Beratercheck Was deutsche Kanzleien besser machen

Eine exklusive Unternehmensumfrage der WirtschaftsWoche zeigt: Trotz der fortschreitenden Globalisierung ihrer Geschäfte und dem Vormarsch angelsächsischer Rechtsfirmen vertrauen deutsche Unternehmen am liebsten einheimischen Kanzleien. Vor allem, wenn es hart auf hart kommt. Um die Honorare wird bis aufs Messer gefeilscht.

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Deutschlands meistbeauftragte Kanzleien für Härtefälle
Die Anwälte Matthias Henzten und Daniela Favoccia von der Kanzlei Hengeler MuellerDie Anwälte von Hengeler Mueller landen bei den meistbeauftragten Kanzleien in Härtefällen auf dem vierten Platz mit 13 Prozent der StimmenAnwälte: 228 in Deutschland, davon 82 PartnerStandorte: 6 Standorte weltweit, in Deutschland: Düsseldorf, Frankfurt, Berlin, MünchenUmsatz: 209,7 Millionen Euro Mehr zum kompletten Ranking, den Hintergründen und zur Bezugsquelle für die komplette Studie finden Sie hier.
Anwalt Klaus Stefan Hohenstatt von der Kanzlei FreshfieldsFreshfields erreicht im Ranking Platz drei mit 16 Prozent der StimmenAnwälte: 464 in Deutschland, davon 114 PartnerStandorte: 27 Standorte weltweit, in Deutschland: Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln, MünchenUmsatz: 324 Millionen Euro
Anwalt Tobias Bürgers von der Kanzlei NoerrIm Ranking von WirtschaftsWoche und Faktenkontor liegt die Kanzlei 17 Prozent der Nennungen auf Platz zweiAnwälte: 261 in Deutschland, davon 71 PartnerStandorte: 15 Standorte weltweit, in Deutschland: Berlin, Dresden, Düsseldorf, Frankfurt, MünchenUmsatz: 126,7 Millionen Euro
Foto Rainer Loges

Die Strafe war grundsätzlich nachvollziehbar, die Höhe aber verblüffte selbst Fachleute: Insgesamt 67,5 Millionen Euro sollte das Familienunternehmen Prym bezahlen. Der Vorwurf der EU-Wettbewerbskommission: Mit sechs Wettbewerbern etwa aus Großbritannien und Japan habe der Traditionsbetrieb aus Stolberg bei Aachen jahrelang Mindestpreise und Preiserhöhungen für Reißverschlüsse, Druckknöpfe und Nieten abgesprochen sowie Kunden und Märkte widerrechtlich untereinander aufgeteilt.

Das Bußgeld gegen das Reißverschluss-Kartell – 328 Millionen Euro – zählt zu den höchsten Strafen, die die Behörde je verhängte. Und drängte Prym, 2009 mit 350 Millionen Euro Umsatz und 4000 Mitarbeitern Weltmarktführer für Kurzwaren und mit fast 500 Jahren das älteste deutsche Familienunternehmen, an den Rand des Ruins.

Andreas Engelhardt, seit 2005 und bis vor Kurzem familienfremder Prym-Geschäftsführer, sah nur noch einen Ausweg: Mit sieben Banken schnürte er erst ein millionenschweres Rettungspaket. Und wechselte dann die Anwälte aus: Nachdem die bis dahin beauftragten internationalen Kanzleien zwei Jahre gegen die EU-Kommission nicht mit dem gewünschten Erfolg um eine Reduzierung der Strafe gefochten hatten, übergab Engelhardt das Mandat an die deutsche Sozietät Hengeler Mueller mit ihrem Brüsseler Kartellrechtler Hans-Jörg Niemeyer.

Für die anstehende Restrukturierung holte sich der Manager zudem die Kanzlei Gleiss Lutz an Bord.

