Mehr Schulden als Vermögen In welchen Städten die meisten Bewohner überschuldet sind

Jemand nimmt eine Ein-Euro-Münze aus dem Portemonnaie Quelle: dpa

Wer langfristig gut wirtschaften möchte, muss finanzielle Vorsorge betreiben und krisenfest investieren. Viele sind aber schon mit den aktuellen Lebenshaltungskosten überfordert. Wo sind die meisten Menschen in Deutschland überschuldet? Ein Überblick.

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Stehen größere Investitionen an, lässt sich mitunter nicht vermeiden, dass Verbraucher auch Schulden machen. Soweit Sicherheiten oder Tilgungsmöglichkeiten vorhanden sind, lassen sich Schulden dann aus der Welt schaffen oder planmäßig reduzieren. Sind die offenen Beträge auch im Kleinen nicht mehr zu stemmen, droht eine Überschuldung.

Als überschuldet gilt man im juristischen Sinn, wenn die Schulden das eigene Vermögen übersteigen. Dann geraten Vermögen und Zahlungsverpflichtungen in ein gefährliches Ungleichgewicht. Können Schuldner die Forderungen dauerhaft nicht begleichen, kann die Überschuldung ein Grund dafür sein, Privatinsolvenz zu beantragen. Das können sowohl Schuldner als auch Gläubiger tun.

Immerhin 6,2 Millionen Deutsche galten 2021 als überschuldet. Das zeigt eine Auswertung der Creditreform (SchuldnerAltlas 2021) für das vergangene Jahr. Der Großteil der Überschuldeten waren demnach Männer. Rund 3,8 Millionen. Die Zahl der überschuldeten Frauen beläuft sich hingegen auf 2,4 Millionen. In Summe sind das 3,1 Millionen Haushalte.

Einer der häufigsten Gründe für Überschuldung ist dabei per se Arbeitslosigkeit. Hinzu kommen unwirtschaftliche Haushaltsführung, gescheiterte Selbständigkeit oder eine langfristige Beschäftigung im Niedriglohnsektor. Private Krisen, zum Beispiel Krankheit, spielen ebenfalls eine Rolle. Nicht zuletzt sorgen aber auch regionale Einflussfaktoren für das Gesamtbild. Darüber hinaus trüben Krisen wie die Pandemie das Geschehen. 

Die gesamtdeutsche Überschuldungsquote geht seit Jahren zurück. Erstmals liegt sie der Creditreform-Auswertung zufolge unter neun Prozent. In einigen Städten bleibt die Überschuldung aber dennoch ein großes Problem. Treten Überschuldungen in großer Zahl auf, ist das ein Indikator für eine höhere Armut. Wie viele Menschen vor Ort überschuldet sind, gibt die Überschuldungsquote an. Sie zeigt den Anteil der überschuldeten Personen über 18 Jahren an der Stadtbevölkerung.

In welchen deutschen Städten die meisten Menschen überschuldet leben, zeigt das folgende Ranking:

Das sind die Städte mit den höchsten Überschuldungsquoten

Rang 10: Halle an der Saale

Zu den zehn Städten, die prozentual gemessen die höchsten Überschuldungsquoten zeigen, gehört Halle an der Saale. In der sachsen-anhaltinischen Großstadt gelten immerhin 15,3 Prozent der Volljährigen als überschuldet. Dabei ist der Anteil der überschuldeten Personen seit Jahren rückläufig. Bei der Erhebung im Jahr zuvor waren noch 16,5 Prozent der Hallenser überschuldet. 2021 sind es 1,2 Prozent weniger. Die Stadt rankt jedoch als einzige ostdeutsche Stadt bei den Städten mit hohen Überschuldungen.

