Wohnungsmieten Die Macht der Mega-Vermieter

Auf dem deutschen Wohnungsmarkt sind sie Giganten. Aber haben börsennotierte Immobilienkonzerne genug Marktmacht, um Mieten beliebig in die Höhe zu treiben? Kommt ganz darauf an, sagen Mieterschützer und Marktexperten.

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Der Konzern erhöhte 2016 die Nettokaltmieten um durchschnittlich 3,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Frankfurt/Essen Sie verwalten Hunderttausende Wohnungen: In den vergangenen Jahren haben Konzerne wie Vonovia, LEG Immobilien und Deutsche Wohnen einen rasanten Aufschwung erlebt. Allein Deutschlands größter Immobilienkonzern Vonovia besitzt 340.000 Wohnungen und ist an der Börse rund 15,7 Milliarden Euro wert. Wie viele andere ist er mit Privatisierungen früherer Arbeiterwohnungen um die Jahrtausendwende gewachsen. Erhöht Vonovia die Mieten, freut das die Investoren, trifft aber Hunderttausende Menschen.

Die Marktmacht sorgt für Kritik von Mieterschützern. So warf der Berliner Mieterverein dem Unternehmen Deutsche Wohnen jüngst eine „expansive Mieterhöhungsstrategie“ in der Hauptstadt vor. Sie erhebe Mieten über den ortsüblichen Vergleichswerten. Doch lässt sich belegen, dass börsennotierte Konzerne Gewinne auf dem Rücken der Mieter maximieren?

Tatsächlich ist die Marktmacht der Privaten geringer als oft angenommen. So gibt es nach letzten verfügbaren Erhebungen von 2011 gut 41 Millionen Wohnungen hierzulande. 17,5 Millionen werden laut Statistischem Bundesamt selbst genutzt, der Rest wird vermietet. „Davon entfallen mit 3,2 Millionen nur rund 15 Prozent auf private Wohnungsunternehmen“, sagt Günther Vornholz, Professor für Immobilienökonomie an der EBZ Business School Bochum. Der Rest befinde sich in der Hand von Genossenschaften, öffentlichen Wohnungsunternehmen oder privaten Kleinvermietern.

Konzerne wie Vonovia haben angekündigt, die Mieten weiter anzuheben. „Ich sehe nicht, warum sich das ändern sollte“, sagte Chef Rolf Buch jüngst. Kritik wegen überhöhter Steigerungen weisen sie aber zurück. Zuletzt habe man die Mieten eher moderat angehoben. Im Schnitt lägen sie bei rund sechs Euro je Quadratmeter kalt. Zu Mieterhöhungen von im Schnitt 1,5 Prozent kamen 2016 noch 1,8 Prozent mehr nach Modernisierungen. So waren die Nettokaltmieten rund 3,3 Prozent höher als im Vorjahr.

Konkurrent LEG Immobilien hat die Mieten um 2,5 Prozent auf 5,34 Euro kalt angehoben, die Deutsche Wohnen um 2,9 Prozent auf 6,09 Euro pro Quadratmeter. Zu Vorwürfen äußerte sich Letztere nicht.

„Der Trend ist, dass die Mieten weiter steigen“, sagt Silke Gottschalk vom Deutschen Mieterbund in Düsseldorf. Gerade Mieter bei Vonovia hätten „ganz ordentliche“ Erhöhungen verkraften müssen. Aber steigen die Mieten bei den stärker als anderswo?

Michael Voigtländer, Immobilienexperte am Institut der deutschen Wirtschaft, sieht das nicht. Er hat auf Basis von 300.000 Wohnungsinseraten in den zehn größten Städten Nordrhein-Westfalens untersucht, wie die Mieten bei verschiedenen Anbietern ausfallen. Sein Fazit: „Die Durchschnittsmieten bei privaten Wohnungsunternehmen sind ähnlich hoch wie etwa bei öffentlichen Verwaltern.“ Auch kommunale Firmen schauten auf die Rendite.

Zwar sagt die Studie nichts über die gesamte Bundesrepublik, doch in Nordrhein-Westfalen sind Konzerne wie Vonovia und LEG mit vielen Wohnungen vertreten.

