Kirche Lohnt sich Kirche?

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Thomas Begrich

Sakramente wie Firmung oder Eheschließung gibt es exklusiv nur für Kirchenmitglieder – sie dienen schließlich auch der Festigung des Glaubens. Zieht man sie zur Berechnung von Soll und Haben auf der Kirchenbank mit heran, fallen sie durchaus ins Gewicht. Bei der Hochzeit etwa muss wenigstens Braut oder Bräutigam Kirchenmitglied sein. „Mit denen treffe ich mich zur Vorbereitung dann zwei oder drei Mal“, sagt Pfarrer Steinhäuser. Für ihren großen Tag wollten die Brautleute natürlich auch einen Kirchenmusiker, Blumenschmuck und einen Küster, der sich um alles kümmert. Theoretisch kämen so „erkleckliche Beträge“ zusammen. „Wir nehmen dafür aber in der Regel nichts, das ist inklusive.“

Im Mitgliedsbeitrag inbegriffen ist auch die Betreuung nach dem Tod. „Wer ausgetreten ist, wird nicht kirchlich beerdigt“, sagt Steinhäuser. Eigentlich. Nur wenn das Begräbnis Angehörigen sehr wichtig sei, gebe es Ausnahmen: „Da muss man die pastorale Situation würdigen.“

Kulanzleistung – so hieße das wohl bei einem normalen Unternehmen.

Vorteile beim Kindergartenplatz

Abseits des spirituellen Lebens haben Kirchenmitglieder nicht nur bei der Suche nach einem Kindergartenplatz Vorteile. Auch kirchliche Schulen genießen oft einen guten Ruf. Die Plätze dort sind begehrt, insgesamt finden etwa nur knapp neun Prozent der Gymnasiasten einen Platz an einer kirchlichen Privatschule. Die richtige Konfession kann zur Eintrittskarte werden. Zwar haben die 2010 bekannt gewordenen Missbrauchsfälle an katholischen Schulen bei einigen Eltern für Verunsicherung gesorgt. Doch dem Schülerandrang tut das keinen Abbruch.

Während des Studiums können Studenten mit guten Noten nicht nur von politischen Parteien gefördert werden. Auch die Kirchen vergeben über das katholische Cusanuswerk und das Evangelische Studienwerk Villigst staatlich finanzierte Stipendien – an Studenten und Doktoranden der jeweiligen Konfession. Je nach Einkommen der Eltern können Studenten bis zu 665 Euro monatlich erhalten.

Einige Kirchengemeinden besitzen auch Wohnungen, die sie an Gemeindemitglieder vermieten. Mit etwas Glück kommen Interessenten über die Lambertus-Gemeinde von Pfarrer Steinhäuser an eine zentral gelegene Vier-Zimmer-Wohnung mit 113 Quadratmetern für günstige 1000 Euro inklusive Nebenkosten. Und das Meister-Gerhard-Werk des Erzbistums Köln gewährt Paaren mit mindestens einem katholisch getauften Kind zinslose Baukredite.

Die meisten kirchlichen Dienstleistungen haben zwar keinen Preis. Doch der Vergleich mit alternativen weltlichen Angeboten zeigt, dass Kirchenmitglieder für ihr Geld auch etwas geboten bekommen. Alexander Kimmerle, Steuerberater bei Ecovis in Kempten, hat für die WirtschaftsWoche berechnet, wie viel eine Familie über ihr ganzes Leben an Kirchensteuer zahlt. Wenn die Familie aktiv am kirchlichen Leben teilnimmt und die Kinder auf eine kirchliche Schule schickt, fällt die Gegenüberstellung von Kosten und Nutzen positiv aus: Kirche lohnt sich für sie.

Was passiert mit dem Geld?

Gottesdienste, Orgelkonzerte oder Pfadfindergruppen richten sich nicht nur an die eigenen Mitglieder, sondern stehen allen offen. In Schulen und Kindergärten, vor allem in besonders gefragten, spielt die Konfession zwar eine wichtige Rolle, aber in der Regel dürfen sich auch Nicht-Kirchenmitglieder bewerben.

Schwarzfahrer der Kirche sind die Nicht-Mitglieder jedoch nicht. Kirchliche Schulen zum Beispiel finanzieren sich nur zu einem geringen Teil aus Kirchensteuer. Oft schießt der Staat 90 Prozent bei. Wer Steuern zahlt, finanziert auch diese Schulen mit. Sind kirchliche Kindergärten und Schulen also staatlich? Betreibt die Kirche hier gar Etikettenschwindel?

Thomas Begrich arbeitet im Kirchenamt in Hannover, einem modernen, einem lichtdurchfluteten Backsteinbau – und er hat diese Frage schon oft gehört. „Nicht das Geld allein bestimmt, wie etwas getan wird“, kontert der Leiter der Finanzabteilung der Evangelischen Kirche in Deutschland. Zwar stamme der größte Teil der finanziellen Mittel für Kindergärten und Schulen aus staatlicher Hand. Kirchliche Krankenhäuser kämen sogar komplett ohne Kirchensteuermittel aus. Doch die Kirchen „tragen das unternehmerische Risiko. Das ist entscheidend.“

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