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Austritt des Rebellen ist gültig Urteil zur Kirchensteuer - Wer glaubt, muss zahlen

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat entschieden, dass Katholiken nicht gläubiges Mitglied der Kirche bleiben können, ohne Kirchensteuer zu zahlen. Der Austritt eines Kirchensteuer-Rebellen wurde zwar für wirksam erklärt - soll aber doch nicht so wirken, wie er gemeint war.

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Grundsatzentscheidung zur Kirchensteuer in Deutschland - Heute wird entschieden, ob jemand, der keine Kirchensteuer mehr zahlt, Mitglied der katholischen Kirche bleiben kann - aus Sicht der Kirche ein Ding der Unmöglichkeit. Quelle: dpa

Hartmut Zapp ist gläubiger Katholik. Daran lässt der emeritierte Kirchenrechts-Professor keine Zweifel aufkommen. Doch an einem schönen Sommertag im Juli 2007 ging Zapp auf das Standesamt in Staufen. „Ich möchte meinen Austritt aus der Körperschaft erklären. Sind Sie zuständig für Kirchenaustritte?", fragte er die Standesbeamtin. Sie war zuständig - und ahnte noch nicht, dass der Mann vor ihr für einen jahrelangen Rechtsstreit zwischen der katholischen Kirche und den deutschen Behörden sorgen würde.

Wie sich die Kirchen in Europa finanzieren

Auf dem Formular für den Kirchenaustritt trug sie auf seinen Wunsch hin hinter "römisch-katholische Kirche" noch den Zusatz "Körperschaft des öffentlichen Rechts" ein. Die Standesbeamtin sagte nur: "Das stimmt ja. Das steht so im Grundgesetz." Für Zapp ist die Angelegenheit klar: Es gebe keinen Kirchenaustritt, nur einen Austritt aus der Körperschaft. Er wollte raus aus der Körperschaft Kirche, aber nicht, wie von der Kirche bislang unterstellt, vom Glauben abfallen. Dass die "einen gleich vom Empfang der Sakramente ausschließen", teils "als Höllenandrohung" empfunden, sei unmöglich, sagt Zapp. Vorrang müsse das Seelenheil haben. Auch der Vatikan habe das immer wieder betont.

Was die Kirchen leisten
Was die Kirchen leistenEin junges katholisches Paar (beide 35 Jahre) zahlt Kirchensteuer. Sie planen ihre Hochzeit. In drei Jahren wollen sie ihr erstes Kind bekommen, zwei Jahre später das zweite. Der Mann verdient 45.000 Euro, die Frau 40.000 Euro. Ihr Gehalt steigt um zwei Prozent pro Jahr. Insgesamt zahlen sie bis an ihr Lebensende 70 861 Euro Kirchensteuer. Die Rechnung geht davon aus, dass die aktuellen Steuerregeln dauerhaft gelten und im Ruhestand keine Kirchensteuer anfällt. Gesamtkosten Steuer:70 861 Euro Quelle: AP
Als erstes planen die beiden ihre Hochzeit. Sie führen ein mehrstündiges Gespräch mit dem Pfarrer, der bei der Trauung eine persönliche Predigt hält. Der Organist spielt ihre Musik. Nach einer Umfrage der WirtschaftsWoche unter fünf freien Theologen und Festrednern aus dem ganzen Bundesgebiet hätten diese für eine alternative Hochzeit inklusive Vorbereitung im Durchschnitt 730  Euro berechnet. Mit der Miete von Kirche oder Saal und Musik hätte das Paar für die alternative Feier 1000 Euro gezahlt. Ihr Glück: Der Treueschwur hält. Die Hochzeitskosten wären also nur einmal im Leben angefallen. Leistung: 1000 Euro Quelle: dpa
Wenige Jahre später lassen die beiden ihre Kinder taufen. Auch die Taufe findet in der Ortskirche statt. Für alternative Willkommensfeiern hätten die freien Theologen und Festredner durchschnittlich 368 Euro genommen. Findet die Feier zum Beispiel im Garten statt und wird nur ein Musiker engagiert, müssten sie für eine solche Feier 500 Euro einplanen. Bei zwei Kindern sind die Taufen also 1000 Euro wert. Leistung: 1000 Euro Quelle: dapd
An Weihnachten lieben die Kinder das Krippenspiel. Zwar fragt der Pfarrer nicht nach der Mitgliedschaft, aber für die Familie ist das Ehrensache. Würden sie stattdessen in die Oper gehen, zum Beispiel in Hänsel und Gretel, würde das die Familie jedes Jahr 50 Euro kosten. In den ersten zehn Jahren mit kleinen Kindern sparen sie also 500 Euro.  Leistung: 500 Euro Quelle: dpa
Dank des kurzen Drahts zum Pfarrer bekommt das Paar für die Kinder einen Platz im kirchlichen Kindergarten. Die Gebühren gleichen aber denen eines städtischen Kindergartens, das Paar hat einen Vorteil, spart aber kein Geld. Leistung: 0 Euro Quelle: dpa
Später schicken die Eltern ihre Kinder auf ein kirchliches Gymnasium, der Schulplatz ist ihnen sicher. Eine freie Privatschule würde 400 Euro im Monat kosten, bei der kirchlichen fallen nur 80 Euro an. Zwar können Eltern die Kosten zu 30 Prozent von der Steuer absetzen. Bei zwei Kindern und acht Jahren Schulzeit sparen sie netto trotzdem rund 56.947 Euro. Leistung: 56.947 Euro Quelle: dapd
Die Kinder entscheiden sich für eine Firmung oder Konfirmation. Als Fest der persönlichen Reife entscheiden sich viele nicht gläubige Jugendliche für ein alternatives Ritual. Vor allem in Ostdeutschland ist die Jugendweihe bekannt. Pro Kind fallen dafür etwa 100 Euro an, bei zwei Kindern also 200 Euro. Leistung: 200 Euro Quelle: dpa

Kampf um die Kirchensteuer

Die deutsche Amtskirche ist trotzdem anderer Ansicht. „Du kannst nicht aus der Organisation Kirche austreten und weiter zur geistlichen Gemeinschaft dazugehören“, sagt der Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz, Hans Langendörfer. Für die Kirche geht es um viel Geld: Allein 2010 zahlten Katholiken und Protestanten zusammen etwa neun Milliarden Euro Kirchensteuer.

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