Was hat den Bau-Boom ausgelöst?
Hypothekenkredite sind wegen der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) historisch günstig. Für langfristige Darlehen lag der Zins Ende des zweiten Quartals nach Angaben der Deutschen Bundesbank im Schnitt bei gerade einmal 1,8 Prozent. Zugleich herrscht bei Investoren Anlagenotstand, weil viele Finanzprodukte wegen der Niedrigzinsen kaum noch etwas abwerfen. Anleger flüchten in Betongold und setzen auf steigende Immobilienpreise.
Die Zuwanderung Hunderttausender Flüchtlinge nach Deutschland sorgt zudem dafür, dass mehr Unterkünfte gebraucht werden. So stiegen die Baugenehmigungen für Wohnungen in Wohnheimen, zu denen Flüchtlingsunterkünfte zählen, im ersten Halbjahr um gut 174 Prozent. Zum Vergleich: Das Plus bei Wohnungen in Mehrfamilienhäusern lag bei 30 Prozent.
Wer profitiert vom Boom?
Gewinner sind vor allem Besitzer von Immobilien in gefragten Regionen. Ihre Häuser oder Wohnungen sind vielerorts in den vergangenen Jahren rasant im Wert gestiegen. Vermieter profitieren zudem oft von steigenden Mieten, gerade in Großstädten. Auch Investoren an den Kapitalmärkten verdienten mit der Spekulation auf weiter steigende Preise in den vergangenen Jahren viel Geld. Bauherren kommen zwar günstige Hypothekenkredite zugute – allerdings brauchen sie angesichts der steigenden Immobilienpreise mehr Geld.
Wer sind die Verlierer?
Menschen, die in Ballungsräumen auf der Suche nach günstigem Wohnraum sind. „Eines fehlt ganz besonders: bezahlbares Bauland“, sagt Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW. Hier sei auch die Kommunalpolitik gefordert. Dem Mieterbund zufolge fehlen in Deutschland bis zu eine Million Wohnungen, insbesondere günstige. Demnach müssten jährlich 400.000 Wohnungen neu gebaut werden, davon 100.000 Sozialwohnungen.
Was tut die Politik für bezahlbaren Wohnraum in Ballungsräumen?
Bundesbauministerin Barbara Hendricks will den sozialen Wohnungsbau wieder zur Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern machen. Die SPD-Politikerin schlägt vor, das Grundgesetz so zu ändern, dass der Bund sich auch über 2019 hinaus engagieren darf. Wohnungsbau ist seit 2006 in Länderhand, der Bund zahlt bis 2019 sogenannte Kompensationsmittel. „Der Bedarf ist so riesig, dass die Länder das auf Dauer nicht allein stemmen können“, meint die Ministerin. In diesem Jahr zahlt der Bund eine Milliarde Euro an die Länder, um den sozialen Wohnungsbau zu unterstützen. 2017 bis 2019 sollen es dann 1,5 Milliarden Euro jährlich sein. Erst im Juli waren Pläne der Koalitionsregierung, mit Steuervergünstigungen für Investoren den Wohnungsbau anzukurbeln, im Bundestag gescheitert.
Was fordert die Wohnungswirtschaft von der Politik?
Mieterbund und Verbände der Wohnungswirtschaft fordern mehr öffentliche Gelder für den sozialen Wohnungsbau, attraktivere Förderbedingungen sowie die Überarbeitung gesetzlicher Vorgaben, die das Bauen einschränken oder verteuern. So wies der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) darauf hin, dass der Anstieg der Baugenehmigungen auch darauf zurückzuführen sei, dass viele ihr Bauvorhaben noch 2015 auf den Weg gebracht hätten, damit sie nicht nach den neuen Vorschriften der Energieeinsparverordnung (EnEV) ab 2016 bauen müssen. Die darin nochmals erhöhten Anforderungen an die Energieeffizienz von Wohngebäude-Neubauten würden das Bauen um sieben Prozent verteuern.