Rohstoffhändler Giganten in Öl

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Profitable Neue Geschäfte

Noch aber verfügen die unabhängigen Ölhändler über einen unschätzbaren Vorteil: Niemand kennt das internationale Energiegeschäft so gut wie die mit allen Wassern gewaschenen Trader. Diesen Vorsprung wollen die Ölhändler nun dazu nutzen, ihre Aktivitäten breiter zu streuen. Auf breiter Front treiben sie die Diversifizierung voran, um vom derzeit relativ margenschwachen Stammgeschäft Ölhandel unabhängiger zu werden.

So tummelt sich Vitol nun auch im Endkundengeschäft. Das Unternehmen baut das neue Geschäftsfeld "Aviation" auf – die Belieferung von Fluglinien mit Kerosin. "Zu unseren Pilotkunden gehört die Lufthansa", berichtet Vitol-Manager Ware. Überdies hat das Unternehmen gemeinsam mit einem Finanzinvestor für eine Milliarde Dollar das Raffinerie- und Verkaufsgeschäft von Shell in 14 afrikanischen Ländern gekauft. Dazu gehören vor allem Tankstellennetze, die Vitol auch künftig unter der Marke Shell betreibt.

Neuerdings erkundet und fördert Vitol auch neue Ölvorkommen im Golf von Guinea vor der westafrikanischen Küste; Partner ist dabei unter anderem der italienische Ölkonzern Eni. "Hinter diesen Projekten steckt kein strategischer Masterplan", sagt Vitol-Manager Ware: "Als Händler suchen wir einfach opportunistisch nach Chancen, unsere Aktivitäten zu erweitern." Solche Gelegenheiten schaffen vor allem Ölkonzerne wie BP und Shell, die ihre Portfolios systematisch bereinigen und Konzernteile abstoßen.

Auch bei erneuerbaren Energien sind die Ölhändler aktiv. Mercuria investiert in Deutschland und den Niederlanden in Anlagen zur Produktion von Biokraftstoffen. Gunvor stieg in den Handel mit Erdgas, Flüssiggas und Strom ein. Stolz berichtete das Unternehmen vor einem Jahr, dass es Zugang zu den Stromnetzen der Energiekonzerne EnBW, E.On, RWE und Vattenfall habe. Freilich ist die Konkurrenz groß: Vor wenigen Tagen hat Gunvor die Aktivitäten im Stromhandel bis auf Weiteres gestoppt.

Einen ganz anderen Kurs der Diversifizierung hat Trafigura eingeschlagen. Der Ölhändler gründete eine Finanztochter, die Vermögensverwaltung Galena Asset Management.

Sie arbeitet mit mehreren Hedgefonds zusammen und verwertet dabei die Expertise und die Marktkenntnisse der Ölhändler für die Vermögensanlage in Rohstoffen. Eine solche Nutzung von nicht-öffentlichen Informationen wäre in den USA möglicherweise kritisch. Trafigura sieht jedoch keine rechtlichen Probleme. "Galena unterliegt der Kontrolle durch die britische Finanzaufsicht FSA", sagt Trafigura-Geschäftsführer Weir, der zugleich Chef von Galena Asset Management ist.

Besonders verheißungsvolle Chancen für die Expansion sehen Vitol & Co. im Handel mit CO2-Emissionen. Industriebetriebe, die nicht genügend Rechte zum Ausstoß von Kohlendioxid besitzen, müssen die fehlenden Mengen über Zertifikate an der Börse zukaufen. Dieses aufblühende Geschäft haben die Ölhändler weitgehend an sich gerissen. Gunvor und Mercuria sind bereits seit mehreren Jahren im Geschäft mit CO2-Verschmutzungsrechten tätig.

Besonders aggressiv tritt Vitol auf. "Wir haben in der EU einen Marktanteil von 10 bis 15 Prozent am Emissionshandel", sagt Manager Ware.

Laut einer Erhebung der Nachrichtenagentur Bloomberg war Vitol 2010 der weltweit größte Emittent von neuen Rechten zur CO2-Emission, vor Adressen wie der New Yorker Großbank JP Morgan und der britischen Barclays Bank. "Die großen Ölhändler werden immer mächtiger", sagt der Rohstoffexperte einer Frankfurter Großbank. Mit Namen zitieren lassen will er sich nicht – auch sein Institut macht mit Glencore & Co. gute Geschäfte. 

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