Cum-Cum-Geschäfte Steuer-Schlupflöcher vor dem Aus

Mit Hilfe von Steuertricks soll die Commerzbank zusammen mit ausländischen Investoren den deutschen Fiskus um Milliarden gebracht haben. Wie die Tricks ausländischer Aktionäre gestoppt werden sollen.

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An den Gewinnen von arabischen Scheichs beim üppigen Dividendenregen der DAX-Unternehmen kann der deutsche Fiskus bisher häufig nicht verdienen. Quelle: AP

Im vergangenen Jahr schütteten die Dax-Unternehmen rund 42 Milliarden Euro aus. Da ein Großteil der Aktien in ausländischer Hand liegen, sind häufig die Anleger ausländischer Fondsgesellschaften oder arabische Scheichs die Nutznießer des Dividendenregens. Ihnen kann der deutsche Fiskus häufig nicht beikommen, um seinen Anteil zu kassieren. Deshalb will er jetzt ein Steuerschlupfloch stopfen. Es ermöglichte diesen Investoren mit Hilfe heimischer Banken oder Spezialfonds ihre Dividenden zu optimieren, ohne die Aktien aufwendig um den Dividendenstichtag herum zu verkaufen und wieder zurückzukaufen.

Erstes Steuerschlupfloch gestopft...

Lange wurden Dividenden benutzt, um Steuererstattungen zu erschleichen. Ein Beteiligter bezahlte Kapitalertragsteuer auf die Dividende, zwei forderten Steuererstattungen vom Fiskus und plünderten ihn um Milliarden. Erst 2012 wurde die Steuerlücke bei dieser Form des so genannten Dividenden-Strippings („Cum-ex-Geschäfte“) gestopft. Seitdem muss bei grenzüberschreitenden Aktiengeschäften die letzte Bank im Inland – meist eine Wertpapiersammelbank wie Clearstream – 25 Prozent Kapitalertragsteuer abführen, bevor die Dividende ins Ausland fließt. Die alten Deals beschäftigen aber noch immer die Staatsanwälte, den Bundesfinanzhof und Banken.

... weiteres Schlupfloch übersehen

Im Jahr 2012 blieb aber ein anderes Steuersparmodell bestehen, das dem deutschen Finanzamt ebenfalls Milliarden vorenthält, ihn aber nicht auch noch durch erschlichene Erstattungen wie bei den „Cum-ex-Geschäften“ ausplündert.
Ausländische Scheichs, aber auch etwa Aktienfonds, die in Luxemburg, Irland oder Frankreich oder den USA beheimatet sind, lassen sich die Dividenden deutscher Aktiengesellschaften gar nicht mehr ins Ausland überweisen und umgehen dadurch die Zahlung von Kapitalertragsteuer.

Wertpapierleihe zum Steuersparen

So wird ein Ausländer eigentlich besteuert: Der ausländische Fonds oder ein Investor müsste 25 Prozent Kapitalertragsteuer (Quellensteuer) zahlen, sobald ihm Dividende aus Deutschland überwiesen wird. Die Steuer hält etwa Clearstream zurück. Von dem Dividendenabzug können sich Ausländer nachträglich per Antrag zehn Prozent aus Deutschland zurückerstatten lassen. Es bleibt aber noch immer ein Minus von 15 Prozent Steuerlast, die etwa ein Investmentfonds der deutsche Dividenden bekommt, nicht hat. Ihm fließen Dividenden steuerfrei zu. Bei Investmentfonds müssen die im Inland steuerpflichtigen Anleger Abgeltungsteuer auf Dividenden und Kursgewinne zahlen, die Anteile an dem Fonds gezeichnet haben. Der deutsche Fiskus bekommt seinen Anteil also, wenn es um in Deutschland steuerpflichtige Anleger geht. In ausländische Fonds haben aber vielfach nicht hierzulande Steuerpflichtige investiert, dann bleibt beim Fiskus nichts hängen.

