Corona-Streit mit Versicherung „War schnell klar, dass man sich weiteres Papier sparen kann“

Quelle: imago images

Matthias Koch legt sich in der Coronakrise mit der Allianz-Versicherung an. Ein Gespräch über Kleingedrucktes, schwer zu berechnende Risiken und einen Präzedenzfall mit Multiplikator-Wirkung.

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WirtschaftsWoche: Herr Dr. Koch, Sie haben im Namen Ihres Mandanten Christian Bickelbacher den Versicherer Allianz verklagt. Warum?
Matthias Koch: Mein Mandant ist Gastronom in Bochum und hat über viele Jahre Prämien für eine Betriebsschließungsversicherung bezahlt. Bis Mitte März hatte er zum Glück keinen Schadenfall erlitten. Jetzt ist im Zuge der Coronapandemie genau der versicherte Fall eingetreten: Seine Betriebe wurden geschlossen. Dann erwartet man natürlich auch, dass die Leistung fließt, die man eingekauft hat.

Was nicht der Fall ist. Die Allianz hat Corona als Versicherungsfall abgelehnt. Mit welcher Begründung?
Die Allianz hat sich im Wesentlichen darauf bezogen, dass in der Police, die vor Jahren abgeschlossen wurde, die Corona-Erkrankung Covid-19 nicht aufgeführt ist.

Sondern?
In die Police sind die Krankheiten und Krankheitserreger aufgenommen, die zum Zeitpunkt des Abschlusses im Infektionsschutzgesetz standen. Dass Corona dort nicht gestanden haben kann, liegt auf der Hand. Wenn diese Police aber abschließend und nur für zum Zeitpunkt des Abschlusses bekannte beziehungsweise längst ausgerottete Krankheiten und Krankheitserreger Gültigkeit hätte, wäre eine solche Versicherung auch nahezu wertlos.

War von Anfang an klar, dass es auf eine Klage hinauslaufen würde?
Von Anfang an klar war das nicht. Aber es stand zu befürchten. Die Versicherer werden mit Sicherheit zahlreiche solcher Schadensmeldungen zu bearbeiten haben. Wenn sie Einzelfälle widerstandslos regulieren, dann wird das natürlich rumgehen wie ein Lauffeuer. Sie müssen deshalb eine einheitliche Linie verfolgen, und das ist zunächst mal die Linie, solche Anfragen abzulehnen. Deshalb war relativ schnell klar, dass man sich weiteres Papier sparen kann und es keinen Sinn ergibt, außergerichtlich Argumente auszutauschen.

Haben Sie schon eine Erwiderung auf die Klage erhalten?
Nein, die haben wir noch nicht. Das Verfahren hat das Landgericht hier in Bochum im so genannten schriftlichen Vorverfahren eingeleitet. Zunächst werden Fristen gesetzt. Die erste Frist beträgt zwei Wochen, für einen Zweizeiler, mit dem man als Beklagter ankündigt, dass man sich verteidigen möchte. Die eigentliche Klageerwiderungsfrist beträgt mal zwei, mal drei Wochen. Deshalb rechne ich mit einer sachlichen Stellungnahme etwa Mitte Mai.

Die vermutlich auch ablehnender Natur sein wird...
Das ist ganz klar. Nach Klageerhebung hat es schon noch ein bisschen Korrespondenz gegeben. Es ist auch ein allgemein verbreitetes Vergleichsangebot unterbreitet worden...

Die Allianz hat, wie zahlreiche Versicherer, Betroffenen einen Kompromiss vorgeschlagen: Eine freiwillige Zahlung von 15 Prozent der versicherten Summe. Da der Staat über Soforthilfen und Kurzarbeitergeld rund 70 Prozent des Betriebsausfalls abfedert, würden sich Versicherer und Versicherte also den verbliebenen Schaden teilen. Ist das kein faires Angebot?
Die staatlichen Hilfen können sicherlich gewisse Kosten auffangen, aber nicht den Gewinn abfedern, den man mit dem Betrieb erwirtschaftet. Deshalb haben wird das Angebot als unzureichend abgelehnt. Nach Klageerhebung wurde ein weiteres Argument vorgebracht, nämlich, dass es sich um keine vollständige Schließung handele. Die Gastronomiebetriebe könnten ja einen gewissen Minimalbetrieb aufrecht erhalten durch Catering oder Außer-Haus-Verkauf. Die Betriebe, um die es hier geht, leben aber eindeutig vom persönlichen Besuch und Verzehr vor Ort.

In der Sportsbar Three Sixty holt man sich normalerweise kein Sandwich ab...
Sie liegt mitten im Bermuda3Eck in Bochum, ein im Ruhrgebiet relativ bekanntes Kneipenviertel. Das ist ein Treffpunkt, und sämtliche Lokale sind auf Anwesenheit, Zusammensitzen und Zeitvertreib ausgelegt und nicht auf irgendeinen Mitnahmeservice.

Wie bewerten Sie die zusätzlich Auflage der Allianz, mit der Annahme einer freiwilligen Zahlung von 15 Prozent sämtliche Ansprüche als abschließend erledigt zu deklarieren, inklusive etwaiger zweiter oder dritter Corona-Wellen beziehungsweise Entwicklungen und Mutationen dieses Virus?
Das macht das Angebot zusätzlich unattraktiv. Das soll dann ja eine Generalabsolution sein. Man weiß nicht, wie die Dinge sich entwickeln. Eines steht aber mal fest: Die Versicherungsverträge sind auf einen Zeitraum von 30 Tagen ausgelegt. Der ist jetzt schon überschritten. Deshalb können sie ohnehin nicht den Gesamtschaden abdecken, den die Schließung bereits jetzt mit sich bringt.

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