Anleger-Informationen Europa-Parlamentarier begehren gegen Beipackzettel auf

Das Europäische Parlament hat Details für Informationsblätter für Finanzprodukte abgelehnt. Es fehlt ihnen bisher der Mehrwert für Anleger. Die EU-Kommission solle die Einführung verschieben, fordern die Politiker.

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Vor dem EU-Hauptquartier in Brüssel: Die EU-Kommission muss bei den geplanten Informationsblättern für Finanzprodukte nun nachbessern, verlangen die Parlamentarier. Quelle: dpa

Frankfurt Es ist ein Novum, was Finanzthemen angeht. Noch nie haben sich die Europa-Parlamentarier gegen technische Standards einer EU-Verordnung für die Finanzbranche gesperrt. Doch am Mittwoch war es soweit: Das Plenum des Europäischen Parlaments hat mit großer Mehrheit für eine Zurückweisung der Umsetzungsrechtsakte im Rahmen der Verordnung mit Namen „PRIIPs” gestimmt. Diese Rechtsakte bestimmt, wie die in der Verordnung geplanten Beipackzettel für Finanzprodukte konkret aussehen sollen. Eigentlich sollten diese Informationsblätter für alle Finanzprodukte in der EU zum Jahresende 2016 eingeführt werden, damit Anleger die verschiedensten Finanzprodukte besser vergleichen können. Die Idee: Für beispielsweise Fonds, Zertifikate und Versicherungen sollen Anleger auf einen Blick erkennen können, wie die Anbieter das Geld des Kunden anlegen, was es kostet, auf welche Risiken sich Anleger einstellen müssen und welche Erträge sie erwarten können. Diese Blätter sollen Anlegern künftig vor Vertragsabschluss ausgehändigt werden.

„Die Beipackzettel für Finanzprodukte sollen dem Kunden die Anlageentscheidung erleichtern. Der (nun abgelehnte) Vorschlag der Kommission hätte das glatte Gegenteil zur Folge gehabt“, regt sich Markus Ferber auf. Er ist Finanzexperte der CSU und erster stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Wirtschaft und Währung im Europäischen Parlament.
Dabei stellt er massive inhaltliche Mängel fest: So wären Finanzprodukte seiner Ansicht nach kaum vergleichbar gewesen. Der im Vorschlag angesetzte Risikoindikator zum Beispiel ist demnach so unverständlich, dass das Verlustrisiko eines Finanzprodukts kaum einzuschätzen ist. Auch beim deutschen Fondsverband BVI kritisiert man: Sowohl die Vorgaben, wie die Kosten für Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers ausgewiesen und wie verschiedene Risiken dargestellt werden sollen, seien unzureichend, monieren die Verbandsexperten. Und die Pläne zur Berechnung der Transaktionskosten führten systematisch zu falschen Ergebnissen: Bei weniger leicht handelbaren Produkten kämen teils negative Kosten heraus. Außerdem würden Risiken von Kursverlusten beispielsweise höher gewichtet als das Ausfallrisiko eines Emittenten.


Fondsverband BVI fordert Verschiebung der Einführung um ein Jahr

„Im Ergebnis waren die Vorschläge der Kommission ein Bürokratiemonster ohne Mehrwert. Deswegen mussten wir die Notbremse ziehen“, erklärt Ferber. Und mit der Ablehnung der Europa-Parlamentarier sei der ursprüngliche Zeitplan für die Einführung dieser Informationsblätter nicht mehr einzuhalten, meinen die Parlamentarier. Ihrer Ansicht nach sollte die technische Struktur der Informationsblätter nun gründlich nachgebessert werden, bevor sie verpflichtend für die Finanzbranche in der EU werden. Daher haben die Europa-Parlamentarier die EU-Kommission nun aufgefordert, nachzubessern und die Einführung der Informationsblätter zu verschieben – nach Auffassung von Experten um mindestens ein halbes Jahr. Die deutsche Finanzindustrie stimmt zu: Da aufgrund der Entscheidung des Europäischen Parlamentes gut drei Monate vor Inkrafttreten der Verordnung keine klaren Gestaltungsvorgaben vorlägen, müsse der EU-Gesetzgeber die Anwendbarkeit der PRIIPs-Verordnung verschieben, betont die Deutsche Kreditwirtschaft, die zusammengeschlossenen Spitzenverbände der Banken und Sparkassen. „Aus Sicht der deutschen Banken und Sparkassen kann unter diesen Umständen keinesfalls die Verordnung zum Jahresende 2016 angewendet werden.“

Konkreter wird Thomas Richter, Hauptgeschäftsführer des BVI: „Die Kommission muss nun endlich den geplanten Starttermin verschieben, wie vom Parlament gefordert.“ Richter schlägt vor, die Umsetzungsfrist um zwölf Monate auf Anfang Januar 2018 zu verlängern. In diesem Fall würde PRIIPs zeitgleich mit den neuen Regeln der Finanzmarktrichtlinie MIFID in Kraft treten. Wegen inhaltlicher Überschneidungen der beiden Regelwerke sei dies sinnvoll, findet er. Pläne der EU-Kommission, die PRIIPs-Verordnung ohne die technischen Standards in Kraft treten zu lassen, hält der BVI für „absurd“. Dies hatte die EU-Kommission in dem sich zuspitzenden Konflikt mit den EU-Parlamentariern anklingen lassen. Experten halten dies allerdings für Drohgebärden. Richter vom BVI jedenfalls fordert: „Verordnung und Standards müssen gemeinsam starten. Andernfalls würde jedes Land seine eigenen Standards schaffen. Das Ergebnis wäre paradox. Statt der mit PRIIPs beabsichtigten europaweiten Harmonisierung und Vergleichbarkeit hätten wir das genaue Gegenteil: einen Wildwuchs nationaler Regeln.“
Es liegt nun in der Hand der EU-Kommission zu entscheiden, ob die Verordnung für die bereits vom Parlament grundsätzlich beschlossenen Informationsblätter Ende 2016 in Kraft tritt oder nicht.

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