Christoph Heuermann Der Steuernomade

Weiter, immer weiter: Heuermann, 29, ist auf Dauerweltreise. Im kommenden Jahr will er alle Länder der Welt besucht haben. Weil er in jedem Land immer nur kurz bleibt, muss er nirgendwo Steuern zahlen. Quelle: Christophe Viseux für WirtschaftsWoche

Christoph Heuermann ist 29. Noch ein Jahr, dann wird er voraussichtlich alle Länder der Welt bereist haben – gut 190. Dabei treibt ihn neben dem Entdeckergeist vor allem die Steuer.

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Einige Deutsche wandern aus, um sich dem Zugriff des deutschen Fiskus zu entziehen. Christoph Heuermann, 29 Jahre alt, treibt es auf die Spitze: Seit 2016 ist er auf ewiger Weltreise. Er selbst bezeichnet sich als dauerreisenden Unternehmer, Investor und Autor. „In den meisten Ländern kann ich maximal 182 Tage bleiben“, sagt Heuermann. „Meist bin ich sehr schnell unterwegs.“

Diese Weltreise im Schnelldurchlauf ist nicht nur von Entdeckergeist und Neugier getrieben. Heuermann entzieht sich so auch dem Zugriff der Steuerbehörden – nicht nur im früheren Heimatland Deutschland, sondern in jedem Staat der Welt. Er zahlt nur Steuern, die er nicht vermeiden kann, Umsatzsteuer zum Beispiel. Einkommensteuer oder Kapitalertragsteuer hingegen hat ihm seit Beginn der Weltreise 2015 kein Land der Welt mehr berechnet.

Damit die Strategie gelingt, muss Heuermann Kniffe kennen. „Jedes Land hat seine eigenen Regeln zur steuerlichen Ansässigkeit, auf Englisch tax residency“, sagt Heuermann. Als Nicht-Staatsbürger kann er in der Schweiz zum Beispiel maximal drei Monate bleiben, in den USA kann es ab vier Monate Aufenthalt riskant werden. Meist bleibt er aber ohnehin viel kürzer an einem Ort.

In einigen Ländern können sich deutsche Auswanderer dem Fiskus weitgehend entziehen – auch ohne eine Dauer-Weltreise, wie Heuermann sie umsetzt. Wie das geht, erfahren Sie hier.

Heuermann hingegen zieht von Hotel zu Hotel, in der Regel reist er im Flugzeug. „Ich kenne die Tricks, wie man bei Hotelketten und Flugreisen möglichst günstig bucht.“ Teilweise nutzt er auch Dienstleister, die bei Fluggesellschaften fehlerhaft bepreiste Flüge aufspüren. Einige dieser Tickets stornieren die Airlines wieder. Aber längst nicht alle. „So bin ich schon für 1000 Euro mit Emirates First-Class nach Asien geflogen, was regulär 10.000 Euro gekostet hätte“, erzählt Heuermann. Meist begnüge er sich mit der Business Class.

Im kommenden Frühjahr 2021 will er alle Länder der Welt bereits haben, nach UN-Definition. Gut 190 sind das. Und dann? Eine Langfristplanung hat Heuermann noch nicht. In ein oder zwei Jahren könnte er sich eine Entschleunigung vorstellen. Er würde dann nur noch in zwei oder drei Ländern pro Jahr leben. Vielleicht lässt er sich irgendwann dauerhaft nieder. Ein Apartment hat er sich in Chile im vergangenen Jahr gekauft – gezahlt mit der Kryptowährung Bitcoin, als die nahe an ihrem bisherigen Höchststand notierte. Mit Mitte 30 plane er jedenfalls seinen Ruhestand, sagt Heuermann – wie auch immer der dann genau aussieht.

Die Chancen stehen anscheinend gut, dass er sich das leisten kann. Denn seine Dauer-Weltreise hat sich längst zum Geschäft entwickelt. Auch wenn Heuermann auf Tour – in T-Shirt und Trekkinghose – eher wie ein jugendlicher Abenteuer-Tourist wirkt als wie ein Geschäftsmann. Der Eindruck täuscht: Mit zehn Mitarbeitern in Büros in Kolumbien, Georgien und auf den Philippinen berät er andere, wie sie mit der Wahl des optimalen Wohnortes den Fiskus umgehen können. Die meisten Kunden sind jung, 25 bis 35 Jahre alt. Deutschsprachige berät Heuermann selbst. Zunehmend kontaktieren auch Unternehmer ihn, Mittelständler etwa, sagt Heuermann. Selbst Familien, die ihre Kinder vom Schulzwang befreien und ihnen im Ausland ein freies Lernen ermöglichen wollten, seien darunter.

In Internetblogs auf Deutsch, Englisch, Französisch und Spanisch informiert er; und wirbt für seine Beratung. Etwa 500 Euro sind für zwei Stunden fällig. Mehr als 1500 Menschen habe er schon zum Auswandern bewogen, sagt Heuermann.

