Die Strafe war grundsätzlich nachvollziehbar, die Höhe aber verblüffte selbst Fachleute: Insgesamt 67,5 Millionen Euro sollte das Familienunternehmen Prym bezahlen. Der Vorwurf der EU-Wettbewerbskommission: Mit sechs Wettbewerbern etwa aus Großbritannien und Japan habe der Traditionsbetrieb aus Stolberg bei Aachen jahrelang Mindestpreise und Preiserhöhungen für Reißverschlüsse, Druckknöpfe und Nieten abgesprochen sowie Kunden und Märkte widerrechtlich untereinander aufgeteilt.
Das Bußgeld gegen das Reißverschluss-Kartell – 328 Millionen Euro – zählt zu den höchsten Strafen, die die Behörde je verhängte. Und drängte Prym, 2009 mit 350 Millionen Euro Umsatz und 4000 Mitarbeitern Weltmarktführer für Kurzwaren und mit fast 500 Jahren das älteste deutsche Familienunternehmen, an den Rand des Ruins.
Andreas Engelhardt, seit 2005 und bis vor Kurzem familienfremder Prym-Geschäftsführer, sah nur noch einen Ausweg: Mit sieben Banken schnürte er erst ein millionenschweres Rettungspaket. Und wechselte dann die Anwälte aus: Nachdem die bis dahin beauftragten internationalen Kanzleien zwei Jahre gegen die EU-Kommission nicht mit dem gewünschten Erfolg um eine Reduzierung der Strafe gefochten hatten, übergab Engelhardt das Mandat an die deutsche Sozietät Hengeler Mueller mit ihrem Brüsseler Kartellrechtler Hans-Jörg Niemeyer.
Für die anstehende Restrukturierung holte sich der Manager zudem die Kanzlei Gleiss Lutz an Bord.
Die renommiertesten Rechtsanwaltskanzleien
Hengeler Mueller Schulnote*: 1,7
Gleiss Lutz Schulnote: 1,7
Freshfields Bruckhaus Deringer Schulnote: 1,9
Flick Gocke Schaumburg Schulnote: 1,9
Cleary Gottlieb Steen & Hamilton Schulnote: 1.9
*Umfrage: "Wie beurteilen Sie das Renommee dieser Kanzleien?" nach Schulnoten (1-6); Quelle: WirtschaftsWoche/Faktenkontor 2012
Linklaters Schulnote: 2,0
Clifford Chance Schulnote: 2,0
CMS Hasche Sigle Schulnote: 2,0
Allen & Overy Schulnote: 2,1
Noerr Schulnote: 2,1
SJ Berwin Schulnote: 2,1
Baker & McKenzie Schulnote: 2,1
Orrick Hölters & Elsing Schulnote: 2,1
Pluta Schulnote: 2,2
White & Case Schulnote: 2,2
Beiten Burkhardt Schulnote: 2,2
Shearman & Sterling Schulnote: 2,2
Bird & Bird Schulnote: 2,3
DLA Piper Schulnote: 2,3
Hogan Lovells Schulnote: 2,3
Taylor Wessing Schulnote: 2,3
Latham & Watkins Schulnote: 2,3
Mayer Brown Schulnote: 2,4
WilmerHale Schulnote: 2,4
Heuking Kühn Lüer Wojtek Schulnote: 2,4
Kapellmann und Partner Schulnote: 2,4
Graf von Westphalen Schulnote: 2,4
Heisse Kursawe Eversheds Schulnote: 2,5
Osborne Clarke Schulnote: 2,5
Luther Schulnote: 2,5
Schultze & Braun Schulnote: 2,5
Weil Gotshal & Manges Schulnote: 2,5
Heussen Schulnote: 2,6
FPS Fritze Wicke Seelig Schulnote: 2,6
Ashurst Schulnote: 2,6
Skadden Arps Slate Meagher & Flom Schulnote: 2,6
P+P Pöllath + Partners Schulnote: 2,6
Jones Day Schulnote: 2,7
Norton Rose Schulnote: 2,7
Görg Schulnote: 2,7
GSK Stockmann + Kollegen Schulnote: 2,7
KPMG Law Schulnote: 2,7
Rödl & Partner Schulnote: 2,7
CBH Rechtsanwälte Schulnote: 2,8
PricewaterhouseCoopers Legal Schulnote: 2,8
SKW Schwarz Schulnote: 2,9
Salans Schulnote: 2,9
Raupach & Wollert-Elmendorff Schulnote: 3,1
Buse Heberer Fromm Schulnote: 3,2
Göhmann Schulnote: 3,2
Die Entscheidung war kein Fehler. Im Mai vergangenen Jahres reduzierte die Kommission – zum ersten Mal in ihrer Geschichte – nachträglich ihr eigenes Bußgeld massiv – und zwar auf 15,5 Millionen Euro. „Der Wechsel hat sich gelohnt“, sagt Ex-Prym-Chef Engelhardt, „Niemeyer hat uns erstklassig beraten.“
Der Fall Prym steht offenbar für einen Trend: Auch wenn die Globalisierung sowohl des eigenen Geschäfts als auch der Anwaltsbranche immer weiter voranschreitet – geht es für deutsche Unternehmen ums Überleben, greifen sie bevorzugt auf deutsche Kanzleien zurück. Zwar ist es gerade für global agierende Unternehmen heute selbstverständlich, für ihr Brot-und-Butter-Geschäft mit angelsächsisch verwurzelten Kanzleien zusammenzuarbeiten.
