Bargeldloses Bezahlen Die Geldkarte war eine Wette auf die Raucher

Neue Sparkassenkarten kommen ohne Geldkartenfunktion aus. Quelle: dpa

Bei Verbrauchern konnte sich die Geldkarte nie durchsetzen. Nun wollen Banken und Sparkassen die Prepaid-Funktion der Girocard beerdigen. Warum haben sie für diesen Entschluss 26 Jahre gebraucht?

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Das Ende der Geldkarte ist besiegelt. Banken und Sparkassen wollen sie bis zum Jahr 2024 abschaffen, meldet Euro Kartensysteme, der Dienstleister der Deutschen Kreditwirtschaft für den kartengestützten Zahlungsverkehr. Mit der Geldkartenfunktion ihrer Girocard können Verbraucher bezahlen, wenn sie die Karte vorher mit Guthaben aufgeladen haben, zum Beispiel an einem Geldautomaten oder an speziellen Ladeterminals.

Die Geldkarte, eingeführt 1996, ist dazu gedacht, kleine Beträge zu begleichen. Sie kann mit bis zu 200 Euro aufgeladen werden. Zum Einsatz kam sie bisher etwa an Fahrkartenautomaten im öffentlichen Nahverkehr. Die kontaktlose Variante der Geldkarte mit dem Namen Girogo soll ebenfalls verschwinden. In den kommenden zwei Jahren will die Kreditwirtschaft alle Girokarten mit Geldkarte- und Girogo-Funktion austauschen. Bis dahin können Kunden die Prepaid-Systeme weiterverwenden – jedenfalls dort, wo sie noch akzeptiert werden.

Geldkarte: Transaktionsvolumen unbekannt

Dass das Ende der Geldkarte erst jetzt kommt, ist erstaunlich: Sie dürfte bereits seit Jahren kaum noch genutzt werden. Bereits seit 2014 geht die Zahl der ausgegebenen Girocards mit Geldkarten-Chip zurück. Privatbanken haben sich von der Prepaid-Funktion bereits früh wieder verabschiedet, sagt Hugo Godschalk, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Paysys, das auf den bargeldlosen Zahlungsverkehr spezialisiert ist. Vor allem Sparkassen und Genossenschaftsbanken halten seiner Beobachtung nach noch an der Geldkarte fest.

Im Jahr 2013 waren in Deutschland rund 99 Millionen Geldkarten im Umlauf. 2019 waren es 77 Millionen. Diese Zahl klingt immer noch beeindruckend, sagt aber nichts darüber aus, wie häufig die Geldkartenfunktion tatsächlich zum Einsatz kommt. Zu den Umsätzen durch Bezahltransaktionen veröffentlicht Euro Kartensysteme seit Jahren keine Zahlen mehr. Ältere Daten bis zum Jahr 2012 zeigen eine rückläufige Tendenz. Dass in den vergangenen zehn Jahren die Zahl der Geldkartennutzer noch einmal gestiegen ist, ist unwahrscheinlich. Der Abwärtstrend dürfte sich eher fortgesetzt haben.

Hoffnung der Banken: Die Raucher

Die Geldkarte wurde als „elektronische Geldbörse“ eingeführt, als Kleingeldersatz für unterwegs. „Sie war allerdings nie ein Erfolg“, sagt Godschalk. „Bei den Nutzerzahlen hat man nicht einmal das Worst-Case-Szenario erreicht.“ Die Prepaid-Funktion sei rein angebotsgesteuert gewesen. Die Kreditwirtschaft habe sie für eine gute Idee gehalten – die Verbraucher dagegen weniger. „Eine echte Nachfrage danach gab es nie“, sagt Godschalk. Andere Länder haben ähnliche Bezahlfunktionen bereits vor Jahren beerdigt. „In Deutschland dagegen hat man bis jetzt ein totes Pferd geritten und im Laufe der Jahre Millionen Euro für Marketing verbrannt“, kritisiert der Zahlungsexperte.



Die Hoffnung der Kreditinstitute lag wohl nicht zuletzt auf den Raucherinnen und Rauchern. Die können die Geldkarte nämlich am Zigarettenautomaten dazu nutzen, sich als volljährig auszuweisen. „Man hat versucht, den Erfolg der Geldkarte am Zigarettenautomaten zu erzwingen, durch die Kombination mit einer Altersverifizierung“, sagt Godschalk. Viele Raucher hätten die Karte aber nur als Altersnachweis genutzt – und dann mit Bargeld bezahlt. Die Möglichkeit der Altersverifizierung soll nach dem Ende der Geldkarte bei der Girocard erhalten bleiben.

Als Kleingeldersatz dient heute immer häufiger die Girocard. Sie komme inzwischen auch oft bei Kleinstbeträgen zum Einsatz, heißt es von Euro Kartensysteme. Die Pandemie hat diesen Trend beschleunigt. Aus Sorge vor einer Corona-Ansteckung via Bargeld bitten viele Händler seit Anfang 2020 um kontaktloses Bezahlen per Karte oder Smartphone. Noch vor wenigen Jahren war in Geschäften oft ein Mindesteinkaufswert nötig, um per Karte zahlen zu können. Inzwischen ist eine solche Hürde eher die Ausnahme als die Regel.

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