Für alle ein Plus - außer den Fiskus

Vor einer Dividendenausschüttung verleiht daher der ausländische Anleger oder Fonds seine Aktie an eine Bank oder einen Spezialfonds in Deutschland. Die so genannte Wertpapierleihe ist bei Großanlegern populär, denn mit ihr lassen sich Zusatzerträge verdienen bei den Aktien, die sowieso langfristig im Depot liegen. Die Aktien müssen nicht aufwendig transferiert werden, die Aktienkurse werden nicht durch große Verkäufe belastet und der ausländische Anleger oder Fonds erhält eine vereinbarte Leihgebühr. Aber das volle Eigentum an den Aktien erhält die Bank in Deutschland oder der Spezialfonds, die ihm die Aktien zeitweise abnehmen. Und deshalb taugt die Wertpapierleihe auch, um eine Dividendenbesteuerung zu umgehen, denn die Dividende kassieren eine Bank oder ein Spezialfonds in Deutschland steuerfrei.

Nach der Dividendenausschüttung wird die Wertpapierleihe beendet und die deutschen Dienstleister zahlen dem ausländischen Investor einen vereinbarten Betrag, der niedriger ist als die ausgeschüttete Dividende. Für beide Seiten bleibt ein Plus.

Machtlose Finanzämter

Jahrelang hat der deutsche Fiskus die Deals toleriert, doch die Rekorddividenden wecken Begehrlichkeiten und jetzt droht der Fiskus mit einer Gesetzesverschärfung etwa im Investmentsteuergesetz.

Inländische Investmentfonds, die auch für Privatanleger zugänglich sind, dürfen sich keine Aktien leihen. Mit im Spiel sind aber Spezialfonds, die Aktien der Ausländer leihen können, für sie könnte nach einer Gesetzesänderung das Dividenden-Geschäft gestoppt oder unattraktiver werden.

Allerdings: Es ist für den Fiskus schwierig, ausländische Anleger in Schach zu halten. Sie könnten auch das machen, was jeder Privatanleger macht, der etwa französische Aktien im Depot hält: Jährlich umständliche Verfahren einer Quellensteuer-Rückerstattung zu praktizieren ist vielen Privatanlegern zu teuer und aufwendig. Sie verkaufen also lieber Aktien vor der Dividendenausschüttung und kaufen sie danach zurück. Wenn Großanleger das künftig so machen, weil ihnen andere Wege versperrt werden, würden die Aktienkurse mitunter rund um den Dividendenstichtage stärker schwanken. Die Wertpapierleihe war eine risikolosere Variante, weil sie keinen Einfluss auf die Aktienkurse hatte. Käufe und Verkäufe die die Kurse bewegen, erhöhen die Risiken für die Auslandsanleger, mitunter nehmen sie daher vielleicht die Steuerzahlung zähneknirschend hin.

Unbeteiligte heimische Fondsanbieter?

Die Wertpapierleihe gehört auch bei großen heimischen Fondsanbietern mit der Vielzahl Luxemburger Fonds zum täglichen Geschäft. Deutsche AWM oder Deka erzielen mit ihren Fonds Einnahmen aus der Wertpapierleihe, die überwiegend den Anlegern zufließen. Man sieht das als Teil des treuhänderischen Auftrags. „Wir stellen sicher, dass alle Transaktionen im Einklang mit dem geltenden Recht stehen“ heißt es von Deutsche AWM. Das Sparkassenhaus Deka Investment verleihe bei Luxemburger Fonds Aktien, praktiziere dies aber nicht, um Dividendensteuern zu sparen, ebenfalls leihe sich die Dekabank selbst keine Aktien, um bei solchen Geschäften behilflich zu sein. Dass aber die Aktien teilweise auch über den Dividendenstichtag hinaus verliehen werden, will niemand komplett ausschließen. Es soll aber zumindest nicht geschehen, um am Fiskus vorbei zu operieren oder Steuererstattungen zu erschleichen.