Doch anders als bei arbeitsrechtlichen Problemen, Streitigkeiten mit Kunden und Lieferanten oder Fragen zum Gewerbemietrecht legen Unternehmen die Messlatte höher, wenn millionenschwere Kartellstrafen drohen, komplizierte Compliance-Fälle zu lösen sind, schwierige Fusionen anstehen oder feindliche Übernahmeversuche abzuwehren sind. Dann kommen nicht automatisch die größten, bekanntesten und umsatzstärksten Kanzleien zum Zuge.
Retter in größter Not
Oder gar die günstigsten. „Dann findet nämlich gar kein Pitch mehr um das Mandat statt, dazu ist es viel zu eilig“, sagt der Leiter der Rechtsabteilung eines Konzerns in Bayern, der nicht genannt werden möchte. „Dann geht es um Vertrauen, und Handeln ist angesagt.“
Das bestätigt auch eine umfangreiche Studie der WirtschaftsWoche in Zusammenarbeit mit der Kommunikationsagentur Faktenkontor, für die wir die ansonsten wenig redseligen Justiziare der 1500 größten deutschen Unternehmen sowie die 100 größten Banken und Versicherungen befragten. Wir wollten unter anderem wissen: Welche der 50 größten in Deutschland tätigen Kanzleien haben den besten Ruf? Welche beauftragen sie am häufigsten? Welche würden sie anderen Unternehmen empfehlen? Womit sind Unternehmen in der Zusammenarbeit mit Anwälten unzufrieden? Wie hoch sind die Honorare? Und vor allem: Wen beauftragen sie als Retter in größter Not?
Das überraschende Ergebnis: Obwohl Kanzlei-Verbünde aus Großbritannien und den USA seit Jahren aggressiv auf den lukrativen deutschen Markt drängen, können sich hiesige Sozietäten bestens gegen die angelsächsische Konkurrenz behaupten. Zwar wollten die Unternehmen nur unter Zusicherung absoluter Anonymität an der Umfrage teilnehmen. Doch unter dem Mantel der Verschwiegenheit fielen auf Nachfrage immer wieder Ausdrücke wie Vertrauen, sogar Geborgenheit, dass es am Ende des Tages menschele und die Chemie zwischen Entscheidern und Anwälten passen müsse.
Bedürfnisse, die deutsche Kanzleien offenbar besonders gut befriedigen, wenn es hart auf hart kommt: Obwohl sie, gemessen am Umsatz, deutlich hinter angelsächsischen Konkurrenten wie Marktführer Freshfields liegen, landete auf dem ersten Platz die Stuttgarter Kanzlei Gleiss Lutz, die schon für Ferrostaal und die Hypo Real Estate die Kohlen aus dem Feuer holte, gefolgt von Noerr aus München, zu deren Kunden der Chemiekonzern Fresenius gehört. Nach der britischen Kanzlei Freshfields, die unter anderem BP und ThyssenKrupp betreut, folgt mit Hengeler Mueller aus Düsseldorf schon die nächste rein deutsche Kanzlei auf Platz vier.
