Rohstoffhändler Giganten in Öl

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Vom "King of oil" gelernt

Viele Ölhändler, bei Glencore und den anderen Firmen, haben ihr Handwerk bei Marc Rich gelernt. Der "King of Oil", wie sein Biograf Daniel Ammann ihn nennt, hatte in den Siebzigerjahren beinah im Alleingang den Spotmarkt für Öl geschaffen, an dem Öl nicht zu einem in Monaten fällig werdenden Preis, sondern zum Tagespreis gehandelt wird. Rich sei reich geworden, weil er "ohne ethische oder moralische Hemmungen" Geschäfte gemacht habe, heißt es in einem Bericht des US-Repräsentantenhauses, den die Schweizer "Weltwoche" zitiert. Er belieferte das Apartheid-Regime Südafrikas mit Öl aus Nigeria; er unterlief die internationalen Sanktionen gegen den Iran; er handelte mit dem kommunistischen Kuba ebenso wie mit dem faschistischen Spanien.

In den USA wurde er wegen Steuerhinterziehung, Manipulation des Ölmarkts und "Handel mit dem Feind" gesucht, das FBI führte ihn auf der Liste der meistgesuchten Personen. 2001 begnadigte ihn Präsident Bill Clinton. Weil Richs Ex-Frau zu den großzügigsten Spendern der Demokraten zählte, wurde Clinton dafür heftig kritisiert.

Rich war bereits sieben Jahre zuvor aus seiner Firma ausgeschieden und hatte seine Anteile an der Marc Rich & Co AG an das Management unter Führung des Westfalen Willy Strothotte verkauft. Offenbar hatte es davor heftigen Streit wegen geschäftlicher Fehlentscheidungen gegeben. "Ich war schwach. Die anderen bemerkten das und nutzten es aus. Sie hielten mir das Messer an den Hals", sagte Rich.

"Marc Rich? Mein Arbeitgeber von 1978 bis 1992", war der einzige Kommentar, den sich Strothotte in einem seiner seltenen Interviews – 2002 mit der Schweizer "Handelszeitung" – zu Rich entlocken ließ. Heute ist Strotthotte Präsident des Verwaltungsrats, vergleichbar einem Aufsichtsratschef. Die Marc Rich & Co AG firmiert längst als Glencore; auf der Web-Site des Konzerns findet sich kein Hinweis mehr auf Rich.

Doch heftig kritisiert wird die Firma nach wie vor. Umweltverschmutzung, Ausbeutung von Arbeitern, Zerstörung ganzer Dörfer – immer wieder sieht sich Glencore mit Vorwürfen von Naturschützern und Menschenrechtlern konfrontiert.

Erst Ende Januar richteten die Grünen im Bundestag eine Anfrage an die Bundesregierung, in der sie unter anderem wissen wollten, welche deutschen Unternehmen Kohle von Glencore beziehen. Gestützt auf Berichte von Menschenrechtsorganisationen, heißt es darin, es komme beim Kohleabbau in Kolumbien regelmäßig zu schweren Menschenrechtsverletzungen und gravierender Umweltzerstörung: "Armee und Paramilitärs ,säubern‘ das Land, wenn Bergbauunternehmen auf neu ausgewiesene Abbaugebiete zugreifen wollen", es komme "zu massenhaften Vertreibungen und Gewaltakten gegen die Zivilbevölkerung", Ermordung von Aktivisten und Enteignungen.

In den Minen würden Arbeitsschutzrichtlinien nicht eingehalten, darüber hinaus werde die Gründung von Gewerkschaften von Konzernen aktiv behindert. Die Umweltfolgen seien verheerend: "Der Steinkohleabbau in Kolumbien geht mit einer massiven Abholzung ökologisch wertvoller Waldgebiete und einer Belastung von Böden und Gewässern einher."

Die Bundesregierung antwortete am 17. Februar, der Abbau in den Provinzen César und La Guajira – wo Glencore mehrere Minen betreibt – werde „durch internationale Firmen durchgeführt, die mit hohem technischem Aufwand und nach Auskunft der kolumbianischen Regierung unter Einhaltung der internationalen Umwelt-standards arbeiten“. Es seien die kleinen, illegalen Minen, die Schäden anrichteten.

Für einen Börsenkandidaten sind solche Anfragen höchst unangenehm. Investoren achten zunehmend darauf, dass Unternehmen ökologische und ethische Standards einhalten. Um kritische Anleger zu gewinnen, muss Glencore beweisen, dass dies der Fall ist.

Die "Rich Boys" von Trafigura

Zu den Lehrlingen des King of Oil, den sogenannten "Rich Boys", gehören Claude Dauphin und Eric de Turckheim; sie hoben 1993 ihr eigenes Handelshaus aus der Taufe, die Trafigura Beheer. Mit 79 Milliarden Dollar ist sie die Nummer drei der Branche, nach Vitol und Glencore. Trafigura ist heute mit 67 Büros in allen wichtigen Ölförder- und Verbrauchsländern aktiv. Globale Präsenz ergibt sich zwingend aus dem Geschäftsmodell der Ölhändler – sie betreiben systematisch Arbitrage. Unablässig fahnden die Experten nach Gelegenheiten, Öl möglichst günstig einzukaufen und es etwas teurer wieder zu verkaufen. Dies können sie nur vor Ort.

Derzeit sind vor allem die Horchposten im Nahen Osten und in Nordafrika gefragt. Wie viel Öl wird derzeit in den Ländern gefördert, die von Unruhen erschüttert werden? Arbeitet ein Verladeterminal in Libyen noch? Ist die Pipeline am Suezkanal sicher? Wie viele Demonstranten gehen in Bahrain auf die Straße? Jede Nachricht kann heftige Preisschwankungen auslösen.

Spekulationen auf steigende Ölpreise betreibt Trafigura angeblich nicht. Wie die anderen Big Five auch, ist das Unternehmen überwiegend im physischen Handel aktiv. Sobald ein Liefervertrag abgeschlossen ist, wird die eingekaufte Menge mit Terminkontrakten an den Rohstoffbörsen abgesichert. "Das Handelsvolumen wird zum allergrößten Teil gehedgt. Wir wetten nicht auf steigende oder fallende Ölpreise", sagt Trafigura-Geschäftsführer Jeremy Weir.

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