Bahn-Verspätung auf Geschäftsreisen Wem steht die Entschädigung zu?

Bahn-Verspätung auf Dienstreise: Wer bekommt die Entschädigung? Quelle: dpa

Von Jahr zu Jahr steigt die Entschädigungssumme, die die Deutsche Bahn wegen Ausfällen und Verspätungen an Fahrgäste zahlen muss. Doch wem steht diese Zahlung eigentlich zu, wenn ein Dienstreisender von der Verspätung betroffen ist?

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Die Klimaanlage ist ausgefallen. Oder es liegt ein Defekt an der Lok vor. Oder eine Signal- oder Weichenstörungen. Wer häufig mit der Deutschen Bahn fährt, weiß: entsprechende Durchsagen bringen in der Regel lange Wartezeiten mit sich, wenn es denn überhaupt noch mit demselben Zug weitergeht. Im Durchschnitt waren nur 74,9 Prozent der ICE, Intercitys und Eurocitys 2018 pünktlich. Qua Definition gilt ein Zug bei der Bahn übrigens als pünktlich, wenn er weniger als sechs Minuten Verspätung hat.

Für die Zugreisenden bedeuten Verspätungen angespanntes Warten, oft ohne klare Informationen darüber, wann es weitergeht und allerlei Unannehmlichkeiten für die weitere Reisegestaltung. Für die Deutsche Bahn sind die Verspätungen mittlerweile eine veritable finanzielle Belastung. Einer EU-Verordnung sei Dank ist die Bahn dazu verpflichtet, Fahrgästen 25 Prozent des Fahrpreises zu erstatten, wenn der Zug zwischen einer und zwei Stunden Verspätung hat. Bei einer Verspätung von mehr als zwei Stunden hat der Reisende sogar Anspruch auf 50 Prozent des Fahrpreises.

Allein im vergangenen Jahr zahlte die Deutsche Bahn 2,7 Millionen Kunden im Nah- und Fernverkehr eine Entschädigungssumme von insgesamt 53,6 Millionen Euro, wie das „Handelsblatt“ berichtete. 2017 waren es noch 34,6 Millionen Euro an 1,8 Millionen Reisende, das Jahr davor 24,6 Millionen Euro an 1,5 Millionen Fahrgäste.

Mit dem Einreichen eines ausgefüllten Fahrgastrechte-Formulars können die Kunden ihre finanziellen Ansprüche geltend machen und erhalten so zumindest einen kleinen Trost für die verschenkte Zeit. Bei Geschäftsreisenden stellt sich allerdings die Frage: Wem steht die Entschädigung zu? Dem Arbeitgeber, der die Bahntickets bezahlt hat? Oder doch dem Arbeitnehmer, der die Reisestrapazen ertragen musste?

„In der Praxis ist die Meinung dazu geteilt“, sagt die Fachanwältin für Arbeitsrecht Eva Ratzesberger von der Kanzlei Afa Rechtsanwälte. „Ein abschließendes Urteil vom Bundearbeitsgericht gibt es zu dieser Frage bisher nicht.“

2010 urteilte das Potsdamer Verwaltungsgericht, dass die Entschädigungssumme dem Arbeitgeber zustünde. Allerdings ging es in dem Streitfall um einen Beamten und das Gericht ging davon aus, er hätte die Summe ohne die Dienstreise nicht erhalten. „Das Urteil lässt sich nicht auf andere Fälle übertragen“, sagt Ratzesberger. „Schon allein weil es um ein Beamtenverhältnis geht.“

Vor dem Verwaltungsgericht in Potsdam ging es 2010 übrigens um einen 5-Euro-Gutschein. Dank der EU-Verordnung sind die Summen heute nicht selten dreistellig, gerade bei Dienstreisen, wo in der Regel auf Spartarife verzichtet wird.

Das Fahrgastrechteformular selbst richtet sich eindeutig an die Kundinnen und Kunden, denen „durch eine Verspätung oder den Ausfall eines Zuges Unannehmlichkeiten entstanden sind“. Allerdings sei ein solches Formular nicht rechtsverbindlich, sagt Ratzesberger. Auch die EU-Verordnung spricht klar die „Bahnreisenden“ an. „Den Entschädigungsanspruch hat die Person, die die Unannehmlichkeiten erleiden musste“, erklärt Ratzesberger die Verordnung.

Trotzdem rät sie Geschäftsreisenden davon ab, die Erstattung ohne Rücksprache mit dem Arbeitgeber einzubehalten. „Viele Unternehmen haben betriebliche Regeln, wonach solche Entschädigungsansprüche vom Arbeitnehmer an den Arbeitgeber abzutreten sind“, sagt die Arbeitsrechtlerin. „Manchmal ist so etwas sogar im Arbeitsvertrag festgelegt.“

Gibt es eine solche Regelung und der Dienstreisende behält die Entschädigungssumme trotzdem ein, hat das Konsequenzen: „Hierbei handelt es sich um eine Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten oder der Nebenpflichten. Das kann eine Abmahnung rechtfertigen“, sagt Ratzesberger. „Deswegen empfehle ich, mit dem Arbeitgeber im Vorfeld zu klären, wie der Umgang mit solchen Entschädigungssummen im Unternehmen geregelt ist.“

Aber selbst wenn eine solche Regelung besteht, sind weitere Fragen zu klären. Etwa wofür die Entschädigungssumme im Detail gezahlt wird. „Geht es um den Ausfall einer Klimaanlage und nicht um Verspätung, ist die Fachmeinung relativ einhellig: Die Entschädigungssumme steht dem Mitarbeiter zu, weil er stundenlang schwitzen musste.“

Inwiefern sich nun das persönliche Leid bei übermäßigem Warten oder übermäßiger Hitze unterscheidet, ist nicht nur dem rechtlichen Laien unklar. „Hier wäre eine höchstrichterliche Rechtsprechung wünschenswert“, sagt Ratzesberger. Zumal unklar ist, ob Klauseln, wonach Arbeitnehmer Entschädigungsansprüche an den Arbeitgeber abzuführen haben, überhaupt wirksam sind. „Die EU-Verordnung betont ja eindeutig die persönliche Betroffenheit“, sagt Ratzesberger. Auch das müsste erst einmal ein Gericht klären.

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