
Ganz Deutschland debattiert über eine Verschärfung der Regeln für strafbefreiende Selbstanzeigen für Steuerhinterzieher. „Die Selbstanzeige wird nicht abgeschafft werden“, sagt Joerg Andres, Fachanwalt für Steuerrecht aus Düsseldorf. „Die Finanzämter sind extrem dankbar, auf diesem Weg alle wichtigen Details zu bekommen.“ Absehbar ist hingegen, dass die strafrechtliche Verjährungsfrist auch für kleinere Steuerhinterzieher von fünf auf zehn Jahre verlängert wird. Der Strafzuschlag könnte ebenfalls drastischer ausfallen; bislang müssen Steuerhinterzieher ab hinterzogenen 50.000 Euro neben den üblichen Verzugszinsen von 0,5 Prozent pro Monat auf die Steuerschuld fünf Prozent Aufschlag zahlen.
Betroffene, die sich noch nach den alten Regeln offenbaren wollten, müssen sich beeilen. Schon jetzt ist ihr Zeitdruck groß: „Die Chancen, dauerhaft unerkannt zu bleiben, sinken von Tag zu Tag“, sagt Sven Gläser, Steuerberater und Anwalt bei Ebner Stolz, der früher selbst in der Finanzverwaltung gearbeitet hat.
Recht einfach: Rechtsprechung zum Thema Dachlawinen
An einem Wintertag parkte in der Nähe von Osnabrück ein Mann seinen Wagen vor einem Mietshaus. Bereits am Vortag war über Radio vor Tauwetter gewarnt worden. Der Temperaturanstieg setzte einen Eisblock auf dem Dach in Bewegung, der das Auto demolierte. Der Pkw-Besitzer verlangte Schadensersatz. Begründung: Bei gefährlichen Wetterlagen müssten Hausbesitzer ihre Dächer räumen. Die Klage war ein Schlag ins Wasser. Dachräumungen, so die Richter, seien nur durch Fachunternehmen auszuführen. Dies sei, zumindest in „schneearmen Gebieten“, unzumutbar (Oberlandesgericht Oldenburg, 4 U 35/12).
In der Region Köln rauschte in einem strengen Winter eine Schneelawine auf ein geparktes Fahrzeug. Der Eigentümer des Autos verklagte den Hausbesitzer: Das Dach hätte seiner Meinung nach mit Schneefanggittern gesichert sein müssen. Die Gerichte winkten ab: Ob solche Fanggitter
geboten seien, hänge von der Ortsüblichkeit ab. Im milden Rheinland könnten solche teuren Maßnahmen nicht verlangt werden (Oberlandesgericht (OLG) Köln, 19 U 167/11; ebenso: OLG Düsseldorf, I-104 U 18/13).
An einem sonnigen Wintertag sauste in einem Münchner Vorort ein Eiszapfen von einem Hausdach auf einen darunter abgestellten Wagen. Der Hauseigentümer verwies auf die angebrachten Schneefanggitter und lehnte jede Haftung ab. Zu Recht: Warnschilder seien nur bei extremen Witterungslagen nötig, entschied das Amtsgericht München (132 C 11208/08).
Denn in Kürze eröffnen sich für Fahnder neue Möglichkeiten:
- Die deutschen Steuerbehörden werden verstärkt mit Gruppenanfragen nach Steuerhinterziehern suchen, zum Beispiel in der Schweiz. Dabei nennen sie nur bestimmte Merkmale, die für Steuerhinterzieher typisch sind, und bekommen von den Schweizer Steuerbehörden rückwirkend Daten aller entsprechenden Personen geliefert. Ein konkreter Verdacht gegen einzelne Personen ist nicht nötig, wenn eine sogenannte große Auskunftsklausel im Doppelbesteuerungsabkommen steht. Voraussichtlich sind Abfragen in der Schweiz allerdings nur rückwirkend bis zum Inkrafttreten des entsprechenden Schweizer Steueramtshilfegesetzes am 1. Februar 2013 möglich. Steuerhinterzieher, die ihr Geld gezielt vorher aus der Schweiz verschoben hätten, könnten unentdeckt bleiben. „Wir hören, dass die Bundesländer diese Gruppenanfragen noch koordinieren, sie aber in Kürze stellen werden“, sagt Marcus Hornig, Steuerexperte bei WTS in Düsseldorf. Ebenfalls von den Gruppenanfragen betroffen sind Liechtenstein und Singapur. Noch sind sich Juristen nicht einig, welche Daten die Steuerbehörden nach einer Gruppenanfrage wirklich offenlegen müssen und werden. Eines ist aber sicher: Der Spielraum der Fahnder wird größer. „Das Risiko durch bevorstehende Gruppenanfragen haben die meisten Steuerhinterzieher noch nicht auf dem Radar“, sagt Anwalt Gläser.
- Luxemburg und Österreich geben ihr Bankgeheimnis für Ausländer sukzessive auf. Luxemburg informiert andere EU-Länder von 2015 an im Rahmen des automatischen Informationsaustauschs über Zinseinkünfte. Es zeichnet sich ab, dass der Austausch auf andere Erträge ausgeweitet wird. Dann könnten auch als Steuerschlupfloch genutzte Stiftungen entdeckt werden. Schon vorher dürften Luxemburg und Österreich den deutschen Fahndern sehr viel bereitwilliger verlangte Auskünfte erteilen.