Deutschlands meistbeauftragte Kanzleien für Härtefälle
Gleiss Lutz Prozent*: 21
Noerr Prozent: 17
Freshfields Bruckhaus Deringer Prozent: 16
Hengeler Mueller Prozent: 13
* Angaben in Prozent auf die Frage: "Wen würden Sie in Notsituationen beauftragen?"; Quelle: WirtschaftsWoche/Faktenkontor 2012
Clifford Chance Prozent: 11
CMS Hasche Sigle Prozent: 11
Linklaters Prozent: 11
Beiten Burkhardt Prozent: 9
DLA Piper Prozent: 6
White & Case Prozent: 6
Hogan Lovells Prozent: 4
Osborne Clarke Prozent: 4
Allen & Overy Prozent: 3
Baker & McKenzie Prozent: 3
Cleary Gottlieb Steen & Hamilton Prozent: 3
Flick Gocke Schaumburg Prozent: 3
Heuking Kühn Lüer Wojtek Prozent: 3
Jones Day Prozent: 3
Shearman & Sterling Prozent: 3
Taylor Wessing Prozent: 3
Görg Prozent: 2
Graf von Westphalen Prozent:2
KPMG Law Prozent: 2
Latham & Watkins Prozent: 2
Luther Prozent: 2
PricewaterhouseCoopers Legal Prozent: 2
WilmerHale Prozent: 2
CBH Rechtsanwälte Prozent: 1
FPS Fritze Wicke Seelig Prozent: 1
Göhmann Prozent: 1
Heisse Kursawe Eversheds Prozent: 1
Kapellmann und Partner Prozent: 1
Mayer Brown Prozent: 1
Norton Rose Prozent: 1
Orrick Hölters & Elsing Prozent: 1
P+P Pöllath + Partners Prozent: 1
Rödl & Partner Prozent: 1
SJ Berwin Prozent: 1
Weil Gotshal & Manges Prozent: 1
Ashurst Prozent: -
Bird & Bird Prozent: -
Buse Heberer Fromm Prozent: -
GSK Stockmann + Kollegen Prozent: -
Heussen Prozent: -
Pluta Prozent: -
Raupach & Wollert-Elmendorff Prozent: -
Salans Prozent: -
Schultze & Braun Prozent: -
Skadden Arps Slate Meagher & Flom Prozent: -
SKW Schwarz Prozent: -
Auch ein Erfolg der Standhaftigkeit: Während in den vergangenen 20 Jahren zahlreiche ursprünglich deutsche Kanzleien mit angelsächsischen Großkanzleien fusionierten, blieben Gleiss, Noerr oder Hengeler lieber eigenständig. Der Grund: die Unternehmenskultur. „Wir verstehen uns als echte Partnerschaft“ , sagen unisono Hengelers Managing-Partnerin Daniela Favoccia wie Gleiss-Chef Rainer Loges oder Noerr-Managing-Partner Tobias Bürgers. Als ein Team, wo niemand nur deshalb rausgeworfen werde, weil er ein weniger rentables oder kurzfristig weniger lukratives Rechtsgebiet bearbeite.
Full-Service-Kanzleien
So wurden sie zwar in der Riege der Top-Kanzleien bald zu Exoten, blieben von den Einflüssen der angelsächsischen Kanzleien aber frei. Und entwickelten sich aus eigener Kraft zu international tätigen Law Firms mit Hunderten Anwälten in aller Welt, ohne sich den Spielregeln von Zentralen in London oder New York unterordnen zu müssen – zum Wohle ihrer deutschen Unternehmenskunden: Wenn den angelsächsischen Zentralen etwa ein Fachgebiet oder ein Standort kurzfristig nicht profitabel genug erscheint, streichen sie beides schon mal kurzerhand.
Die britische Kanzlei Linklaters etwa verabschiedete sich vor wenigen Jahren nicht nur kurzerhand aus der Markenverwaltung. Sondern sie schloss ihr Kölner Büro und startete in Düsseldorf – nicht nur zur Überraschung ihrer deutschen Kunden.
„Wenn Rechtsgebiete kurzfristig mal weniger einspielen, reagieren die angelsächsischen Kanzleien schnell mit dem Rotstift – ob ein Bereich langfristig wieder profitabel sein könnte, interessiert sie in dem Moment nicht“, sagt ein Unternehmensjustiziar, der einer angelsächsischen Kanzlei nach einem entsprechenden Vorfall den Rücken kehrte.
Auch das könnte ein Grund sein, warum die Unternehmen die sogenannten Full-Service-Kanzleien Gleiss und Noerr bei der WirtschaftsWoche-Umfrage nach Kanzleien für den Härtefall favorisieren. Um Kunden mittelfristig bei der Stange zu halten, ziehen deutsche Kanzleien nämlich schon mal ein Rechtsgebiet mit durch, auch wenn es nicht so profitabel ist.
