Ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts zum Thema Dienstreisen sorgt für Aufsehen. Demnach wird die Zeit in Auto, Zug oder Flugzeug als Arbeitszeit gewertet. Das dürfte weitreichende Folgen hinsichtlich Überstunden und Spesenabrechnungen mit sich bringen, viele Unternehmen werden ihre Regelungen und Betriebsvereinbarungen anpassen müssen. Für konkrete Konsequenzen ist es zwar noch etwas zu früh, da die detaillierte Urteilsbegründung erst zum Jahresende vorliegen dürfte.
Aber schon heute ist klar: Bei Dienstreisen steckt der Teufel im Detail. Rund um die Themen steuerliche Vorteile, Unfallversicherungsschutz und Spesenabrechnung gibt es zahllose Urteile zu Einzelfällen, viele Gesetze und Regeln dazu wurden im Laufe der Jahre präzisiert und viele Unternehmen haben eigene Regeln für Dienstreisen aufgestellt. Wo die Fallstricke liegen und was Arbeitnehmer über Dienstreisen wissen sollten, ist im Folgenden anhand eines Beispielfalls nachgezeichnet.
Gemischte Dienstreise: ein bisschen privat, viel geschäftlich
Roland Schmitz ist Angestellter in Frankfurt und soll auf Wunsch seines Chefs an einem Kongress in Hamburg teilnehmen sowie im Rahmen der Dienstreise zwei wichtige Kunden in Schleswig-Holstein aufsuchen. Er muss montags um 9 Uhr auf dem Kongress sein. Sein Plan: Zusammen mit seiner Frau will er schon Freitagnacht in Hamburg im Hotel einchecken, um ein entspanntes Wochenende mit ihr in der Hansestadt zu verbringen. Für den Samstagabend hat er bereits Tickets für das Musical "Mary Poppins" gebucht.
Sein Chef hat nichts dagegen, dass die Reise schon Freitagabend beginnt. Für die zwei Nächte gemeinsam mit seiner Frau bucht Schmitz über die Firma ein Doppelzimmer in einem Hotel, ca. 15 Gehminuten vom Kongresshotel entfernt. Für die Anreise mit der Bahn bucht er zudem ein Ticket für sich auf Kosten seiner Firma mit Rückreise am darauffolgenden Freitagvormittag, sowie eins für seine Frau mit Rückreise am Sonntagnachmittag auf eigene Rechnung. Das erleichtert später die Trennung von geschäftlichen und privaten Ausgaben erheblich.
Unfallschutz auf Dienstreisen mit privaten Momenten
Stößt Angestellten auf Dienstreisen etwas zu, sind sie generell durch die gesetzliche Unfallversicherung vor den finanziellen Folgen geschützt, genauso wie auf dem täglichen Weg in die Firma und zurück. Der Versicherungsschutz greift bei Dienstreisen aber bereits bei den vorbereitenden Tätigkeiten. Geht Herr Schmitz etwa Freitagabend vor seiner Hamburg-Reise und nach dem Verlassen des Büros noch im Reisebüro vorbei, um die Zugtickets abzuholen, ist er über den Arbeitgeber gegen Unfälle versichert. Allerdings nur für den direkten Weg vom Büro zum Reisebüro und von dort bis zu seiner Wohnung.
Holt er allerdings nur die Musical-Karten in dem Reisebüro ab, schützt ihn die Unfallversicherung nicht, wenn er dafür den direkten Weg zwischen Büro und Heim verlassen muss. Liegt das Reisebüro auf dem Weg, setzt der Versicherungsschutz zumindest während des Aufenthalts im Reisebüro aus, da Schmitz in diesem Fall einer rein privaten Tätigkeit nachgeht. Im Prinzip gilt: Wird der direkte Weg einer Dienstreise verlassen, um privaten Interessen nachzugehen, besteht währenddessen kein gesetzlicher Schutz durch die Unfallversicherung. Er beginnt aber wieder bei Rückkehr auf den direkten Weg der Dienstreise. Übrigens: Der "direkte Weg" muss nicht der kürzeste sein, solang es gute verkehrstechnische Gründe dafür gibt, Umwege in Kauf zu nehmen, etwa um Baustellen, Stau oder häufiges Umsteigen zu vermeiden.
