Arbeitsrechtler Wolfgang Betz "Besonders beliebt sind Degradierungen"

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Vor einigen Wochen hat der Fall „Emmely“ für Aufsehen gesorgt. Das Landesarbeitsgericht Berlin segnete die Entlassung einer Supermarkt-Kassiererin ab, die angeblich Pfandbons im Wert von 1,30 Euro geklaut hatte. Seitdem streiten Politiker und Arbeitsrechtler, ob Kündigungen auch bei solch niedrigen Beträgen angemessen sind.

Mich stört es, dass Arbeitsrichter oft pauschal sagen: Bei Vermögensdelikten kommt es überhaupt nicht auf den Wert an, eine Entlassung ist in jedem Fall gerechtfertigt. Meines Erachtens muss der Wert des geklauten Gegenstandes sehr wohl eine Rolle spielen – genau wie die Vorgeschichte des Arbeitnehmers und die Umstände, in denen es zu dem Vorfall kam.

Ich halte es nicht für angemessen, wenn jemand, der viele Jahre gute Arbeit fürs Unternehmen geleistet hat, plötzlich wegen einer Lappalie entlassen wird – etwa, weil er einen Kugelschreiber mitgenommen hat. Aber wegen der öffentlichen Debatte über den Fall Emmely bin ich zuversichtlich, dass die Gerichte künftig nicht mehr so pauschal urteilen und die vom Bundesarbeitsgericht verlangte Interessenabwägung nicht nur zitieren, sondern in jedem Fall ernsthaft durchführen.

Wenn im Winter wie befürchtet die Entlassungswelle anrollt: Wie stehen die Chancen auf Abfindungen?

Das hängt natürlich stark vom Einzelfall ab. Die Bandbreite bei der Höhe der Abfindungen ist schon jetzt enorm und wird sich weiter spreizen. Dabei werden Führungskräfte kaum zu befürchten haben, nur die Durchschnittsabfindung von 0,5 Bruttomonatsgehältern pro Jahr der Betriebszugehörigkeit erzielen zu können. Denn bei solchen Mitarbeitern vermeiden Arbeitgeber gern Rechtsstreitigkeiten, sodass es sich lohnt, außergerichtliche Lösungen zu suchen. Das kann weniger aufreibend für alle Beteiligten und zudem preisgünstiger sein.

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