Die renommiertesten Rechtsanwaltskanzleien

Die Entscheidung war kein Fehler. Im Mai vergangenen Jahres reduzierte die Kommission – zum ersten Mal in ihrer Geschichte – nachträglich ihr eigenes Bußgeld massiv – und zwar auf 15,5 Millionen Euro. „Der Wechsel hat sich gelohnt“, sagt Ex-Prym-Chef Engelhardt, „Niemeyer hat uns erstklassig beraten.“

Der Fall Prym steht offenbar für einen Trend: Auch wenn die Globalisierung sowohl des eigenen Geschäfts als auch der Anwaltsbranche immer weiter voranschreitet – geht es für deutsche Unternehmen ums Überleben, greifen sie bevorzugt auf deutsche Kanzleien zurück. Zwar ist es gerade für global agierende Unternehmen heute selbstverständlich, für ihr Brot-und-Butter-Geschäft mit angelsächsisch verwurzelten Kanzleien zusammenzuarbeiten.

Doch anders als bei arbeitsrechtlichen Problemen, Streitigkeiten mit Kunden und Lieferanten oder Fragen zum Gewerbemietrecht legen Unternehmen die Messlatte höher, wenn millionenschwere Kartellstrafen drohen, komplizierte Compliance-Fälle zu lösen sind, schwierige Fusionen anstehen oder feindliche Übernahmeversuche abzuwehren sind. Dann kommen nicht automatisch die größten, bekanntesten und umsatzstärksten Kanzleien zum Zuge.

Retter in größter Not

Diese Berufe haben das beste Image
Platz 10: LehrerBei 73 Prozent der Bundesbürger genießen Lehrer und Lehrerinnen ein hohes Ansehen. Das Image dieses Berufs hat sich in den letzten Jahren stark gebessert: Seit der ersten Befragung 2007 stiegen Lehrer um zehn Prozentpunkte in der Achtung der Deutschen. Quelle: dpa
Platz 9: HochschulprofessorenLärmende, überfüllte Hörsäle und unaufmerksame Studenten - sicher kein Job für Jedermann. In der deutschen Bevölkerung haben 74 Prozent eine hohe Meinung von den Dozenten. Quelle: dpa
Platz 8: MüllmännerHarte Arbeit, die viele nicht machen wollen würden: 79 Prozent der Befragten honorieren das mit einem hohen Ansehen des Berufs des Müllmanns. Müllmänner sind sogar die eigentlichen Gewinner des Rankings, denn ihr Ansehen konnten sie seit der ersten Erhebung 2007 um satte 16 Prozentpunkte steigern und sind damit der Top-Aufsteiger. Quelle: ZBSP
Platz 7: RichterWer Recht spricht, kann sich bei 79 Prozent der Bürger eines hohen Ansehens sicher sein. Quelle: dpa
Platz 6: PilotenDie jüngsten Zwischenfälle bei Fluglinien und Enthüllungen über im Cockpit eingeschlafene Piloten dürfte in die Erhebung noch nicht mit eingeflossen sein. Von Piloten haben 83 Prozent der Bürger eine hohe Meinung. Das sind sogar zwei Prozentpunkte mehr als im Vorjahr. Quelle: dpa
Platz 5: PolizistenDie Polizei, den Freund und Helfer - die Ansicht dieses geflügelten Wortes teilen nicht alle Bürger. Doch immerhin bei 86 Prozent der Bevölkerung genießen Polizisten ein hohes Ansehen. Seit der ersten Befragung im Jahr 2007 ist das Ansehen sogar um 8 Prozentpunkte gestiegen. Quelle: dpa
Platz 4: Kita- und KindergartenmitarbeiterDer Volksmund weiß: Kinderliebe Männer sind besonders attraktiv für Frauen. Doch ob Männlein oder Weiblein: Wer sich als Erzieher in Kindertagesstätten oder Kindergärten engagiert, von dem haben 87 Prozent der Deutschen Hochachtung. Quelle: dpa