Ob private Reise oder Dienstreise ist nicht immer eindeutig
Zurück zu Schmitz: Wenn er sich am Freitagabend mit Frau und Musicaltickets auf den Weg nach Hamburg macht, hat er nach gängiger Auffassung keinen gesetzlichen Unfallschutz. Die Tatsache, dass er seine dienstliche Anreise aus privatem Interesse deutlich vorverlegt hat, spricht für eine private Anreise an den Tagungsort. Daran ändert auch die ausdrückliche Erlaubnis seines Vorgesetzten nichts.
Letztlich muss hier im Einzelfall genauer betrachtet werden, ob der private oder der dienstliche Charakter der Reise dominiert. Im Beispiel ließe sich etwa aus Schmitz Sicht argumentieren, dass die Privatreise über das Wochenende im Verhältnis zur relativ langen, fünftägigen Dienstfahrt nur einen geringen Anteil ausmacht. Sträubt sich die gesetzliche Unfallversicherung im Falle eines Unfalls, müsste letztendlich ein Gericht klären, ob eine Dienstreise und damit Unfallschutz bestand oder nicht.
Unfallschutz bei Reisevorbereitungen
Definitiv zur Dienstreise zählen jedoch Reisevorbereitungen wie die Ticketabholung, die Suche nach einer Unterkunft am Zielort, die Gepäckaufgabe im Vorfeld der Reise oder ein Orientierungsrundgang am Diensteinsatzort. Ebenso zur Dienstreise zählen kurze Unterbrechungen um zu essen, das Auto zu betanken oder ein WC aufzusuchen.
Roland Schmitz ist gemeinsam mit seiner Frau wohlbehalten in Hamburg angekommen und hatte dabei glücklicherweise auch keinen Unfall. Seine Stadtrundgänge samt Musicalbesuch mit der Gemahlin am Wochenende waren natürlich ein rein privates Vergnügen auf eigene Gefahr. Ergo kein Unfallschutz, keine beruflichen Ausgaben und keine Spesen.
Mahlzeiten müssen sein, Barbesuche nicht
Aber nun ist Montagmorgen und er macht sich auf den Weg zum Kongress. Erneut gilt: Auf dem direkten Weg morgens zum und abends vom Kongress zurück zum Hotel ist er versicherungstechnisch auf Dienstreise. Als er sich aber nach der Rückkehr im Hotel noch mit Kollegen auf ein Bier trifft, hat er Pech. Beim Knabbern gebrannter Mandeln in einer nahegelegenen Bar bricht er sich eine Zahnkrone aus. Die Erneuerung der Krone werden seine Krankenversicherung und er persönlich bezahlen müssen, da der abendliche Ausklang mit den Kollegen zu den privaten Freizeitvergnügen zählt. Wäre ihm das in einem hotelnahen Restaurant beim Abendessen passiert, hätte er argumentieren können, dass sein Hotel kein Restaurant hat und er ja auf Dienstreisen auch etwas essen müsse. Der Barbesuch aber zählt klar zum privaten Vergnügen.
Steuern und Spesen pauschal
Nach drei Kongresstagen soll Schmitz am Donnerstag und Freitag auf Wunsch seines Chefs Kunden in Kiel und Quickborn besuchen. Da für den ersten der Kundenbesuche inklusive An- und Abreise ein ganzer Arbeitstag von mindestens acht Stunden nötig ist, und der Arbeitgeber die Kosten für die Fahrten und Essen nicht übernimmt, profitiert Schmitz hier vom 2014 reformierten Reisekostenrecht.
