Bankgeheimnis vor dem Aus Wohin mit dem Schwarzgeld?

Tausende Deutsche wollen ihr Schwarzgeld aus Steuerparadiesen retten, bevor dort das Bankgeheimnis fällt. Warum Selbstanzeigen beim Finanzamt besser sind als riskante Rettungsmanöver, welche Anwälte im Ernstfall gut beraten.

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Zollkontrolle am Grenzübergang Konstanz: Bargeldfunde häufen sich Quelle: DPA

Es dürfte die wertvollste Stulle sein, die ein Reisender bei einer Fahrt durch die Eifel je als Wegzehrung dabei hatte. Als die Zöllner der Mobilen Kontrollgruppe Bitburg im vergangenen Winter das Auto eines Mannes durchsuchten, der gerade aus Luxemburg kam, entdeckten sie in einer Proviantdose 50.000 Euro Bargeld – eingewickelt in Butterbrotpapier. Im Jackenkragen des 63-Jährigen fanden die Beamten ebenfalls 50.000 Euro; weitere 10.000 Euro steckten in der Falz eines Luxemburger Stadtplans, den die 60-jährige Beifahrerin in einer Aktentasche verstaut hatte.

Immer öfter scheitern Steuersünder bei dem Versuch, geheime Ersparnisse über die Grenze zu transportieren. Im vergangenen Jahr entdeckten deutsche Zöllner bei Bargeldkontrollen 21,4 Millionen Euro – viermal so viel wie im Jahr davor. Allein 5,5 Millionen Euro gingen den Fahndern in der Woche vom 15. bis zum 21. September 2008 ins Netz, als im Rahmen der EU-weiten „Operation Athena“ mehr als 3.000 Beamte auf Autobahnen, an Flughäfen und in Schnellzügen schnüffelten.

Steuerfahndungen werden verschärft

Auch in diesen Wochen schauen die Bargeldkontrolleure ganz genau hin. „Wir vermuten, dass mehr undeklariertes Geld unterwegs ist als sonst“, sagt ein Ermittler. Kein Wunder: In den benachbarten Steueroasen Schweiz, Österreich und Luxemburg wird das Bankgeheimnis bald deutlich aufgeweicht – da versuchen Anleger reihenweise, ihr Schwarzgeld in Sicherheit bringen. Einige entscheiden sich für waghalsige Transporte über die Grenze, andere für nicht minder riskante Tricks, die ihnen Berater ausländischer Banken anpreisen.

Das Ende des Bankgeheimnisses steht kaum noch in Zweifel. Das zeigte spätestens der Auftritt von Hans-Rudolf Merz Ende Juni in Berlin. Der Schweizer Finanzminister bekräftigte auf dem Steuergipfel der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) nicht nur, dass die Schweiz künftig deutlich enger mit ausländischen Steuerfahndern kooperiert. Der 67-Jährige befürwortete zudem Sanktionen gegen unkooperative Steueroasen – wofür er von seinem deutschen Amtskollegen Peer Steinbrück (SPD) prompt ein „großes Kompliment“ erhielt.

Eine Frage der Zeit

Seitdem verhandeln deutsche Spitzenbeamte mit eidgenössischen Emissären über ein Doppelbesteuerungsabkommen, das die neue Auskunftsfreude der Schweizer verbindlich festschreiben soll. Ähnliche Gespräche laufen mit anderen Ländern, darunter Österreich und Luxemburg.

Zwar ist noch nichts unterschrieben, aber das ist offenbar nur noch eine Frage der Zeit, trotz zum Teil heftiger Debatten in den betroffenen Ländern. Kleinere Oasen wie die Cayman Islands, die Bermudas, die Kanalinseln Jersey und Guernsey sowie gerade erst Liechtenstein haben bereits nachgegeben und sich schriftlich verpflichtet, bei Verdacht auf Steuerhinterziehung Bankdaten an deutsche Ermittler zu liefern. Da der internationale Druck hoch bleibt, müssen Hinterzieher damit rechnen, dass es mit der eisernen Diskretion auch in der Schweiz & Co. von 2010 an vorbei ist.

Finanzminister Merz (Schweiz), Steinbrück: 2010 droht das Ende der eisernen Diskretion Quelle: Reuters

Was Deutschland bei den Verhandlungen zugute kommt: Die großen Industriestaaten ziehen an einem Strang. So drohten Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy und der britische Premier Gordon Brown Anfang Juli in einer Erklärung mit Sanktionen gegen Länder, die nicht bis März 2010 Doppelbesteuerungsabkommen mit wenigstens zwölf Ländern unterschrieben haben.

Auch die USA machen weiter kräftig Druck. Das bekommt vor allem die Schweizer Großbank UBS zu spüren: Die US-Regierung hat in Miami Klage eingereicht und will das Institut damit zwingen, Kontodaten von 52.000 US-Bürgern rauszurücken. Die Ermittler glauben, dass die Kunden Steuern hinterzogen haben – mit Unterstützung der UBS. Derzeit wird hinter den Kulissen über einen Vergleich verhandelt, der Prozessauftakt wurde auf den 3. August verschoben. Das US-Justizministerium will einem Vergleich nur zustimmen, wenn die UBS „eine signifikante Zahl“ von Daten liefert. Die Ermittler vermuten, dass US-Bürger 15 Milliarden Dollar auf UBS-Konten versteckt haben.

