Um Verluste muss sich ein japanischer Daytrader derzeit nicht sorgen. Der Daytrader – Internet-Pseudonym CIS – spekulierte seit Mitte August auf einen Absturz des japanischen Aktienindex Nikkei. Als seine Spekulation am vergangenen Montag plötzlich aufging, wechselte er auf dem Börsentief die Seite und setzte auf eine Kurserholung, wie die Nachrichtenagentur Bloomberg vermeldete. Über den Kurznachrichtendienst Twitter hielt er die Öffentlichkeit auf dem Laufenden. Am Ende soll ein Gewinn von 34 Millionen Dollar gestanden haben, behauptet der Daytrader.
Schön für ihn! Den meisten Anlegern dürfte der Panik-Montag aber keinen Gewinn, sondern einen Verlust beschert haben. Einen Dax-Absturz von in der Spitze bis zu 7,8 Prozent erleben Anleger eben nicht alle Tage. Ist es bei reinen Buchverlusten geblieben – liegen die Aktien also immer noch im Depot – haben Anleger von der anschließenden Kurserholung profitiert. Doch was, wenn Aktien am Montag verkauft worden sind? Entweder weil Anleger sich von der Panik haben anstecken lassen und weitere Verluste vermeiden wollten. Oder aber, weil das Unterschreiten bestimmter Kursschwellen automatische Verkäufe ausgelöst hat (Stop-Loss-Order). Vor allem in Urlaubszeiten setzen viele Anleger solche Verkaufsaufträge ein.
Stichwort: Die schwärzesten Tage für den Dax seit 1987
Frankfurt, 24. Aug (Reuters) - Die Furcht vor einem deutlichen Konjunktureinbruch in China hat die Aktienmärkte am Montag auf Talfahrt geschickt. Der Frankfurter Leitindex Dax rutschte erstmals seit Mitte Januar wieder unter die Marke von 10.000 Punkten, zeitweise fiel er um bis 3,6 Prozent auf 9760 Zähler.
Eindeutige Kriterien für einen Crash gibt es nicht - außer Panik, hohe Umsätze und hohe Verluste. Beim bislang größten Börsenkrach der Nachkriegszeit am 19. Oktober 1987, als Spekulationen auf Zinserhöhungen den Dow-Jones-Index an der Wall Street um 23 Prozent einbrechen ließ, gab es den Dax noch nicht. Er wurde erst am 1. Juli 1988 erstmals berechnet.
Im folgenden eine Übersicht über die prozentual höchsten Verluste des Dax seither:
DIE 1990er JAHRE UND DIE ANSCHLÄGE VON 9/11
Der Dax fällt um rund 13 Prozent und folgt damit der Wall Street, wo Finanzierungs-Schwierigkeiten bei einem Unternehmensverkauf einen Ausverkauf auslösten.
Ein später gescheiterten Putsch gegen den damaligen sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow drückt den Dax um gut neun Prozent ins Minus.
Im Sog der Asienkrise sackt der Dax im Handelsverlauf um bis zu 13 Prozent ab und schließt mit 3567 Punkten acht Prozent niedriger.
Die Angst vor einem Flächenbrand im Bankenwesen nach der Schieflage eines Hedgefonds in den USA und einer Eskalation der Krisen in Asien, Japan, Lateinamerika und Russland drücken den Dax um acht Prozent ins Minus.
Nach den Terroranschlägen in den USA fällt der Dax um neun Prozent.
Sie hinterlässt tiefe Spuren im Dax.
Angst vor einer Rezession in den USA drückt den Dax um sieben Prozent auf 6790 Punkte ins Minus. Bei der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers am 15. September kommt er aber glimpflich davon und verliert nur moderate 2,7 Prozent.
Für den Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate muss binnen einer Woche ein zweites Rettungspaket geschnürt werden. Der Dax verliert sieben Prozent.
Im Sog der Finanzkrise stürzt der Nikkei -Index um über neun Prozent ab. Der Dax verliert bis zu neun Prozent. Nach einer konzertierten Zinssenkungsrunde der großen Notenbanken erholen sich die Kurse nur leicht. Der Dax schließt mit einem Minus von sechs Prozent.
Rezessionsängste angesichts der Finanzkrise drücken den Nikkei-Index um zehn Prozent. Der Dax verliert ebenfalls sieben Prozent.
Ein erneuter Absturz der Tokioter Börse drückt den Dax in der Spitze um über elf Prozent.
Nachdem die USA bei der Ratingagentur Standard & Poor's ihre Bestnote als Kreditnehmer verlieren, brechen die Kurse ein: Der Dax verliert rund fünf Prozent.
Die Furcht der Anleger vor einer weltweiten Rezession und einer Ausweitung der Schuldenkrise in der Euro-Zone drückt den Dax um 5,3 Prozent ins Minus.
Der Dax verliert rund fünf Prozent. Auslöser ist die überraschende Ankündigung einer Volksabstimmung in Griechenland über ein Rettungspaket.
Das Scheitern der Gespräche zur Lösung der Schuldenkrise in Griechenland und die überraschende Ansetzung einer Volksabstimmung über die Forderungen der Gläubiger drückt den Dax gleich im frühen Handel um 4,6 Prozent auf 10.964,24 Punkte.