Rang 9: Hagen

Hagen liegt am Rand des Ruhrgebiets und bildet zugleich die Verbindungslinie zwischen Sauerland und Rheinland. Rund 190.000 Einwohner zählt die Stadt. Das Ruhrgebiet gilt allgemein nicht als wohlhabende Region. Anhand der Schuldenstände zeigt sich das ebenfalls. Hagen ist nämlich nur eine von mehreren Ruhrgebietsstädten, in denen die Überschuldung auffällig hoch ist. Die Überschuldungsquote liegt in Hagen bei 15,6 Prozent.

Rang 8: Wilhelmshaven

15,6 Prozent beträgt die Überschuldungsquote auch in Wilhelmshaven. Gegenüber 2020 ist sie im Jahr 2021 aber zurückgegangen. 1,3 Prozent weniger Menschen waren überschuldet. Die Stadt an der Nordsee ist ein bedeutender Standort der Container- und Logistikindustrie. Unter anderem werden die deutschen Ölimport über den anliegenden Hafen abgewickelt. Bald soll in Wilhelmshaven zudem eines der ersten deutschen LNG-Terminals stehen. Auch für die Produktion von Wasserstoff sind in Wilhelmshaven große Fabriken geplant. Damit will die Stadt hochqualifizierte Arbeitskräfte für die Region gewinnen. Derweil liegt die Arbeitslosigkeit vor Ort seit Jahren mehrere Prozentpunkte über dem Bundes- und Landesschnitt. 2021 waren in Wilhelmshaven im Schnitt 10,9 Prozent arbeitslos gemeldet.

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Rang 7: Wuppertal

Der deutlichste Rückgang aller Städte im Ranking bei den Überschuldungen zeigt sich in Wuppertal. Hier geht die Überschuldungsquote um 2,1 Prozent zurück. Trotzdem leben in Wuppertal so viele überschuldete Menschen wie in wenigen anderen Städten Deutschlands. Die Stadt landet bei den Überschuldungen auf dem siebten Rang. Rund 15,6 Prozent über Erwachsenen laut Statistik überschuldet. Aktuell zählt die Stadt 355.000 Einwohner.

Rang 6: Duisburg

Eine hohe Überschuldungsquote hat auch Duisburg zu verzeichnen. Die Großstadt an der Schwelle zwischen Rheinland und Ruhrgebiet zählt rund 16,2 Prozent überschuldete Bürger. Geht es um die Entstehung von Brennpunkten, taucht Duisburg regelmäßig in Berichten auf. Soziale Nöte, die durch Vermögensungleichheit, Altersarmut und Lohngefälle entstehen, prägen das Bild der Stadt. Dem Untergang von Stahlindustrie und Bergbau wird dabei eine zentrale Bedeutung zugeschrieben.

Rang 5: Herne

Auch, wenn der SchuldnerAtlas 2021 einen leicht positiven Trend für das Ruhrgebiet sieht, ist mit Herne eine weitere Stadt im Ranking vertreten. 16,8 Prozent haben hier so viele offene Rechnungen zu begleichen, dass die Schuldenlast nachhaltig das eigene Vermögen übersteigt. Die Lage am Arbeitsmarkt ist alarmierend. 2021 lag die Arbeitslosigkeit in Herne bei durchschnittlich 11,4 Prozent. Im gleichen Zeitraum betrug die Arbeitslosigkeit in ganz Deutschland aber nur 5,7 Prozent.

Rang 4: Gelsenkirchen

Immer wieder erhielt Gelsenkirchen in den vergangenen fünf Jahren den Titel als ärmste Großstadt oder sogar als ärmste Stadt Deutschlands. Das machten Rankings anhand von Armutsquote und der Anzahl der Langzeitarbeitslosen fest. Das Pro-Kopf-Einkommen in Gelsenkirchen lag zuletzt bei 17.015 Euro im Jahr. Das liegt deutlich unter dem Bundesdurchschnitt (23.706 Euro) und ist auch im NRW-Vergleich (23.093 Euro) wenig. Auch das führt dazu, dass die Vermögen vor Ort vergleichsweise gering sind. Entsprechend hoch fällt die Überschuldung in Gelsenkirchen aus. Sie liegt bei 16,9 Prozent. Der einstigen Kohle-Bergbau-Region fehlt es seit der Aufgabe der Schächte an tragenden Industrien. In den Jahren 2000 und 2008 schlossen mit der Zeche Hugo und dem Bergwerk Westerholt die letzten Gelsenkirchener Betriebe dieser Art.