Oder gar die günstigsten. „Dann findet nämlich gar kein Pitch mehr um das Mandat statt, dazu ist es viel zu eilig“, sagt der Leiter der Rechtsabteilung eines Konzerns in Bayern, der nicht genannt werden möchte. „Dann geht es um Vertrauen, und Handeln ist angesagt.“

Das bestätigt auch eine umfangreiche Studie der WirtschaftsWoche in Zusammenarbeit mit der Kommunikationsagentur Faktenkontor, für die wir die ansonsten wenig redseligen Justiziare der 1500 größten deutschen Unternehmen sowie die 100 größten Banken und Versicherungen befragten. Wir wollten unter anderem wissen: Welche der 50 größten in Deutschland tätigen Kanzleien haben den besten Ruf? Welche beauftragen sie am häufigsten? Welche würden sie anderen Unternehmen empfehlen? Womit sind Unternehmen in der Zusammenarbeit mit Anwälten unzufrieden? Wie hoch sind die Honorare? Und vor allem: Wen beauftragen sie als Retter in größter Not?

Die komplette Studie "Rechtsanwaltskanzleien - was sie leisten, was sie kosten" gibt es im WiWo-Shop oder auf Bestellung an info@faktenkontor.de. Preis: 1490,- Euro plus MwSt.

Das überraschende Ergebnis: Obwohl Kanzlei-Verbünde aus Großbritannien und den USA seit Jahren aggressiv auf den lukrativen deutschen Markt drängen, können sich hiesige Sozietäten bestens gegen die angelsächsische Konkurrenz behaupten. Zwar wollten die Unternehmen nur unter Zusicherung absoluter Anonymität an der Umfrage teilnehmen. Doch unter dem Mantel der Verschwiegenheit fielen auf Nachfrage immer wieder Ausdrücke wie Vertrauen, sogar Geborgenheit, dass es am Ende des Tages menschele und die Chemie zwischen Entscheidern und Anwälten passen müsse.

Bedürfnisse, die deutsche Kanzleien offenbar besonders gut befriedigen, wenn es hart auf hart kommt: Obwohl sie, gemessen am Umsatz, deutlich hinter angelsächsischen Konkurrenten wie Marktführer Freshfields liegen, landete auf dem ersten Platz die Stuttgarter Kanzlei Gleiss Lutz, die schon für Ferrostaal und die Hypo Real Estate die Kohlen aus dem Feuer holte, gefolgt von Noerr aus München, zu deren Kunden der Chemiekonzern Fresenius gehört. Nach der britischen Kanzlei Freshfields, die unter anderem BP und ThyssenKrupp betreut, folgt mit Hengeler Mueller aus Düsseldorf schon die nächste rein deutsche Kanzlei auf Platz vier.

Deutschlands meistbeauftragte Kanzleien für Härtefälle

Auch ein Erfolg der Standhaftigkeit: Während in den vergangenen 20 Jahren zahlreiche ursprünglich deutsche Kanzleien mit angelsächsischen Großkanzleien fusionierten, blieben Gleiss, Noerr oder Hengeler lieber eigenständig. Der Grund: die Unternehmenskultur. „Wir verstehen uns als echte Partnerschaft“ , sagen unisono Hengelers Managing-Partnerin Daniela Favoccia wie Gleiss-Chef Rainer Loges oder Noerr-Managing-Partner Tobias Bürgers. Als ein Team, wo niemand nur deshalb rausgeworfen werde, weil er ein weniger rentables oder kurzfristig weniger lukratives Rechtsgebiet bearbeite.