Zypern, Malta, Portugal oder die baltischen Länder, aber auch lateinamerikanische Länder wie Panama oder Costa Rica kämen häufig für einen steuerlich günstigen Wohnsitz infrage. Unternehmer könnten durch komplexere Modelle, mit Sitzen in verschiedenen Ländern, die Steuer geringhalten. Heuermann selbst hat beispielsweise Firmen in Miami in den USA, in Dubai und auf den Marshall Inseln zugelassen. Dabei komme es nicht nur auf steuerliche Aspekte an. „Deutschen Kunden kann ich zum Beispiel keine Rechnung aus Panama stellen“, sagt Heuermann. Das sähe schlecht aus. Für Dienstleister eigneten sich daher eher die USA und Kanada als Standort.

Ein paar von Heuermanns Kunden entscheiden sich letztlich selbst für die Dauer-Weltreise. „Perpetual traveler“ nennen sie sich in der englischen Szene. Einigen geht das aber zu weit. Heuermann selbst musste möglichst viele Bindungen ans eigene Land kappen. Abos und Mitgliedschaften sind gekündigt. „Etwa drei bis vier Wochen im Jahr bin ich noch in Deutschland“, sagt Heuermann. Zu Geburten oder Hochzeiten etwa, manchmal für Vorträge.

Besuche in der früheren Heimat und dem Land, dessen Pass er bei sich führt, sind für ihn besonders kritisch. Er muss aufpassen, dass die deutsche Finanzverwaltung ihm nicht doch einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland unterstellt – dann würde er wieder in die Steuerpflicht rutschen. Das will er auf jeden Fall vermeiden. Seine Eltern lädt er deshalb häufiger in Nachbarländer ein, um sie dort zu treffen.

50.000 Euro im Monat

Mittlerweile kann Heuermann von seinen vielfältigen Aktivitäten „gut leben“. Neben der Beratung bietet er auch Bücher und Videokurse. Teilweise verdient er an Onlinewerbung für andere Dienstleistungen in seinen Blogs, sogenanntes Affiliate Marketing.

Aber Heuermann hat weitere geschäftliche Standbeine. Mit Freunden bietet er per Internet Wohnungen für Touristen an, etwa in Leipzig, Wien und Budapest. Sie selbst sind dabei Wohnungsmieter und vermieten die Wohnungen unter. Reservierung und Zahlung laufen automatisch über das Netz, mit selbst entwickelten Algorithmen. Auch in Kryptowährungen investiert Heuermann noch. Außerdem nennt er 300 Hektar Walnussplantage in Georgien sein Eigen. „Ein guter deutscher Freund, der dorthin ausgewandert ist, bewirtschaftet die Plantage gemeinsam mit Partnern vor Ort.“ Dem Euro traut Heuermann nicht über den Weg; einen Zusammenbruch der Währungsunion hält er in absehbarer Zeit für möglich.

Unter dem Strich kommt Heuermann nach eigenen Angaben monatlich so auf Einnahmen von über 50.000 Euro, nach Abzug der Kosten für Büros und Mitarbeiter. 80 Prozent kann er zurücklegen, für andere Projekte nutzen oder spenden. Den Rest verbraucht er selbst, für das ständige Reisen.

Wenig in seinem heutigen Alltag erinnert noch an die Anfänge, 2015, als er sechs Monate lang von Mexiko bis nach Kolumbien gereist war. Damals musste er mit weniger als 1000 Euro im Monat auskommen – die Reste seiner Rücklagen, etwa aus einem Studienstipendium der Friedrich-Naumann-Stiftung.

Vor dem Aufbruch in die weite Welt hatte Heuermann in Konstanz studiert, Politik- und Verwaltungswissenschaften. Berufsziel: eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst. Doch schon da engagierte er sich in der libertären Studentenszene. Praktika absolvierte er zum Beispiel beim FDP-Bundestagsabgeordneten Frank Schäffler und beim Wiener Ökonom Rahim Taghizadegan. Nach dem Bachelor in Konstanz zog er nach Malta, um Unternehmertum zu studieren. Dieses Studium brach er ab – zu Gunsten der beruflichen Praxis.

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Nicht jedem gefällt sein Lebensmodell. „Einige Leute stoße ich so vor den Kopf“, sagt Heuermann. Viele reagierten aber auch positiv, vor allem in der radikal-libertären Szene, in der er sich häufig bewege. Von staatlicher Seite hat er bislang keine Reaktion bekommen. Nur bei einem von ihm organisierten Seminar in Deutschland habe es einen Vorfall gegeben. Die lokalen Behörden hätten den Hoteleigentümer kontaktiert und ihm zu verstehen gegeben, dass das Seminar nicht stattfinden solle.

Fand es aber doch. Heuermann hat für derartige Vorstöße wenig Verständnis. Schließlich halte er sich an geltendes Recht.

Mehr zum Thema: Wie Steuerzahler als Auswanderer dem deutschen Finanzamt Lebewohl sagen können, erfahren Sie hier.

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