Schmitz kann die sogenannten Verpflegungspauschalen in seiner Steuererklärung als Werbungskosten ansetzen. Für die drei Kongresstage in Hamburg und den Tag beim Kunden in Kiel sind das jeweils 24 Euro pro Tag. Für den An- und Abreisetag muss ihm das Finanzamt bei einer mehrtägigen Dienstreise eine Verpflegungspauschale von zwölf Euro pro Tag zusprechen. Dabei spielt es keine Rolle, wie lange genau die An- und Abreise jeweils gedauert hat. So bekommt Schmitz für die Anreise am Freitagabend genauso zwölf Euro wie für darauffolgenden Freitag, an dem er zusätzlich zur Rückfahrt auch noch drei Stunden für den Kundenbesuch in Quickborn unterwegs ist. Die gleiche Pauschale gilt zudem für kürzere Dienstreisen, die zwischen acht und 24 Stunden dauern.
Hohe Übernachtungspauschalen im Ausland - ohne Beleg
Hätte Schmitz den Kongress statt in Hamburg etwa in Paris oder Mailand besucht, sähe seine Steuererklärung womöglich anders aus. Für Dienstreisen ins Ausland gelten je nach Land besondere Pauschalen für Verpflegungsmehraufwendungen und Übernachtungskosten, die das Bundesfinanzministerium jährlich aktualisiert. Für Paris gibt es beispielsweise pro 24-Stunden-Tag 58 Euro Verpflegungspauschale sowie 156 Euro Übernachtungspauschale, für Mailand sind es analog 39 und 152 Euro. Die Liste des Bundesfinanzministeriums für das Jahr 2018 können Sie hier abrufen.
Die teils hohen Übernachtungspauschalen im Ausland nutzen viele Dienstreisende zu ihren Gunsten, indem sie sich eine deutlich günstigere Unterkunft buchen oder bei Bekannten übernachten, aber die Pauschalen – die keinerlei Belege erfordern – steuerlich geltend machen. Arbeitgeber können natürlich Rechnungen über die tatsächlichen Kosten verlangen und wie die übrigen Dienstreisekosten als Betriebsausgaben steuer- und sozialabgabenfrei dem Arbeitnehmer erstatten. „Für Arbeitnehmer ist es immer vorteilhaft, wenn ihnen ihr Arbeitgeber die tatsächlichen Reisekosten erstattet“, sagt Josef Bühlmaier, Steuerberater bei Lehleiter + Partner in Neckarsulm. „Erstattet der Arbeitgeber nichts, bleibt nur der Ansatz als Werbungskosten im Rahmen der Steuererklärung. Das Finanzamt erstattet aber höchstens in Höhe des individuellen Steuersatzes die tatsächlichen Kosten.“
Hätte sein Chef nicht schon die Übernachtungsbuchung übernommen, müsste Schmitz für Hamburg ohnehin die tatsächlichen Hotelkosten belegen, egal ob für den Arbeitgeber oder das Finanzamt. Es gibt lediglich eine beleglose Pauschale von 20 Euro für eine Übernachtung, etwa wenn der Reisende bei Verwandten unterkommt.
Reisenebenkosten nicht vergessen
Ebenfalls abrechenbar sind Reisenebenkosten: Ausgaben für Telefonate, Mautgebühren, Gepäckaufbewahrung, Parkgebühren oder Bewirtungskosten können auch von der Steuer abgesetzt werden. Wichtig ist allerdings wie bei allen Reiskosten die Vorlage der Originalrechnungen. Dadurch soll ausgeschlossen werden, dass sowohl der Arbeitgeber als auch der reisende Mitarbeiter die Kosten zugleich geltend machen oder der Angestellte die Kosten sowohl beim Arbeitgeber als auch beim Finanzamt geltend macht.
Die Quittungen sollten immer möglichst genau sein, die Mehrwertsteuer klar ausweisen und das Produkt oder die Dienstleistung klar bezeichnen. Bei Bewirtungsbelegen müssen zudem Anlass und Datum der Bewirtung, die bewirteten Personen und den Zweck des gemeinsamen Lokalbesuchs ausweisen. Zur Not ist das zusammen mit der Quittung auf einem zusätzlichen Blatt zu notieren.
