuer. Sein letzter Kauf war eine Wohnung im ehemaligen AOK-Gebäude in der Maistraße; die aufwendig sanierte "Trutzburg des Wohlstands" ("Süddeutsche Zeitung") hört heute auf den Namen "Isar-Stadtpalais". 4.800 Euro für den Quadratmeter hat Weiher vor drei Jahren für sie bezahlt. Vor Kurzem bat ihn sein Mieter, sie ihm zu verkaufen; er bot 7.500 Euro für den Quadratmeter.

In Köln (links), Frankfurt (Mitte) und Berlin (rechts) stiegen die Mieten stärker als die Wohnungspreise. Diese holen aber auf

Bauträger zögen im Moment "hoch, was geht, und sie geben es zu Mondpreisen in den Markt; die scheinen alle Angst zu haben, dass der schöne Immo-Boom bald wieder abreißt", meint Weiher. Noch ist es nicht so weit; die Nachfrage übersteigt das Angebot um ein Vielfaches.

Es wird nicht besser werden: Jahr für Jahr kommen rund 8.000 Menschen in die Stadt, aber kaum jemand will weg. Wohnraum ist notorisch knapp. Gebaut werden gerade mal 3.500 Wohnungen pro Jahr. Laut Statistik muss eine Münchner Familie durchschnittlich zehn Jahreseinkommen aufbringen, um sich den Traum von der halbwegs passablen Eigentumswohnung zu erfüllen; im deutschen Durchschnitt sind es 5,6 Jahreseinkommen.

Am Bedarf vorbei gebaut

4400 Euro kostete der Quadratmeter Mitte 2011 im Durchschnitt. Dort, wo gebaut wird, sind es meist teure Prestigeobjekte. "München baut nicht nur zu wenig, sondern auch am Bedarf vorbei – alle Entwickler drängen ins Luxussegment", meint Weiher. Absolute Spitze ist bisher der Turm des ehemaligen Heizkraftwerks in der Müllerstraße. Viktualienmarkt, Isar und Sendlinger Tor, die Kneipen des Glockenbachviertels – alles ist "fußläufig erreichbar", wie es im Makler-Sprech heißt.

Bis zu 24.000 Euro pro Quadratmeter sollen die Wohnungen in den oberen Etagen kosten, die alleroberste, ein Penthouse mit 700 Quadratmetern und 360-Grad-Panorama-Blick, hat ein örtlicher Pharmaunternehmer gekauft; über den Namen und Kaufpreis schweigt sich der Projektentwickler aus; die Schätzungen der Boulevardpresse pendeln sich zurzeit bei 16 bis 21 Millionen Euro ein. Die Wohnungen weiter unten sind ab 8000 Euro pro Quadratmeter zu haben, zwei Drittel sind bereits verkauft.

Weiher weiß von einem anderen Haus in der Nähe des Englischen Gartens und des Eisbachs, die berühmte 1a-Lage. 13 Millionen Euro wollte der Entwickler vor einem Jahr dafür. Doch dann verzögerte sich das Projekt: Der Interessent bekam die Finanzierung nicht hin. Kürzlich sei das Haus an einen anderen verkauft worden, sagt Weiher. Für 23 Millionen.

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