Schweiz Wie der Fiskus bei Schwarzgeld abkassiert

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Schließlich würde der Staat diejenigen begünstigen, die besonders viel auf dem Kerbholz hätten. Grube bezweifelt, dass bei Erbschaften und hinterzogenen Betriebseinnahmen eine juristisch wasserdichte Lösung möglich ist. Auch in diesem Punkt ist der Konflikt mit dem Grundgesetz programmiert: "Die Steuerberechnung ist bei solchen Konstellationen meist derart komplex, dass eine pauschale Strafsteuer kaum zu verfassungsrechtlich haltbaren Ergebnissen führen dürfte." Auch nach Ansicht von Michael Weber-Blank, Wirtschaftstrafverteidiger bei der Kanzlei Brandi in Hannover, wird die geplante Strafsteuer "aller Voraussicht nach verfassungswidrig sein".

Hinzu kommt: Gewiefte Hinterzieher, die ihr Vermögen geschickt getarnt haben, müssen vermutlich gar nicht zahlen. "Zahlreiche Anleger haben ihr Vermögen in Stiftungen oder Offshore-Gesellschaften gesteckt", sagt Weber-Blank. "Da der Kontobevollmächtigte in solchen Fällen meist ein Schweizer Treuhänder ist, wissen Bankmitarbeiter gar nicht, dass der dahinterstehende Eigentümer ein Deutscher ist."

Rasterfahndung nach Alpenkonten

Deshalb würden sie auch keine pauschale Strafsteuer abführen. Da der Fiskus diese großen Fische nicht fängt, dürften die Einnahmen weitaus geringer ausfallen als erhofft, prognostiziert Weber-Blank. Je nach Schätzung liegen 130 bis 180 Milliarden Euro deutsches Schwarzgeld in der Schweiz. In der Theorie flössen also bis zu 54 Milliarden Euro in Schäubles Kasse. Ob der komplexen Struktur vieler Vermögen und der unsicheren Rechtslage haben seine Ministerialbeamten ihre Erwartungen aber angeblich bereits zurückgeschraubt und rechnen mit nur noch zehn Milliarden Euro.

Um Hinterziehern auf die Schliche zu kommen, die durch die Maschen des neuen Abkommens schlüpfen, soll eine noch engere Kooperation der Schweiz mit deutschen Steuerfahndern vereinbart werden. Bereits im Oktober 2010 hatten sich die Eidgenossen verpflichtet, künftig bei Verdacht auf Hinterziehung Bankdaten an deutsche Ermittler zu liefern. Dies war ein Fortschritt, aber kein Durchbruch. Denn um Informationen zu bekommen, müssen Ermittler nach aktuellem Stand ihren Verdacht begründen – wozu sie neben dem Namen des Verdächtigen weitere Anhaltspunkte brauchen. Also etwa Bankunterlagen, die sie bei einer Razzia gefunden haben. Clevere Hinterzieher aber lassen so etwas selten rumliegen.

Mit der Klausel wollte die Schweiz "fishing expeditions" – Anfragen von Fahndern auf gut Glück – verhindern. Genau dies soll in Zukunft möglich sein. Die deutschen Emissäre bekommen eine bestimmte Zahl von "Freischüssen". In diesen Fällen müssten deutsche Fahnder nur den Namen des Verdächtigen nennen – und die Schweizer Kollegen würden dann nachschauen, ob er tatsächlich ein Konto im Alpenstaat besitzt. Bis zu 1000 Freischüsse pro Jahr sollen es werden. "Das wäre eine sehr weitreichende und problematische Kooperation", sagt Anwältin Grube. Für Kritiker kommt dies einer Rasterfahndung gleich.

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