Das gilt auch für die Anwälte selbst: Während die Angelsachsen Partner gnadenlos aussieben, sobald diese nicht mehr ganz so profitabel arbeiten, bleiben sie bei deutschen Kanzleien auch dann erst mal an Bord. Das hilft nicht nur dem Betriebsklima – es wahrt auch das Vertrauen ihrer Mandanten. „Das interne eifersüchtige Hickhack in manchen Kanzleien nervt die Mandanten“, erzählt ein Insider. „Da arbeiten Seilschaften zusammen, es wird Herrschaftswissen gebunkert und schon mal eine E-Mail zurückgehalten, um einen Kollegen aus dem Partnerkreis auszutricksen.“
Vorteil Deutschland heißt es aus Kundensicht auch, wenn es ans Bezahlen geht: „Angelsächsische Kanzleien haben oft schwindelerregende Honorarsätze“, sagt Thomas Ochs, CIO bei Villeroy & Boch.
Minutiöse Abrechnung
So kommt eine minutiöse Abrechnungspraxis zustande – und das ist in manchen Fällen durchaus wörtlich zu nehmen. Nicht nur, dass sich eine Abrechnung im Viertelstundentakt oder gar im Sechs-Minuten-Rhythmus in der Branche eingebürgert hat. Wer will, kann es auf die Minute haben. Und wenn Anwälte für ihre Kunden etwa bei zähen Fusionsverhandlungen eine Nachtschicht einlegen und am nächsten Morgen ein neues Hemd kaufen, kann es bei renommierten New Yorker Kanzleien passieren, dass sie die Quittung für das neue Oberteil auf die Rechnung setzen.
Manche Kanzleien haben zudem nach ihren Fusionen keinen Freiraum mehr, den Unternehmen individuelle Honorarkonstruktionen anzubieten. „Ihre strikten Vorgaben lassen oft keine attraktive Lösung mehr zu“, sagt Kai Hollensteiner, Justiziar des Solaranlagenherstellers Conergy, der gerade zu Xing wechselt. Für ihn bedeutete der strikte Kurs das Ende der Zusammenarbeit mit dem deutschen Arm der US-Kanzlei Latham & Watkins – obwohl dort, so Hollensteiner, „tolle, kreative Anwälte“ arbeiteten.
Eat what you kill
Die Crux: Qua Vorgabe aus der US-Zentrale musste das Hamburger Büro Hollensteiners Honorarangebot ablehnen.
Selbst die Art, wie Kanzleien unter den Partnern ihre Gewinne aufteilen, schlägt auf die Beziehung zu den Mandanten unmittelbar durch: In deutschen Kanzleien wird meist der Gewinn durch die Partner geteilt, im angelsächsischen System orientiert sich der Gewinn des Einzelnen an seinem individuellen Umsatz. Im brachialen Branchenjargon heißt das: Eat what you kill – frei übersetzt etwa so viel wie „Mandanten, die du erlegt hast, gehören dir“.
Dieses Selbstverständnis lässt nicht nur die Sprache verrohen – es macht Partner innerhalb der Kanzlei zu erbitterten Konkurrenten. Statt sich in ihrer Arbeit zu unterstützen, drängeln sie sich in Aufträge ihrer Kollegen hinein oder booten sogar die eigenen Kollegen aus. Das Fazit eines Insiders: „Das angelsächsische Honorarverteilungssystem schadet den Mandanten.“ Denn: „Dabei kann ein Kunde nicht sicher sein, ob er den besten Partner einer Sozietät für sein Problem bekommt, weil es sich kein Partner leisten kann, Mandanten und Fälle an andere Partner weiterzureichen – selbst wenn sie kompetenter sind.“ Im Klartext: Er würde Geld verlieren.
Hinzu kommt: Weil britische und amerikanische Kanzleien viel mehr angestellte Anwälte an Bord haben, rücken sie ihren Kunden gern mit Zehn-Mann-Teams auf die Pelle. Leerzeiten ihrer hoch bezahlten Top-Juristen können sie sich nicht leisten, also müssen alle möglichst ständig beschäftigt sein. Auf einen Partner kommen im Schnitt fünf angestellte Anwälte, die den Fall letztlich abarbeiten. Bei deutschen Kanzleien sind es in der Regel nur zwei.
„Man hat öfter den Eindruck, dem angelsächsischen Kanzleinachwuchs die Ausbildung zu zahlen“, so ein Konzern-Justiziar, der zuweilen vergeblich darauf pocht, einen Partner zu Gesicht zu bekommen. „Nach der Akquise machen die sich rar.“
Verständlich, dass sich laut Umfrage 20 Prozent der Unternehmen ärgern, wenn die Chefbehandlung nur noch bei jeder dritten Visite stattfindet.