Full-Service-Kanzleien

Diese Berufe haben das mieseste Image
Platz 10: EDV-SachbearbeiterHinterm PC-Bildschirm versinken, Zahlenkolonnen tippen, Daten pflegen - der Beruf des EDV-Sachbearbeiters klingt schon nicht besonders spannend. Das Image: Bei 41 Prozent der Bürger steht die Berufsgruppe hoch im Ansehen. Quelle: Fotolia
Platz 9: BankangestellterBeratungsskandale bei Banken und verjubelte Millionen der Anleger sorgten für Negativ-Schlagzeilen. Banker und Kunden sprechen wohl oft nicht die gleiche Sprache. 36 Prozent der Befragten haben von Bankangestellten eine hohe Meinung. Noch schlechter war der Wert vor zwei Jahren, damals lag er bei 32 Prozent. Quelle: dpa
Platz 8: BeamteDer Stereotyp des Beamten kommt bei den Bundesbürgern nicht gut weg: Beamte gelten als der Inbegriff der Langsamkeit und Faulheit. Anerkennung für diesen Beruf haben nur 36 Prozent der Deutschen übrig. Quelle: dpa
Platz 7: SteuerbeamteWer liebt schon sein Finanzamt? Höchstens, wenn es nach der Steuererklärung mal was zurück gibt. 32 Prozent der Bürger hat eine hohe Meinung von Steuerbeamten. Steuerberater stehen indes etwas besser da: Sie kommen immerhin auf 43 Prozent. Quelle: dpa
Platz 6: Gewerkschaftsfunktionär30 Prozent der Befragten zollt Gewerkschaftsfunktionären Respekt. Streiks tragen wohl dazu bei, dass die Gewerkschaften in der Gunst der Bürger nicht gerade hoch angesiedelt sind. Quelle: dpa
Platz 5: ManagerDesignerklamotten, dicke Autos und mit dem Geld nur so um sich werfen: Der Beruf des Managers hat kein gutes Image. 29 Prozent der Deutschen haben etwas für Manager übrig. Die Berufsgruppe ist der größte Verlierer des Rankings: Seit Beginn der Befragung 2007 rauschte das Ansehen der Manager um acht Prozentpunkte nach unten. Quelle: dpa
Platz 4: PolitikerDas dürfte unsere Kanzlerin nicht freuen: Nur 19 Prozent der Deutschen haben eine hohe Meinung vom Beruf des Politikers. Quelle: dpa

So wurden sie zwar in der Riege der Top-Kanzleien bald zu Exoten, blieben von den Einflüssen der angelsächsischen Kanzleien aber frei. Und entwickelten sich aus eigener Kraft zu international tätigen Law Firms mit Hunderten Anwälten in aller Welt, ohne sich den Spielregeln von Zentralen in London oder New York unterordnen zu müssen – zum Wohle ihrer deutschen Unternehmenskunden: Wenn den angelsächsischen Zentralen etwa ein Fachgebiet oder ein Standort kurzfristig nicht profitabel genug erscheint, streichen sie beides schon mal kurzerhand.

Die britische Kanzlei Linklaters etwa verabschiedete sich vor wenigen Jahren nicht nur kurzerhand aus der Markenverwaltung. Sondern sie schloss ihr Kölner Büro und startete in Düsseldorf – nicht nur zur Überraschung ihrer deutschen Kunden.

„Wenn Rechtsgebiete kurzfristig mal weniger einspielen, reagieren die angelsächsischen Kanzleien schnell mit dem Rotstift – ob ein Bereich langfristig wieder profitabel sein könnte, interessiert sie in dem Moment nicht“, sagt ein Unternehmensjustiziar, der einer angelsächsischen Kanzlei nach einem entsprechenden Vorfall den Rücken kehrte.

Was Unternehmen an der Arbeit ihrer Kanzleien kritisieren

Auch das könnte ein Grund sein, warum die Unternehmen die sogenannten Full-Service-Kanzleien Gleiss und Noerr bei der WirtschaftsWoche-Umfrage nach Kanzleien für den Härtefall favorisieren. Um Kunden mittelfristig bei der Stange zu halten, ziehen deutsche Kanzleien nämlich schon mal ein Rechtsgebiet mit durch, auch wenn es nicht so profitabel ist.