Rang 3: Neumünster

Auf fast gleichem Niveau liegt die Überschuldungsquote in Neumünster. Die schleswig-holsteinische Stadt zählt rund 80.000 Einwohner. Mit einer Überschuldungsquote von 17,0 Prozent belegt die Stadt den dritten Rang. Dabei ist die Überschuldung hier 2021 noch einmal gesunken. In den vergangenen fünf Jahren lag sie jeweils einen Prozentpunkt höher. 2020 waren es 18,6 Prozent. Die Stadt befindet sich seit Jahren in einem Strukturwandel von der Metallbauregion hin zur Wissenschafts- und Technologiestadt.

Rang 2: Pirmasens

Pirmasens in Rheinland-Pfalz belegt den zweiten Rang. Die Stadt gilt seit Längerem als Sorgenkind im Bundesland. Lange war Pirmasens als deutsches Zentrum der Schuhindustrie bekannt. Mit der Internationalisierung des Schuhmarktes und dem Kampf um billige Produktionsbedingungen verlor die Region ein zentrales Standbein. Nur wenige Manufakturen und Zulieferbetriebe der Industrie sind heute noch vor Ort. Ein neues Aushängeschild konnte die Stadt Pirmasens bis heute nicht finden. Zwar haben zahlreiche Infrastrukturprojekte die Lage in Pirmasens zuletzt verbessert, die Überschuldung bleibt aber hoch. Sie liegt 2021 bei 17,4 Prozent. Gegenüber 2020 fällt die Schuldnerquote um 1,3 Prozent. 

von Daniel Goffart, Bert Losse, Annina Reimann, Anabel Schröter

Rang 1: Bremerhaven

Die Spitze des Rankings führt Bremerhaven an. Dort liegt die Überschuldungsquote bei knapp 20 Prozent und damit mehr als zwei Prozentpunkte höher als in Pirmasens. Die Hafenstadt mit etwa 110.000 Einwohnern ist Logistikzentrum für Container- und Frachtindustrie. Unter anderem ist die Fischproduktion daran angeschlossen. Namhafte Unternehmen wie Frosta oder Nordsee produzieren vor Ort. Die Stadt hat aber auch seit vielen Jahren mit einer hohen Arbeitslosigkeit zu kämpfen. Hintergrund ist vor allem die Globalisierung der Fischerei sowie der Werftindustrie, die ab den 1980er-Jahren zur Abwanderung oder Schließung vieler Betriebe führte. 2021 waren in Bremerhaven im Schnitt 13,1 Prozent arbeitslos. Höher lag der Wert nur in Gelsenkirchen.

Die Überschuldungsquoten der zehn Städte im Überblick

RangStadtÜberschuldungsquote
lt. Report für 2021 
Veränderung zum Jahr 2020 
1Bremerhaven20,0 %-1,8 %
2Pirmasens17,4 %-1,3 %
3Neumünster17,0 %-1,8 %
4Gelsenkirchen16,9 %-1,1 %
5Herne16,8 %-1,4 %
6Duisburg16,2 %-1,4 %
7Wuppertal15,6 %-2,1 %
8Wilhelmshaven15,6 %-1,3 %
9Hagen15,6 %-1,1 %
10Halle an der Saale15,3 %-1,2 %
GesamtDeutschland8,9 %- 1,0 %

Quelle: Creditreform, SchuldnerAtlas Deutschland 2021 - Überschuldung von Verbrauchern

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