Investmentguru Marc Faber "Wirtschaftlicher Selbstmord"

Investmentguru Marc Faber über die Turbulenzen an den Finanzmärkten, die Auswirkungen auf die Schwellenländer und seine Krisenanlagestrategie.

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Investmentguru Marc Faber Quelle: Laif

WirtschaftsWoche: Herr Faber, die Börsen haben sich in der vergangenen Woche zum Teil deutlich erholt. Ist das Schlimmste überstanden?

Faber: Die meisten Märkte sind in den letzten zwölf Monaten zwischen 50 und 70 Prozent gefallen. Für mich war nicht überraschend, dass alles gefallen ist: Aktien, Rohstoffe, Immobilien und jetzt auch noch die Kunstpreise. Die Märkte sind darum statistisch auf einem unwahrscheinlich überverkauften Niveau, ähnlich wie 1987. Deshalb könnte es sein, dass sich die Börsen jetzt ein bisschen erholen, durchaus um bis zu 30 Prozent. Man darf nicht vergessen, dass momentan eine sehr negative Stimmung herrscht. Es gibt wenig gute Nachrichten.

Warum kam der Absturz für Sie nicht überraschend?

Die Zinspolitik des ehemaligen US-Notenbankchefs Alan Greenspan führte zu einer gewaltigen Inflation bei Krediten. Weltweit ist alles gestiegen: Immobilien, Aktien, Rohstoffe. Das war eine universelle Blase, und das Desaster war unvermeidlich. Es war klar, dass es Probleme geben würde, sobald die Häuserpreise in Amerika nicht mehr steigen würden. Die Aktien der Bauunternehmen in den USA etwa haben ihren Höchststand schon 2005 erreicht.

Warum sind die Börsen dann noch bis Oktober 2007 weiter gestiegen und die Rohstoffpreise bis Juli dieses Jahres?

Weil der jetzige US-Notenbankchef Ben Bernanke die Leitzinsen von 5,25 Prozent auf zuletzt 1,0 Prozent gesenkt hat. Das hat die Kurse in die Höhe getrieben, in einer Zeit, in der sich die Nachfrage weltweit bereits abgeschwächt hatte. Die US-Geldpolitik hat erst die universelle Blase gebildet. Als Reaktion auf die Probleme, dann noch die Zinsen zu senken, war falsch und hat die Volatilität an den Märkten erhöht.

Stehen wir vor einer weltweiten Rezession?

Ja. Eine weltweite Rezession ist unvermeidlich. Die Frage ist, ob es wie bei einem „V“ zunächst steil bergab geht und dann schnell wieder nach oben oder wie bei einem „L“ senkrecht nach unten, und das Wachstum lange flach bleibt. Ich glaube, dass Letzteres eintreten wird.

Was halten Sie von den Rettungspaketen der Regierungen für die Finanzmärkte?

Mit den Rettungspaketen hat man noch nichts für die Wirtschaft getan. Dazu muss man Ausgabenprogramme anschieben, etwa in Infrastruktur investieren. Das würde ein Präsident Barack Obama sicherlich machen. Konservativ geschätzt, wird das amerikanische Haushaltsdefizit im kommenden Jahr dann bei 1,5 Billionen Dollar liegen.

Wenn sich die Wirtschaft dadurch aber immer noch nicht erholt, werden die Zentralbanken in aller Welt Geld drucken, und dann bekommen wir eine massive Inflation. Die US-Notenbank versucht zur Lösung des Problems erneut, das Kreditwachstum zu beleben. Das ist ein großes Problem.

Wie wirkt sich das Haushaltsdefizit auf die Verzinsung amerikanischer Staatsanleihen aus?

Die einzige Blase, die in Amerika noch nicht geplatzt ist, sind die Zinsen auf Staatsobligationen. Weil die öffentlichen Defizite so stark steigen, dürften die Zinsen auf US-Staatsanleihen wegen Inflationsbefürchtungen und Kreditängsten ebenfalls anziehen.