Das gilt auch für die Anwälte selbst: Während die Angelsachsen Partner gnadenlos aussieben, sobald diese nicht mehr ganz so profitabel arbeiten, bleiben sie bei deutschen Kanzleien auch dann erst mal an Bord. Das hilft nicht nur dem Betriebsklima – es wahrt auch das Vertrauen ihrer Mandanten. „Das interne eifersüchtige Hickhack in manchen Kanzleien nervt die Mandanten“, erzählt ein Insider. „Da arbeiten Seilschaften zusammen, es wird Herrschaftswissen gebunkert und schon mal eine E-Mail zurückgehalten, um einen Kollegen aus dem Partnerkreis auszutricksen.“

Vorteil Deutschland heißt es aus Kundensicht auch, wenn es ans Bezahlen geht: „Angelsächsische Kanzleien haben oft schwindelerregende Honorarsätze“, sagt Thomas Ochs, CIO bei Villeroy & Boch.

Minutiöse Abrechnung

So kommt eine minutiöse Abrechnungspraxis zustande – und das ist in manchen Fällen durchaus wörtlich zu nehmen. Nicht nur, dass sich eine Abrechnung im Viertelstundentakt oder gar im Sechs-Minuten-Rhythmus in der Branche eingebürgert hat. Wer will, kann es auf die Minute haben. Und wenn Anwälte für ihre Kunden etwa bei zähen Fusionsverhandlungen eine Nachtschicht einlegen und am nächsten Morgen ein neues Hemd kaufen, kann es bei renommierten New Yorker Kanzleien passieren, dass sie die Quittung für das neue Oberteil auf die Rechnung setzen.

Manche Kanzleien haben zudem nach ihren Fusionen keinen Freiraum mehr, den Unternehmen individuelle Honorarkonstruktionen anzubieten. „Ihre strikten Vorgaben lassen oft keine attraktive Lösung mehr zu“, sagt Kai Hollensteiner, Justiziar des Solaranlagenherstellers Conergy, der gerade zu Xing wechselt. Für ihn bedeutete der strikte Kurs das Ende der Zusammenarbeit mit dem deutschen Arm der US-Kanzlei Latham & Watkins – obwohl dort, so Hollensteiner, „tolle, kreative Anwälte“ arbeiteten.

Eat what you kill

Wo es die fleißigsten und die frustriertesten Mitarbeiter gibt
Platz 1: Indien Quelle: AP
Platz 2: Brasilien Quelle: dpa
Platz 3: Türkei Quelle: dpa
Wackelkandidat China Quelle: dpa
Mittelmaß Deutschland Quelle: dpa
Hintere Plätze Quelle: dpa/dpaweb
... Japan und Frankreich, jeweils mit einem Engagement-Wert von weniger als 50 Prozent. „Eine der Ursachen könnten in diesen Ländern noch die Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise sein“, sagt Kienbaum-Berater Pfau. Quelle: dpa

Die Crux: Qua Vorgabe aus der US-Zentrale musste das Hamburger Büro Hollensteiners Honorarangebot ablehnen.

Selbst die Art, wie Kanzleien unter den Partnern ihre Gewinne aufteilen, schlägt auf die Beziehung zu den Mandanten unmittelbar durch: In deutschen Kanzleien wird meist der Gewinn durch die Partner geteilt, im angelsächsischen System orientiert sich der Gewinn des Einzelnen an seinem individuellen Umsatz. Im brachialen Branchenjargon heißt das: Eat what you kill – frei übersetzt etwa so viel wie „Mandanten, die du erlegt hast, gehören dir“.

