Berliner Mietendeckel Angriff gegen die bürgerliche Mittelschicht

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„Das Gesetz wird in fünf Jahren verlängert“

Der Mietendeckel greift nicht bei Neubauten, die seit 2014 bezugsfertig waren. Doch was passiert bei diesen Immobilien in ein paar Jahren?
Der Neubau von heute wird der Altbau von morgen sein. Das Gesetz wird den Wohnungsmangel nicht beheben. Es wird aber wahrscheinlich die Anspannung im Wohnungsmarkt weiter verschärfen. Denn nicht preisregulierter Wohnraum, also der Neubau, wird noch teurer werden und bisher hochpreisiger Wohnraum wird auch weiterhin einkommensschwächeren Mietern nicht zur Verfügung stehen. Der Wohnungsmarkt wird sich also noch weiter spalten und es werden kaum noch Wechsel im Bestand stattfinden. Da das Gesetz also nicht das bewirken wird, was der Gesetzgeber verspricht, wird es weitere Regulierungen nach sich ziehen. Denn: Aus Sicht der Initiatoren kann die Wirkungslosigkeit des Gesetzes per se ja nicht etwa an einem Webfehler des Gesetzes liegen, allenfalls daran, dass die Regulierung noch nicht umfassend genug ausgefallen ist. Also wird das Gesetz, so es denn verfassungsmäßig ist, in fünf Jahren verlängert und der dann alte Neubau in das Gesetz einbezogen werden. Konsequent aus Sicht der Regulierungsbefürworter wäre es im Übrigen, dann auch zu versuchen, privates Eigentum in ein System der staatlichen Wohnraumbewirtschaftung einzubinden.

Ist den Berliner Politikern bewusst, was sie da machen und wohin das führen könnte?
Der Wirkmechanismus der vorgeschlagenen Regelungen ist der Linken bekannt. Da es sicher nicht ihr erklärtes Ziel ist, Besserverdiener zu entlasten, stellt die undifferenzierte Herangehensweise bei Lage und Ausstattung einerseits populistisches Handeln, andererseits einen bewussten Angriff gegen die bürgerliche Mittelschicht, ihr Vermögen und ihre Altersvorsorge dar. Darin könnte man seitens der Linken eine unter dem Motto „Mietenwahnsinn“ geschickt verpackte Fortsetzung des historischen Kampfes gegen Privateigentum und bürgerliche Wohnformen zugunsten sozialistischer Gleichmacherei sehen.

Übertreiben Sie nicht etwas? Es soll zumindest eine Härtefallregelung für Vermieter geben, damit diese nicht in Verluste getrieben werden.
Aus meiner Sicht wird die Härtefallregelung nur sehr begrenzt wirken. Die erkennbare politische Intention des Gesetzes ist es, den privaten Mietwohnungsmarkt zurückzudrängen, indem private Investitionen wirtschaftlich unattraktiv gemacht werden. Dass sich angesichts dieser politischen Intension eine Härtefallregelung überhaupt im Gesetz befindet, ist bloße Augenwischerei. Ziel ist es vorrangig, mit der Härtefallregelung die Angreifbarkeit des Gesetzes im Hinblick auf seine Verfassungsmäßigkeit zu reduzieren, nicht aber Vermieter zu entlasten. Der Gesetzesentwurf nennt bisher zwei Härtefälle, nämlich, dass die nach dem Gesetz zulässige Miete auf Dauer zu Verlusten der Vermieter oder zur Substanzgefährdung der Mietsache führen würde. Eine bestimmte Mindestrendite auf das eingesetzte Kapital wird dem Vermieter also ebenso wenig garantiert wie die Bedienbarkeit von Zins und Tilgung durch die Miete. Und: Bis zur Substanzgefährdung ist es vor allem beim sanierten Altbau ein weiter Weg.

Die genauen Regeln für die Härtefallregelung sind bislang aber noch offen. Oder wissen Sie hier schon mehr?
Nein, eine noch zu erlassende Rechtsverordnung soll die Härtefälle konkretisieren. Bis dahin bleibt offen, ob bei der Ermittlung etwaiger Verluste auf das konkrete Objekt abgestellt wird, oder ob es auf das Gesamteinkommen der Vermieter ankommen soll. Offen bleibt auch, wann Verluste im Sinne des Gesetzes dauerhaft sind und wie Abschreibungen berücksichtigt werden. Zu guter Letzt darf die Härte auch nicht im Verantwortungsbereich der Vermieter liegen. Ich sehe hier schon das Argument der Linken unter Führung von Frau Lompscher, dass niemand die Vermieter gezwungen habe, sich überteuerte Wohnungen zu kaufen. Und zum Schluss: Ich bin gespannt auf das Versagen des entstehenden Bürokratiemonsters, welches innerhalb einer Frist von drei Monaten über Härtefall-Anträge entscheiden soll.

Insgesamt scheint der Mietendeckel extrem kontrollbedürftig zu sein. Ist das zu stemmen? In Berlin ist es schon eine Mammutaufgabe, einen neuen Ausweis zu bekommen.
Das Gesetz soll nach der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen für 1,5 Millionen Wohnungen gelten. Es ist jetzt schon absehbar, dass die Umsetzung des Gesetzes, vor allem aber die politisch gewollte Kontrolle der privaten Wohnungswirtschaft durch den Staat, einen gewaltigen Verwaltungs- und Personalaufwand erfordern werden. Im September 2019 hat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen die sich aus der Umsetzung des Gesetzes für den Landeshaushalt ergebenden Mehrkosten für Bearbeitungsentgelte für die Investitionsbank Berlin, Mietzuschusszahlungen und Personalkosten bei den Bezirksämtern noch auf 203,5 Millionen Euro bis Ende 2024 geschätzt. In der Presse war zu lesen, dass in den Bezirken 48 zusätzliche Mitarbeiter – also drei bis fünf je Rathaus – und in den Hauptverwaltungen etwa 200 nötig seien, um den Mietendeckel umzusetzen. Ob und inwieweit die Zahlen realistisch sind, wird sich zeigen, wenn das Gesetz tatsächlich in Kraft tritt. Die Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, Frau Lompscher, rechnet damit, dass „Zehntausende“ Anträge auf Mietsenkung stellen werden. Zulässig sind solche Anträge jedoch erst neun Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes – wohl um die Verwaltungen erst einmal in die Lage zu versetzen, mit der erwarteten Antragsflut umzugehen, aber auch um vielleicht noch den Ausgang der gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes angekündigten Klagen abwarten zu können, bevor durch behördliche Eingriffe in die privatwirtschaftlichen Mietverträge ein völliges Chaos im Bereich der Wohnungswirtschaft entsteht.

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