Die Nervosität nimmt zu

Auch deutsche Anleger bunkern Riesensummen im Ausland. Einer Schätzung der Unternehmensberatung BBW zufolge verstecken sie in der Schweiz 175 Milliarden Euro vor dem Fiskus. In Luxemburg sollen es 85 Milliarden Euro sein, in Österreich 70 Milliarden. Viel Geld also, das Steuerfahnder künftig einfacher aufspüren können. Kein Wunder, dass viele Betroffene verzweifelt nach einer Lösung suchen. „Vor allem die Kunden der schweizerischen und österreichischen Banken sind wegen der anhaltenden Medienberichte über das immer schwächere Bankgeheimnis in diesen Ländern sehr nervös“, sagt Alexander Seibold, Vermögensverwalter aus Gmund am Tegernsee.

Bei Yeald Vermögensmanagement in Nürnberg häufen sich die Anrufe besorgter Anleger mit „unterdrückter Rufnummer, die gern Meier oder Müller heißen“, berichtet Geschäftsführer Stefan Rometsch. Diese Gespräche verliefen immer gleich, „angeblich hat ein ,Bekannter‘ Geld in der Schweiz, was denn wäre, wenn dieser es legal nach Deutschland bringen wolle“, so Rometsch. „Wir dürfen als Vermögensverwalter nicht steuerlich beraten und empfehlen fast immer, dass der ,Bekannte‘ einen auf Steuerfragen spezialisierten Anwalt aufsuchen soll.

Banker raten von Selbstanzeige ab

Viele solcher Anrufer leiten wir an in diesem Bereich erfahrene Partner weiter.“ Ein Genfer Bankier berichtet, der Prozess gegen die UBS in den USA habe „die Nervosität ausländischer Steueroptimierer nochmals geschürt, die ihr Geld am Fiskus vorbei in der Schweiz anlegen“.

Die Nervosität ist berechtigt. Zwar steht kein Dammbruch bevor, die Schweiz & Co. werden voraussichtlich nur auf Anfrage und bei konkretem Verdacht Daten liefern. Doch die Finanzverwaltung arbeitet immer intensiver daran, „im Inland Verdachtsmomente zu generieren“, warnt Steuerstrafrechtler Karsten Randt. So würden Steuererklärungen systematisch auf Ungereimtheiten überprüft – wie niedrige Kapitalerträge trotz hoher Einkünfte.

Das Problem sind die Banker, die für Anleger oft die ersten Ansprechpartner sind – und meist von der Selbstanzeige abraten. Hier wird vonseiten vieler ausländischer Banken offenbar auch mit falschen Horror-Zahlen agiert. „Viele der ausländischen Banker erzählen ihren Kunden, im Falle einer Selbstanzeige seien in der Regel mehr als 50 Prozent des Vermögens weg; solche Zahlen entsprechen aber fast nie der Realität; oft sind es nur 10 bis 15 Prozent“, sagt Rometsch.

Banknoten im Gepäck (zur Vollansicht bitte auf die Grafik klicken)

Am wahrscheinlichsten ist eine Steuernachzahlung in der Größenordnung von 30 Prozent des Vermögens. Und wer sich selbst anzeigt, kommt immerhin ohne zusätzliche Strafe davon. Randt: „Viele wissen nicht, wie gut das Instrument der Selbstanzeige ist, und haben völlig unbegründete Ängste.“

Auslandsbanken raten oft nicht nur ab, sondern legen Anlegern auch Hürden in den Weg, wenn sie ihr Geld abziehen wollen. „Das kann bis zu Strafgebühren von 1000 Euro pro Depot-Position gehen, die von einer Schweizer an eine deutsche Bank oder Vermögensverwaltung übertragen werden soll“, weiß Seibold. „Das ist natürlich juristisch nicht haltbar, zeigt aber, wie sehr die Schweizer Banken um ihre Kundengelder kämpfen.“

Einige Banker suggerieren zudem, dass Anleger den Fiskus weiterhin problemlos austricksen könnten. Ein beliebter Tipp lautet, den Konteninhaber zu verschleiern – etwa indem eine anonyme Offshore-Firma in Panama als offizieller Eigentümer eingetragen wird. Oft kooperieren Banker bei solchen Angeboten mit zwielichtigen Finanzdienstleistern.

Waghalsige Bargeldtransporte sind genauso wenig zu empfehlen wie derartige Verschleierungstaktiken. Die Brotdose an der Luxemburger Grenze zeigt: Kein Versteck ist sicher. Immer wieder erzählen Zöllner mit stolzgeschwellter Brust von Funden in Motorölflaschen, Babystramplern oder Skischuhen.

Eindeutige Rechtslage

Die Rechtslage ist eindeutig: Wer mit mehr als 10.000 Euro aus der Schweiz einreist, muss den Zoll informieren und Angaben zur Herkunft des Geldes machen. Auch Reisende aus EU-Ländern wie Österreich müssen Summen über 10.000 Euro melden, allerdings nur auf Nachfrage.

Medienberichten zufolge versuchen einige Anleger, die Meldepflicht mit österreichischen Ein-Unze-Silbermünzen zu umgehen. Der angebliche Clou: Die Münzen sind offizielles Zahlungsmittel mit einem Nennwert von 1,50 Euro, an dem sich der Zoll trotz des Materialwertes von rund 15 Euro pro Stück orientieren müsse.

„Dass den Zöllnern die Hände gebunden sind, weil der Nennwert unter 10.000 Euro liegt, ist falsch“, sagt Jürgen Wamser von der Bundesfinanzdirektion Süd-Ost. „Natürlich legen die Zöllner den Silberkurs zugrunde.“ Der Nennwert sei zweitrangig, zudem dürfe der Zoll bei Verdacht auf Geldwäsche oder Steuerbetrug „unabhängig von der Summe“ beschlagnahmen.

Die wohl schärfste Waffe der Zöllner ist allerdings eine „Kontrollmitteilung“ ans Finanzamt des Anlegers – sobald diese eintrifft, können Betroffene sicher sein, dass ihre Steuererklärungen der Vorjahre noch mal ganz genau unter die Lupe genommen werden.

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