Aussichtslose Klagen Wie Anlegeranwälte Mandanten das Geld aus der Tasche ziehen

Kanzleien werben geprellte Anleger, um Prozesse mit schwachen Erfolgsaussichten zu führen. Am Ende bleiben Kläger auf ihren Anlageverlusten und hohen Anwalts- und Gerichtskosten sitzen. Jetzt ermitteln Staatsanwälte.

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Anlegeranwälte: Jetzt stehen die Kanzleien im Visier der Staatsanwälte. Quelle: Fotolia

Post aus Jena ist man bei der BaFin gewohnt. Die Kanzlei PWB, die nach eigener Einschätzung „zu den großen deutschen (…) Anwaltskanzleien“ gehört, hat dort in den vergangenen Jahren für mehrere Tausend Mandanten Anträge auf Akteneinsicht gestellt. Das Team von Kanzlei-Chef Philipp Wolfgang Beyer berief sich auf das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) und argumentierte, man brauche die Informationen, um Staatshaftungsklagen für Anleger zu prüfen.

Die Mandanten, für die sich die Thüringer Anwälte ins Zeug legen, haben eines gemeinsam: Sie haben durch spektakuläre Pleiten viel Geld verloren – zum Beispiel, als 2003 die Bank für Immobilieneigentum (BFI) Insolvenz anmeldete. Oder 2006, als die Wohnungsbaugesellschaft (WBG) Leipzig-West pleiteging und Anleihen nicht mehr bedienen konnte.

Nach Jahren des Bangens und langwierigen Insolvenzverfahren schienen vielen Anlegern sogenannte Staatshaftungsklagen als letzte Chance auf Schadensersatz. Die Botschaft von PWB: Da die Finanzaufsicht BaFin nicht oder nicht rechtzeitig eingegriffen habe, bestehe die Chance, den Staat für Verluste in Haftung zu nehmen. Die Anwälte forderten deshalb zahlreiche Auskünfte – im Fall WBG Leipzig-West zum Beispiel, ob der BaFin Gutachten zum „Anleihesystem“ oder zu Hintermännern vorlägen und ob es „aufsichtsrechtliche Tätigkeiten“ sowie „persönliche Treffen“ zwischen BaFin-Mitarbeitern und WBG-Verantwortlichen gab. Insgesamt vertritt die Kanzlei nach eigenen Angaben rund 700 WBG-Geschädigte.

Typische Geltungsbereiche der Rechtsschutzversicherung

Doch die BaFin verweigerte die Auskünfte: „Die Informationen sind für Ihre Mandanten objektiv wertlos, weil damit keine Staatshaftungsansprüche begründet werden können“, heißt es in einem Schreiben aus dem Jahr 2016, das der WirtschaftsWoche vorliegt. Schließlich sei eine staatliche Entschädigung in solchen Fällen „gesetzlich nicht vorgesehen“. Genauso argumentierten die Beamten in vergleichbaren Fällen wie der BFI-Pleite.

Sinnlose Klagen, keine Entschädigung vom Staat

Aber wer hat recht? Ist die Argumentation der BaFin Teil einer juristischen Strategie, um Kläger abzuschrecken oder Verfahren in die Länge zu ziehen? Oder haben die PWB-Anwälte tatsächlich eine aussichtslose Strategie empfohlen, weil die Informationen Anlegern gar nicht helfen würden?

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Das Verwaltungsgericht (VG) Frankfurt hat sich jüngst auf die Seite der BaFin geschlagen – und zwar mit außergewöhnlich deutlichen Formulierungen. Die Strategie, IFG-Anträge zu stellen und nach deren Ablehnung Auskunftsklagen einzureichen, sei „eine Art ,Gelddruckmaschine‘ für die Anwälte“, heißt es in einem – inzwischen rechtskräftigen – Urteil (7 K 2707/15). „Ein krasserer Fall von Rechtsmissbrauch ist kaum denkbar.“

Im Urteilsfall hatte PWB laut VG Frankfurt für 126 BFI-Anleger „einen jeweils gleichlautenden Antrag“ auf Akteneinsicht bei der BaFin gestellt. Die Anträge seien jedoch sinnlos, so das Gericht, „weil das Obsiegen den Klägern keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile bringt“. Chancen auf Schadensersatz bestünden nicht; die Kanzlei habe bei den Mandanten „objektiv falsche und völlig irreale Vorstellungen“ geweckt – und daran Geld verdient: „Da es den Bevollmächtigten auf die maximale Generierung von Gebühren ankam, waren sie darauf aus, in jedem einzelnen Fall Klage zu erheben“, rügte das Gericht.

Tücken im Kleingedruckten einer Rechtsschutzversicherung

Durch alle Instanzen

Kanzlei-Chef Beyer weist die Vorwürfe zurück. Das Urteil begründe sich seiner Meinung nach „aus dem Unmut des zu Entscheidung berufenen Einzelrichters über den logistischen Aufwand bei der Bearbeitung einer Vielzahl von Gerichtsakten“. Die Behauptungen „entbehren einer Grundlage und sind nachweislich falsch“. So habe der Richter „verkannt“, dass Auskunftsansprüche nach IFG „voraussetzungslos“ sind. Zudem habe seine Kanzlei, die laut Homepage „ca. 1500“ BFI-Opfer vertritt, „keine falschen Erwartungen geweckt“. Die Mandanten seien aufgeklärt worden, dass zur Analyse von Staatshaftungsansprüchen „eine umfassende Akteneinsicht und Auswertung aller gewonnenen Informationen nötig ist“, so Beyer.

Zudem weist er darauf hin, dass das VG Frankfurt die BaFin im Juni 2010 in einem anderen Fall verurteilt hat, Akteneinsicht zu gewähren (7 K 1424/09). Das Verfahren, in dem es um die Pleite des Wertpapierhändlers Phoenix geht, liegt derzeit beim Bundesverwaltungsgericht, das den Europäischen Gerichtshof (EuGH) angerufen hat.

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