Und um das Mandat zu bekommen – etwa um sich mit dem Namen des Klienten auf der Referenzliste schmücken zu können –, jagen manche in Pitches der Konkurrenz mit Dumpingpreisen die Kunden ab. Immerhin monierte jedes dritte der befragten Unternehmen, dass Anwälte Mandate aufblähen, um ihr unter den Selbstkosten abgegebenes Billigangebot auszugleichen – und so wieder auf ihre erst erhofften und intern kalkulierten Summen zu kommen.
Eine britische Kanzlei etwa, klagt der Chefjustiziar eines Berliner Immobilieninvestors, habe ein auf 215.000 Euro veranschlagtes Honorar ohne Vorwarnung am Ende auf 250.000 Euro hochgeschraubt. Der Grund: Weil in der auf Fusionen spezialisierten Abteilung der Kanzlei mangels Übernahmen gerade Flaute war, setzte sie andere Anwälte kurzerhand wie unnötigerweise gleich mit an den Fall. Und als die kanzleiinternen Richtlinien keinen Nachlass zuließen, verlor sie den Mandanten.
Jährliche Flatrate
Offenbar kein Einzelfall: Beklagen doch 57 Prozent der befragten Unternehmen in der WirtschaftsWoche-Umfrage, dass die Kosten der Kanzleien nicht planbar sind.
Um Tricksereien der Anwälte vorzubeugen, haben viele Unternehmen in den vergangenen Jahren schlagkräftige Gegenstrategien entwickelt, um den Stundenhonoraren der Kanzleien – je nach Fachgebiet und Erfahrung des Anwalts können sie zwischen 200 und 600 Euro betragen – zu begegnen. Manche bauen Obergrenzen ein, vereinbaren Pauschalen oder lassen sich monatliche Abrechnungen von den Kanzleien erstellen. Lufthansa etwa beschäftigt seit Jahren nicht nur den US-Dienstleister Legalbill allein zur Überprüfung und Kürzung der Kanzleirechnungen. Die Airline hat ein Handbuch, in dem sie ihren Kanzleien weltweit Details zu ihren Rechnungen vorschreibt.
Andere haben nur Richtlinien. Dann sind Bahnfahrten nur zweiter Klasse erlaubt, dürfen Reisezeiten nur zur Hälfte abgerechnet werden und interne Gespräche mit Kollegen über die Fälle gar nicht.
So ärgerte sich der Chefsyndikus eines Pfälzer Konzerns über eine dreiste angelsächsische Kanzlei in Moskau, die ihm Gespräche zwischen den Partnern berechnete. Als er das monierte, rief man eine Partnerversammlung zusammen, um über die Beanstandung zu konferieren – und berechnete ihm auch noch diese Stunden.
Um vor solchen Überraschungen gefeit zu sein, hat Conergy-Chefjustiziar Hollensteiner mit einer der von ihm beauftragten Kanzleien eine Jahrespauschale vereinbart – eine Flatrate für die Beratung rund um die Hauptversammlung, den Jahresabschluss und die Ad-hoc-Fragen. Hollensteiners Credo: „Die Kanzlei, die fünf Prozent schlechter ist als eine andere, aber 30 Prozent billiger, bekommt den Zuschlag.“
Um die Anwaltskosten besser im Blick zu behalten, sitzen bei den Präsentationen der Kanzleien laut Umfrage in jedem fünften Unternehmen heute auch Vertreter der Einkaufsabteilungen mit am Tisch. Ihr Ziel: die Anwälte herunterzuhandeln. Peter Attin, Geschäftsführer beim Lkw- und Bus-Vertrieb der MAN Deutschland, schwört auf die „spezielle Verhandlungserfahrung“ seiner Einkäufer. „Die fragen anders, kennen die Schwachstellen der anderen Seite.“
Mit Erfolg: Jedes siebte Unternehmen senkt mithilfe der Einkäufer den Preis um 23 Prozent, so die WirtschaftsWoche-Umfrage. Und manchmal schachern die Unternehmensjuristen selbst besser: Bei vier Prozent der befragten Unternehmen drückten jene die Honorarforderungen der Anwälte um bis zu 39 Prozent.
Nicht immer nur zu ihrem Vorteil: „Unternehmen, die ihre Anwaltskosten zu sehr nach unten verhandeln, werden dann eben entsprechend behandelt“, sagt ein Beobachter. „Nicht mehr erst-, sondern nur noch drittklassig.“
Dann habe, wie es ein Top-Jurist hinter vorgehaltener Hand gelassen ausspricht, „die Stunde eben nur noch 45 Minuten – oder ich denke einfach etwas langsamer.“