Und selbst bei großen Übernahmen wie 2015, als Vonovia den Konkurrenten Gagfah schluckte, habe das Kartellamt keine marktbeherrschende Stellung moniert, sagt Voigtländer. Auch die Monopolkommission, die die Entwicklung der Mieten laufend beobachte, erhebe keine Einwände. „Der Wettbewerb funktioniert doch“, sagt er.

Mieterschützerin Gottschalk stellt indes fest, dass große Wohnungsgesellschaften Mieterhöhungen mit „allen rechtlichen Hebeln“ durchsetzen. „Die Großen sind viel professioneller.“ So werde bei Mieterhöhungen häufig nicht der örtliche Mietspiegel zugrunde gelegt, sondern mit Vergleichswohnungen argumentiert.


Viel Streit um Modernisierungen

Bei Vonovia beziehe man sich bei Mieterhöhungen immer dort auf den örtlichen Mietspiegel, wo er das Siegel „qualifiziert“ trägt, erläutert ein Vonovia-Sprecher. Ein qualifizierter Mietspiegel ist ein Mietspiegel, der nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt und von der Gemeinde oder von Interessenvertretern der Vermieter und der Mieter anerkannt worden ist.

Wo kein qualifizierter Mietspiegel vorliegt, etwa in kleineren Gemeinden, wählt der Konzern in der Tat auch andere, rechtlich anerkannte Instrumente: Um die höhere Mietforderung gegenüber dem Mieter zu begründen – dies ist rechtlich vorgeschrieben – verweise man zum Beispiel auf vergleichbare Wohnungen in ähnlicher Lage aus dem eigenen Bestand. Wobei sich der weit überwiegende Teil der Vonovia-Wohnungen in Gebieten mit qualifizierten Mietspiegeln befinde, erläutert der Sprecher.

Mieterbund-Vertreterin Silke Gottschalk kritisiert, dass Sanierungen die Mieten treiben. So will Vonovia künftig jährlich eine Milliarde Euro in Neubau und Modernisierung stecken. Während Mieterschützer früher oft die Vernachlässigung von Wohnungen angeprangert hätten, gebe es heute Streit um Modernisierungen, meint Gottschalk. Es sei oft schwierig abzugrenzen, ob es sich dabei nicht vielmehr um notwendige Instandhaltungen handele: Diese müssten die Vermieter tragen. Nach dem Einbau neuer Fenster oder Bäder würden im Schnitt sieben bis acht Prozent der Kosten auf die Nettokaltmiete umgelegt. Gerade für sozial Schwächere könne das eine hohe Belastung sein.

Vonovia beteuert, Modernisierungs- und Instandhaltungskosten so sauber wie möglich voneinander abzugrenzen: „Bei Projekten, bei denen beides zusammenfällt, schlüsseln wir präzise die einzelnen Kostenkomponenten auf“, sagt ein Sprecher. Würden etwa Fenster erneuert, die einen besseren Wärme- oder Schallschutz bieten, lege man nur die Mehrkosten und nicht den Instandhaltungsanteil auf die künftige Miete um.

Dennoch: In regionalen Märkten könnten die Konzerne schon Einfluss auf die Mietentwicklung haben, sagt Stefan Mitropoulos, Immobilienexperte bei der Bank Helaba. So hat Vonovia in Bochum und Bremen einen Anteil im Mietmarkt von bis zu 20 Prozent. Und Deutsche Wohnen zählt zu den größten Vermietern in Berlin. „In diesen Bereichen hat die Strategie der Konzerne schon eine Wirkung, aber eben keine marktbeherrschende“, sagt Mitropoulos.

Das lange rasante Wachstum der Mega-Verwalter über große Käufe scheint aber ohnehin vorüber. Es gebe einen Trend zu öffentlichem Eigentum, sagt Professor Vornholz. „Städte wollen kommunale Wohnungsgesellschaften nicht mehr veräußern und so politische Steuerungsinstrumente aus der Hand geben“, sagt er. Auch habe sich die Haushaltslage vieler Kommunen verbessert. „Die Zeit der großen Deals ist vorerst vorbei.“

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