Ausgebremster Staatsanwalt

Öffentlich werden politische Weisungen an Staatsanwälte fast nie. Staatsanwälte dürfen darüber keine Auskunft geben. „Am häufigsten und am gefährlichsten sind verdeckte interne Weisungen“, berichtet der ehemalige Augsburger Staatsanwalt Winfried Maier. „Das kann zum Beispiel eine telefonische Bitte des Vorgesetzten sein, etwa die Anregung, kein Ermittlungsverfahren einzuleiten.“
Maier hatte von 1997 bis 2000 maßgeblich die Ermittlungen in der CDU-Spendenaffäre rund um den Waffenlobbyisten Karlheinz Schreiber vorangetrieben und wurde dabei immer wieder von Politikern und Vorgesetzten ausgebremst. Die Staatsanwaltschaft müsse bei ihren Ermittlungen „auch das Kräftefeld der politischen Bestrebungen mit in ihre Erwägungen aufnehmen“, erklärte der ihm vorgesetzte Generalstaatsanwalt später in entlarvender Offenheit. Das beinhalte die Rücksichtnahme auf „Verträglichkeiten“.
Maier zog seine Konsequenzen: Er wechselte im April 2000 als Richter für Familienrecht ans Oberlandesgericht München. Mit Staatsanwälten hat er dort eher selten zu tun. „Mir ist aber nicht bekannt, dass eine Änderung eingetreten ist.“
Mit seinem Wechsel ins Richteramt wich Maier weiterer Einflussnahme aus. Die kann massiv sein: Wenn dem jeweiligen Justizminister etwas nicht passt, kann er einzelne Staatsanwälte jederzeit von einem Verfahren abziehen und es einem anderen Staatsanwalt übertragen, ohne Begründung. Da Staatsanwälte bei politisch brisanten Ermittlungen oder Verfahren von öffentlichem Interesse ihre Vorgesetzten, bis hinauf zum Landesjustizminister, oft vorab über geplante Ermittlungsschritte informieren müssen, können diese sich mit ihren Ministerkollegen und Parteifreunden austauschen und jederzeit einschreiten.
„Deutliche Schwächung“
Im Hintergrund droht die Karrierekeule: Die Justizminister ernennen, befördern und versetzen die Staatsanwälte. „Dieses Beförderungssystem verbiegt manchem Kollegen das Rückgrat“, sagt Klaus Pförtner, bis 2009 Oberstaatsanwalt in Frankfurt. „Die Staatsanwälte wissen, dass in diesem System nicht unbedingt die Guten aufsteigen, sondern die politisch Erwünschten. Dadurch wird die Staatsanwaltschaft deutlich geschwächt.“ Vor allem in Fällen mit Wirtschafts- und Politik-Bezug seien Staatsanwälte politischem Druck ausgesetzt. Kommt beides zusammen, wie bei den Landesbanken, ist der besonders groß.
In solchen Fällen sei öffentliche Aufmerksamkeit wichtig, sagt der auf Anlagefälle spezialisierte Münchner Anwalt Peter Mattil. So glaubt er, dass die Münchner Staatsanwaltschaft sich nur dank der umfangreichen Berichterstattung in den Medien konsequent um die Aufarbeitung des Hypo-Alpe-Adria-Skandals gekümmert habe. Die BayernLB hatte die österreichische Bank 2007 viel zu teuer gekauft und bei dem Geschäft fast vier Milliarden Euro verloren. Gegen acht ehemalige Vorstände der Bank erhob die Staatsanwaltschaft vor Kurzem Anklage wegen Untreue. In der Anklageschrift gab sie aber auch den Kontrolleuren im Verwaltungsrat der Bank zumindest eine moralische Mitschuld für das Debakel. Der ehemalige bayrische Finanzminister Kurt Faltlhauser, zum Zeitpunkt des Einstiegs bei der Hypo Alpe Adria Vorsitzender des Verwaltungsrats, soll Bankvorstände vor dem Kauf beschimpft haben, ob sie „zu blöd“ seien, eine Bank zu kaufen. Im Verwaltungsrat saßen auch der ehemalige bayrische Ministerpräsident Günther Beckstein und der frühere CSU-Chef und bayrische Finanzminister Erwin Huber.
Die BayernLB und die Landespolitik
Auch bei der BayernLB gab es schon Aufregung um eine mögliche Einmischung der Politik in die Arbeit der Staatsanwaltschaft. Anlass war der Wechsel des Münchner Oberstaatsanwalts Stephan Reich im Februar 2009. Die von Reich geleitete Abteilung hatte damals geprüft, ob sie wegen der vielen verlustreichen Engagements der BayernLB gegen deren Vorstände wegen möglicher Veruntreuung von Bankvermögen ermitteln sollte. Nachdem Reich das Justizministerium vorab darüber informiert hatte, dass er voraussichtlich Ermittlungen aufnehmen werde, sei ihm nahegelegt worden, sich einen neuen Posten zu suchen, berichtete die „Süddeutsche Zeitung“ damals und berief sich auf inoffizielle Justizangaben.
Das Justizministerium wies den Vorwurf zurück: Reich habe sich auf eine Stelle als Vorsitzender Richter beim Landgericht München I beworben, er sei nie unter Druck gesetzt worden. CSU-Justizministerin Beate Merk beteuerte, dass sie keinen Einfluss auf die Vorermittlungen genommen habe. Heute kümmert sich Reich am Münchner Landgericht um zivilrechtliche Streitigkeiten. Immerhin: Andere Staatsanwälte haben die BayernLB-Skandale dennoch aufgerollt.