Die Leistungsbilanzüberschüsse der Länder in Asien aber werden massiv fallen. Deshalb ist weniger Geld da, um die Staatsanleihen zu kaufen. Dass man den Amerikanern noch das Spitzen-Rating AAA gibt, ist lächerlich. Am Ende werden sie, um ihre Anleiheschulden bezahlen zu können, noch mehr Geld drucken.

Geht die Welt einer Phase der Hyperinflation entgegen?

Zunächst werden wir deflationäre Tendenzen sehen. Häuser sind billiger, Aktien und Rohstoffe auch – und die Banken kürzen überall die Kredite. Aber Regierungen und Zentralbanken stopfen ohne Ende Liquidität ins System. Das ist grauenhaft. Wozu so etwas führen kann, sieht man in Simbabwe: in eine Depression mit Hyperinflation.

Die Krise weitet sich auch auf die Schwellenländer aus. Wie hart wird es sie treffen?

Schwellenländer wie China haben in der Vergangenheit vom US-Konsum gelebt, indem sie dorthin exportiert haben. Daraufhin ist in den Schwellenländern kräftig investiert worden, es sind überall neue Fabriken entstanden mit vielen neuen Jobs. In der Folge sind die Rohstoffpreise stark gestiegen. Vor allem die rohstoffreichen Schwellenländer sind in kurzer Zeit zu sehr viel Geld gekommen. ...

Dann haben diese Länder wie verrückt weltweit Luxusgüter und Autos gekauft. Es ist zu einem globalen Boom gekommen. Wenn die Amerikaner nun weniger konsumieren, gehen die Exporte der Schwellenländer nach unten, das Wachstum schwächt sich ab. In der Folge werden Investitionen verschoben oder aufgegeben, und die Nachfrage nach Rohstoffen geht nach unten.

Dann haben die rohstoffreichen Schwellenländer, vor allem die Ölstaaten, weniger Geld und kaufen beispielsweise weniger deutsche Autos. Bei vielen Unternehmen, etwa bei Herstellern von Textilmaschinen, brechen die Aufträge regelrecht weg. Das trifft weniger die USA, sondern eher Europa und ganz besonders Deutschland. Es geht alles nach unten – ein synchronisierter Absturz.

Wie trifft die Krise in den Schwellenländern die Amerikaner?

In den USA leiden vor allem die Privatanleger. Denn die haben in ihren Aktienportfolios 40 bis 50 Prozent ausländische Papiere, einen großen Teil davon aus Ländern wie China und Indien. Außerdem sind sie stark in Rohstoffen investiert.

Wem geht es schlimmer, Osteuropa oder Asien?

Osteuropa ist natürlich in einer bitteren Lage. Viele Länder in der Region stehen heute genauso da wie die Länder Südostasiens kurz vor Ausbruch der Asienkrise 1997. Die Staaten haben große Leistungsbilanzdefizite und sind in Fremdwährung verschuldet. Weil die Währungen jetzt fallen, sind sie ganz übel dran. Ich bin wahrlich nicht optimistisch für Amerika. Aber relativ gesehen, ist es wahrscheinlich besser gerüstet, seine Probleme zu lösen, als andere Länder. Die Amerikaner müssen halt weniger essen und weniger Auto fahren.

In China scheint die Lage weniger dramatisch als in einigen osteuropäischen Ländern.

Die Chinesen haben natürlich von den Amerikanern gelernt, wie man Wirtschaftsdaten frisiert. Es ist schon möglich, dass Chinas Wirtschaft größer ist als vor einem Jahr. Aber ich bin überzeugt davon, dass die Wirtschaft seit Juni geschrumpft ist. Die Bautätigkeit hat sich verlangsamt, und die Exporte brechen regelrecht weg. Es wird auch mittelfristig eine deutliche Verlangsamung des Wirtschaftswachstums geben.

Wie wird Russland durch die Krise kommen?