Privatwagen pauschal oder nach tatsächlichen Kosten
Steuervorteile bringt auch die Dienstreise im Privatwagen: Hätte sich Schmitz für die Kundenbesuche nicht ein Auto auf Firmenkosten mieten können, sondern sein privates Auto benutzt, hätte er 0,30 Cent je dienstlich gefahrenen Kilometer als Werbungskosten von der Steuer absetzen. Anders als bei der Pendlerpauschale für Arbeitnehmer für die Fahrt zum Arbeitsplatz gelten hier die Kilometer für Hin- und Rückfahrt. Ansonsten können Reisende auch tatsächliche Fahrtkosten nachweisen, etwa durch Taxi-Quittungen, U-Bahn-Fahrkarten oder mittels Fahrtenbuch, Tankbelegen und andere Fahrzeugkosten.
Wird wie bei Schmitz eine geschäftliche Reise mit einem privaten Urlaub vermengt, ist eine strikte Kostentrennung von Beginn an zu empfehlen. Denn die Finanzämter werden schnell misstrauisch und verweigern Steuervorteile, wenn sie hinter einer Reise vorrangig private Zwecke vermuten. Auch so mancher Arbeitgeber fühlt sich über den Tisch gezogen, wenn auf der Spesenabrechnung Posten auftauchen, die eher dem Freizeitvergnügen zuzuordnen sind. Solch ein Missbrauch kann Mitarbeiter sogar ihren Job kosten.
Misstrauen vermeiden
Also am besten getrennte Belege für private und geschäftliche Ausgaben sammeln. Dann können Finanzamt und Arbeitgeber die genaue Höhe der dienstlich begründeten Reisekosten klar nachvollziehen. Es schadet sicher auch nicht, Nachweise für die berufliche Tätigkeit zu sammeln, etwa Selfies mit den Gesprächspartnern, Zutrittskarten für Kongressteilnehmer oder Gesprächsprotokolle.
Auch Notizen zur Arbeitszeit sind grundsätzlich zu empfehlen. Zum einen, weil das eingangs erwähnte Urteil bis zum Vorliegen der genauen Urteilsbegründung noch nicht eindeutig interpretiert werden kann. Es ist also möglich, dass künftig die Zeit, die ein Mitarbeiter im Auto, Zug oder Flugzeug verbringt, in mehr Fällen als bisher der Arbeitszeit zugerechnet wird und somit auch für Überstunden und höhere Verpflegungspauschalen sorgt.
Zeiten erfassen, mit dem Arbeitgeber besprechen
Bislang gilt jedoch noch: Dienstreisen während der regulären Arbeitszeit zahlen auch dann auf das Arbeitszeitkonto ein, wenn der Mitarbeiter im Zug sitzt und schläft. Bei Gleitzeitmodellen hängt es von den Betriebsvereinbarungen zur Gleitzeit ab und außerhalb der regulären Arbeitszeit, kommt es auf die Anweisungen des Arbeitgebers an. Damit die Reisezeit als Arbeitszeit gilt, muss der Vorgesetzte währenddessen Arbeitsleistung anordnen oder die Zeit nachträglich als Arbeitszeit billigen. Gleiches gilt, wenn der Chef erwartet, dass der Mitarbeiter selbst im Auto fährt – etwa um Material zu transportieren. Dann ist die Fahrt Arbeitszeit – so wie bei Außendienstmitarbeitern die Fahrten grundsätzlich Arbeitszeit sind.
Für Roland Schmitz zählt seine Zugfahrt am Freitagabend ebenfalls zur Arbeitszeit. Denn so war es mit seinem Chef besprochen – auch wenn er neben seiner Frau gesessen und keine E-Mails beantwortet hat. Offenbar hat er Glück mit seinem Arbeitgeber.