Kleiner Trost: Diese Anleger können ihre Verluste wenigstens steuerlich geltend machen. Die roten Zahlen ersparen ihnen dann einen Teil der Steuer, die sonst auf andere Erträge angefallen wäre. Allerdings gibt es dabei einige Regeln zu beachten.
Nur Kursgewinne zählen
Seit Einführung der Abgeltungsteuer 2009 verrechnen normalerweise Banken direkt für ihre Kunden die fällige Steuer. Beispiel: Wer erst ein Aktienpaket mit 1000 Euro Gewinn verkauft, bekommt davon 26,375 Prozent Abgeltungsteuer inklusive Soli abgezogen; Kirchensteuer käme noch obendrauf. Erleidet der Anleger danach mit einer anderen Aktie 1000 Euro Verlust, erstattet ihm die Bank die Steuer wieder.
Dabei gilt: Verluste mit Aktien können steuerlich nur mit Kursgewinnen aus verkauften Aktien ausgeglichen werden. Andere Erträge, wie Zinsen, Dividenden oder Gewinne mit anderen Wertpapieren, werden separat versteuert und können nicht mit Aktienverlusten verrechnet werden. Verluste aus Fonds – auch aus reinen Aktienfonds – können hingegen auch auf solche Erträge angerechnet werden.
Verluste verrechnen
Wer also am Montag einen Aktienfonds mit 1000 Euro Verlust verkauft hat und bis Jahresende noch 1000 Euro an Zinsen kassiert, müsste – wenn keine anderen Verluste oder Erträge zu berücksichtigen sind - auf die Zinsen keine Abgeltungsteuer zahlen. Hätte er hingegen direkt Aktien mit 1000 Euro Verlust verkauft, fielen auf die Zinsen die normalen 26,375 Prozent Abgeltungsteuer an – die Aktienverluste könnten schließlich nicht mit den Zinserträgen verrechnet werden.
Trotzdem geht der Steuervorteil in diesem Fall nicht verloren. Reichen die Gewinne mit verkauften Aktien eines Jahres nicht aus, um die Verluste dieses Jahr auszugleichen, werden die restlichen Verluste von der Bank in den folgenden Jahren berücksichtigt. Dann kann selbst dann passieren, wenn die Gewinne etwas größer als die Verluste sind. Schließlich bleiben pro Sparer und Jahr 801 Euro an Kapitalerträgen grundsätzlich steuerfrei (Sparer-Freibetrag).
Überträgt die Bank verbleibende Verluste, könnten 1000 Euro aufgelaufener Aktienverlust aus diesem Jahr dann etwa mit 1000 Euro steuerpflichtigem Kursgewinn aus verkauften Aktien im nächsten Jahr ausgeglichen werden. Dies geschieht solange, bis die Verluste komplett verrechnet worden sind. Eine zeitliche Beschränkung gibt es nicht.
Kaufdatum zählt
Den Übertrag ins nächste Jahr können Anleger nur vermeiden, wenn sie bis 15. Dezember eine Verlustbescheinigung beantragen. In diesem Fall bescheinigt die Bank den steuerlich noch nicht ausgeglichenen Verlust und stellt das Steuerkonto wieder auf null. Sinnvoll ist das etwa, wenn Anleger bei einer anderen Bank entsprechend hohe Aktiengewinne erzielt haben. Reichen sie dann alle Bescheinigungen mit ihrer Steuererklärung samt Anlage KAP ein, bekommen sie die bei der anderen Bank abgeführte Abgeltungsteuer zumindest anteilig erstattet.
Andere Regeln gelten für vor 2009 – und damit vor Einführung der Abgeltungsteuer - gekaufte Aktien. Sie bleiben steuerlich unberücksichtigt, schließlich würden auch Kursgewinne beim Verkauf dieser Werte steuerfrei bleiben. Zum Trost: Aktionäre, die so treu sind, erleiden sowieso selten Verluste. Von den heutigen Dax-Aktien stehen derzeit nur fünf unter ihrem Kursniveau von Ende 2008. Allein RWE (–79 Prozent), Commerzbank (–75) und E.On (–66) sind deutlich gefallen. Im Schnitt haben die Dax-Aktien seit Ende 2008 rund 150 Prozent Kursgewinn gebracht.
Das zeigt: Wer noch vor 2009 gekaufte Wertpapiere im Depot hat und auf das angelegte Geld nicht kurzfristig angewiesen ist, der sollte diese grundsätzlich nicht ohne Not verkaufen. Die Aussicht auf steuerfreie Kursgewinne beim späteren Verkauf ist bares Geld wert. Hätte ein Anleger Ende 2008 5000 Euro gleichmäßig auf alle Dax-Aktien verteilt, wären ihm so im Vergleich zu einem Kauf seit Anfang 2009 bislang 1978 Euro an Steuer erspart geblieben. Angenommen dieses Aktienpaket schafft in Zukunft durchschnittlich fünf Prozent Kursgewinn pro Jahr, kämen in den nächsten 20 Jahren weitere 5450 Euro Steuervorteil hinzu. Stop-Loss-Orders sollten bei solchen vor 2009 gekauften Aktien also nur in Ausnahmefällen eingesetzt werden. Denn sind die Aktien einmal verkauft, ist der Steuervorteil für immer verloren.