Russland hat sehr stark von steigenden Rohstoffpreisen profitiert. Außerdem hat das Land Währungsreserven von mehr als 500 Milliarden US-Dollar. Aber die Unternehmen haben Auslandsschulden im selben Umfang. Das könnte ein Problem werden. Die Börse in Russland ist nicht ohne Grund um 70 Prozent gefallen.

Der US-Dollar hat zuletzt stark zugelegt. Wird der Höhenflug weitergehen?

Das Leistungsbilanzdefizit in den USA hat sich in den letzten zehn Jahren stark erhöht. Das hat zu dem schwachen Dollar geführt. Aber jetzt, wo der Verbrauch in den USA stark fällt, verringert sich das Defizit. Das sorgt für eine Verknappung der internationalen Liquidität, und die ist gut für den Dollar. Der Dollar ist eigentlich eine beschissene Währung, aber die anderen Währungen sind eben noch beschissener.

Wird es den Euro in zehn Jahren noch geben?

Die Frage muss man stellen. Es ist zu hoffen, dass der Euro überlebt, aber ganz sicher kann man nicht sein. Allerdings wäre ein Austritt aus dem Euro für Italien und andere Länder wirtschaftlicher Selbstmord, weil ihre Schulden noch in Euro beziffert wären. Nach einem Austritt müssten sie ihre Währung abwerten – und ihr Schuldenberg würde sich noch erhöhen.

Werden die Rohstoffpreise weiter fallen?

Kurzfristig könnte es wie bei den Aktienmärkten eine Erholung geben. Rohstoffe sind aber immer noch nicht billig, obwohl sie kräftig eingebrochen sind. Langfristig dürften die Preise wieder steigen, denn der grundsätzliche Trend bleibt intakt: der Einstieg von drei Milliarden Menschen, die unter Sozialismus und Kommunismus gelebt haben, in die Weltwirtschaft. Einen Ölpreis von 150 Dollar sehe ich aber für längere Zeit nicht mehr. Ebenso wenig einen Ölpreis von zehn Dollar. Schon bei einem Preis von 40 Dollar geht der Nahe Osten pleite, weil die Förderkosten in den vergangenen Jahren so stark gestiegen sind.

Warum tritt der Goldpreis auf der Stelle?

Weil in einer Krise, in der Kredite verknappt werden, eines nach dem anderen verkauft wird. Und am Schluss eben das, was sich am besten gehalten hat. Dazu gehört auch Gold. Dazu kommt, dass der Dollar sehr stark war, da sind die Argumente für die Ersatzwährung Gold nicht mehr so stark. Außerdem sinkt auch die Nachfrage nach Schmuck. In der Krise kaufen die Männer ihren Freundinnen eben keine Goldringe mehr.

Vergrößern Sie Ihre Positionen bei Gold?

Ja. Idealerweise würde ich wesentlich erhöhen bei einem Preis von 600 bis 650 Dollar. Aber ich kaufe jeden Monat etwas physisches Gold dazu und lege es in den Tresor. Egal, ob der Preis bei 800 oder 700 Dollar ist.

Was können Privatanleger tun?

Wer im Moment voll in Aktien und beliehenen Immobilien engagiert ist, muss sich natürlich anders verhalten als jemand, der auf einem Haufen Bargeld sitzt. Dem würde ich sagen, dass man mit Aktien über die kommenden zehn Jahre sehr wohl mehr verdienen kann als mit einem Sparbuch. Außerdem glaube ich, dass sich Aktien besser halten werden als Staatsanleihen.

10 bis 15 Prozent des Geldes dürfen in Qualitätswerte rein. Etwa in Procter & Gamble, Johnson & Johnson, Nestlé oder in deutsche Pharmawerte. Die werden schon überleben. Wobei es natürlich denkbar ist, dass die Börsen nach einer kurzen Erholung nochmal um 40 Prozent fallen. Wenn das passiert, sollte man noch mal 15 Prozent seines Vermögens in Aktien stecken.

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