Spielarten der Wertpapierleihe

Gerne bessern börsengehandelte Indexfonds, die als besonders kostengünstig gelten, ihre Performance etwa mit der Wertpapierleihe auf. Die Luxemburger und irischen Indexfonds der Deutsche Bank-Tochter db x-trackers enthalten die Dividenden nach Angaben der Gesellschaft abzüglich der jeweils üblichen Quellensteuern. Soweit Doppelbesteuerungsabkommen mit Luxemburg oder Irland (dem Auflageland der ETFs der Deutschen AWM) vorliegen, lässt man sich die Quellensteuer erstatten.

Die in Frankfurt beheimatete Universal Investment, mit 24,7 Milliarden Euro sechstgrößte Fondsanbieter in Deutschland, bietet eine Dividenden-Dienstleistung im Internet vollmundig an: „Wir sind spezialisiert auf kundenindividuelle Lösungen. So ist es zum Beispiel auch für steuerpflichtige Anleger möglich, Wertpapiere über den Dividendentermin zu verleihen und ordentliche Erträge zu erzielen. Für steuerbefreite Anleger bieten wir die Wertpapierleihe über den Dividendentermin mit einer Kompensationszahlung an.“ Auf Nachfrage teilt Pressesprecher Henning Stegmayer mit, dass dieser Hinweis nicht mehr aktuell sei und geändert werde. An Dividendengestaltungen beteilige man sich nicht. Das ist vielleicht besser so.

Anleger verdient mit

Sobald eine Steuerspar-Variante gewählt wird, die nur den Zweck erfüllt, einen Steuervorteil zu erlangen und keinen anderen wirtschaftlichen Nutzen für die Beteiligten hätte, hat der Fiskus mit dem Paragrafen 42 der Abgabenordnung eine starke Waffe, um sie kalt zu stellen. Allerdings haben die Investmentfonds als Treuhänder den klaren Auftrag, Geld für die Anleger zu verdienen. „Und eine Steueroptimierung fällt für sie durchaus unter die Dispositionsfreiheit“, sagt ein Branchenkenner und meint, dass dies auch der Bundesfinanzhof als oberstes Gericht in Finanzfragen in Deutschland billige. Die ausländischen Treuhänder kann der Fiskus also kaum vor Gericht zerren. Anders sieht es bei denen aus, die sich in Deutschland als Dienstleister anbieten, um die Dividenden-Deals abzuwickeln. Für sie könnte es bei der nächsten Betriebsprüfung ungemütlich werden.

Diskriminierte Ausländer fordern Geld

Ungemach winkt aber auch heimischen Finanzämtern. Denn viele ausländische Treuhänder haben den Spieß längst umgedreht: Sie fordern nämlich vom deutschen Finanzamt eine Erstattung der Kapitalertragsteuer auf Dividenden. Und sie haben dafür einen guten Grund: Denn 2012 hat der Europäische Gerichtshof zugunsten der Bank Santander und gegen Frankreich entschieden, dass das Land gegen die EU-Kapitalverkehrsfreiheit verstößt. Französische Investmentfonds kassieren Dividenden steuerfrei, ausländische aber zahlen Steuern – ähnlich ist es in Deutschland. Deutsche Investmentfonds und deren Anleger haben nach dieser Entscheidung hohe Steuerrückzahlungen aus Frankreich erhalten. Jetzt drehen aber die ausländischen Anleger, die bisher ihre Kapitalertragsteuer stets brav auf die Dividenden gezahlt hatten, den Spieß um und fordern vom deutschen Fiskus Rückerstattungen. Der deutsche Staat hat damit ein gewaltiges Haushaltsrisiko am Hals, auch das will er mit einem neuen Investmentsteuergesetz beseitigen, das europatauglicher sein soll.

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