Dieses Selbstverständnis lässt nicht nur die Sprache verrohen – es macht Partner innerhalb der Kanzlei zu erbitterten Konkurrenten. Statt sich in ihrer Arbeit zu unterstützen, drängeln sie sich in Aufträge ihrer Kollegen hinein oder booten sogar die eigenen Kollegen aus. Das Fazit eines Insiders: „Das angelsächsische Honorarverteilungssystem schadet den Mandanten.“ Denn: „Dabei kann ein Kunde nicht sicher sein, ob er den besten Partner einer Sozietät für sein Problem bekommt, weil es sich kein Partner leisten kann, Mandanten und Fälle an andere Partner weiterzureichen – selbst wenn sie kompetenter sind.“ Im Klartext: Er würde Geld verlieren.

Hinzu kommt: Weil britische und amerikanische Kanzleien viel mehr angestellte Anwälte an Bord haben, rücken sie ihren Kunden gern mit Zehn-Mann-Teams auf die Pelle. Leerzeiten ihrer hoch bezahlten Top-Juristen können sie sich nicht leisten, also müssen alle möglichst ständig beschäftigt sein. Auf einen Partner kommen im Schnitt fünf angestellte Anwälte, die den Fall letztlich abarbeiten. Bei deutschen Kanzleien sind es in der Regel nur zwei.

„Man hat öfter den Eindruck, dem angelsächsischen Kanzleinachwuchs die Ausbildung zu zahlen“, so ein Konzern-Justiziar, der zuweilen vergeblich darauf pocht, einen Partner zu Gesicht zu bekommen. „Nach der Akquise machen die sich rar.“

Verständlich, dass sich laut Umfrage 20 Prozent der Unternehmen ärgern, wenn die Chefbehandlung nur noch bei jeder dritten Visite stattfindet.

Wie Unternehmen Anwaltsmandate vergeben

Und um das Mandat zu bekommen – etwa um sich mit dem Namen des Klienten auf der Referenzliste schmücken zu können –, jagen manche in Pitches der Konkurrenz mit Dumpingpreisen die Kunden ab. Immerhin monierte jedes dritte der befragten Unternehmen, dass Anwälte Mandate aufblähen, um ihr unter den Selbstkosten abgegebenes Billigangebot auszugleichen – und so wieder auf ihre erst erhofften und intern kalkulierten Summen zu kommen.

Eine britische Kanzlei etwa, klagt der Chefjustiziar eines Berliner Immobilieninvestors, habe ein auf 215.000 Euro veranschlagtes Honorar ohne Vorwarnung am Ende auf 250.000 Euro hochgeschraubt. Der Grund: Weil in der auf Fusionen spezialisierten Abteilung der Kanzlei mangels Übernahmen gerade Flaute war, setzte sie andere Anwälte kurzerhand wie unnötigerweise gleich mit an den Fall. Und als die kanzleiinternen Richtlinien keinen Nachlass zuließen, verlor sie den Mandanten.

Jährliche Flatrate

Das A bis Z der unsinnigsten Regelungen
Aufbewahrungsfrist Quelle: vision photos/R.Klostermeier
B - Bananenmarktordnung der EU: Wie müssen Bananen aussehen? Eine Banane ist nur dann für EU-Bürger geeignet, wenn sie mindestens 14 Zentimeter lang und 2,7 Zentimeter dick ist, sie darf keine Beschädigungen aufweisen und noch nicht gereift sein, schließlich muss sie noch transportiert werden können und nachreifen. Diese Verordnung gibt es seit 1993 - ursprüngliches Ziel: In der EU produzierte Bananen gegenüber Importen aus Mittel- und Südamerika konkurrenzfähig zu machen und zu halten. Damit nicht genug: Weil Qualitätsanforderungen nicht genügten, um die Bananen konkurrenzfähig zu machen wurde eben diese Verordnung eingeführt. Seit dem gibt es drei Arten von Bananen, die, die direkt aus einem EU-Staat kommen, solche, die in Afrika, der Karibik oder dem Pazifikraum angebaut werden und Bananen aus allen anderen Anbaugebieten. Je nach Herkunft werden unterschiedliche Einfuhrzölle erhoben - zumindest für die Bananen aus Übersee. Quelle: AP
Corporate Social Responsibility-Katalog Quelle: dpa
Dienstwagenbesteuerung Quelle: ullstein bild
E-Bilanz-Pflichtangaben Quelle: ap
Fachkräfte-Visaantragsprozess Quelle: ap
Gelangensbestätigung Quelle: dpa

Offenbar kein Einzelfall: Beklagen doch 57 Prozent der befragten Unternehmen in der WirtschaftsWoche-Umfrage, dass die Kosten der Kanzleien nicht planbar sind.

Um Tricksereien der Anwälte vorzubeugen, haben viele Unternehmen in den vergangenen Jahren schlagkräftige Gegenstrategien entwickelt, um den Stundenhonoraren der Kanzleien – je nach Fachgebiet und Erfahrung des Anwalts können sie zwischen 200 und 600 Euro betragen – zu begegnen. Manche bauen Obergrenzen ein, vereinbaren Pauschalen oder lassen sich monatliche Abrechnungen von den Kanzleien erstellen. Lufthansa etwa beschäftigt seit Jahren nicht nur den US-Dienstleister Legalbill allein zur Überprüfung und Kürzung der Kanzleirechnungen. Die Airline hat ein Handbuch, in dem sie ihren Kanzleien weltweit Details zu ihren Rechnungen vorschreibt.

Wer über die Mandatsvergabe in Unternehmen entscheidet

Andere haben nur Richtlinien. Dann sind Bahnfahrten nur zweiter Klasse erlaubt, dürfen Reisezeiten nur zur Hälfte abgerechnet werden und interne Gespräche mit Kollegen über die Fälle gar nicht.

So ärgerte sich der Chefsyndikus eines Pfälzer Konzerns über eine dreiste angelsächsische Kanzlei in Moskau, die ihm Gespräche zwischen den Partnern berechnete. Als er das monierte, rief man eine Partnerversammlung zusammen, um über die Beanstandung zu konferieren – und berechnete ihm auch noch diese Stunden.

Um vor solchen Überraschungen gefeit zu sein, hat Conergy-Chefjustiziar Hollensteiner mit einer der von ihm beauftragten Kanzleien eine Jahrespauschale vereinbart – eine Flatrate für die Beratung rund um die Hauptversammlung, den Jahresabschluss und die Ad-hoc-Fragen. Hollensteiners Credo: „Die Kanzlei, die fünf Prozent schlechter ist als eine andere, aber 30 Prozent billiger, bekommt den Zuschlag.“

Um die Anwaltskosten besser im Blick zu behalten, sitzen bei den Präsentationen der Kanzleien laut Umfrage in jedem fünften Unternehmen heute auch Vertreter der Einkaufsabteilungen mit am Tisch. Ihr Ziel: die Anwälte herunterzuhandeln. Peter Attin, Geschäftsführer beim Lkw- und Bus-Vertrieb der MAN Deutschland, schwört auf die „spezielle Verhandlungserfahrung“ seiner Einkäufer. „Die fragen anders, kennen die Schwachstellen der anderen Seite.“

Mit Erfolg: Jedes siebte Unternehmen senkt mithilfe der Einkäufer den Preis um 23 Prozent, so die WirtschaftsWoche-Umfrage. Und manchmal schachern die Unternehmensjuristen selbst besser: Bei vier Prozent der befragten Unternehmen drückten jene die Honorarforderungen der Anwälte um bis zu 39 Prozent.

Nicht immer nur zu ihrem Vorteil: „Unternehmen, die ihre Anwaltskosten zu sehr nach unten verhandeln, werden dann eben entsprechend behandelt“, sagt ein Beobachter. „Nicht mehr erst-, sondern nur noch drittklassig.“

Dann habe, wie es ein Top-Jurist hinter vorgehaltener Hand gelassen ausspricht, „die Stunde eben nur noch 45 Minuten – oder ich denke einfach etwas langsamer.“

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