Roth allerdings sah sich als Sündenbock und zu Unrecht an den Pranger gestellt. Er drehte den Spieß um und verklagte die Münchner HypoVereinsbank, die ihn bei den strittigen Aktiendeals beraten hatte. Im Rechtsstreit mit den Behörden wäre Roth sogar bis vor das Bundesverfassungsgericht gezogen. Maschmeyer & Co. behaupten ebenfalls, die in ihrem Fall von der Sarasin-Bank eingefädelten Deals nicht durchschaut zu haben. Das ist schwer zu glauben, denn Fonds und Banken müssen die Geschäfte ihren Großkunden gezielt schmackhaft gemacht haben. Denn sonst hätten die woanders investiert.
Die Geldhäuser jedenfalls haben genau verstanden, worum es bei den Aktiendeals ging. Das zeigen interne Unterlagen etwa der britischen Barclays Bank, bei der die Geschäfte unter den harmlos klingenden Projektnamen „Schumann“ und „Cumex“ firmierten. Mit seitenlangen Memos holten die Banker die Zustimmung ihrer Chefs zu den Aktientricks ein und warben mit hohen Gewinnchancen. Scheinbar war den Akteuren bewusst, dass sie sich in einer Grauzone bewegten. Sie haben ihre Tricks daher akribisch dokumentiert und nicht nur intern absegnen lassen, sondern auch für den Fall möglicher Konflikte mit den Behörden durch juristische Expertise abgesichert. Ein Experte der Wirtschaftskanzlei Freshfields erstellte Gutachten zur steuerlichen Behandlung, die offenbar zu dem Schluss kamen, dass die Geschäfte rechtlich in Ordnung waren.
Mitgemischt bei dem Spiel hat laut der Barclays-Dokumente auch der Wertpapierdienstleister Clearstream. Die Tochter der Deutschen Börse wickelt für Banken den Aktienhandel ab und verwahrt die gehandelten Wertpapiere. Laut Aufzeichnungen aus dem März 2007 haben leitende Angestellte von Barclays und Clearstream im Voraus abgeklärt, dass Clearstream nicht versuchen würde, Quellensteuer auf die Ausgleichszahlung einzubehalten. Sonst hätte das Spiel nicht funktioniert.
Neben Barclays und der HypoVereinsbank müssen sich auch andere große Finanzinstitute mit den juristischen Altlasten der Dividendentricks herumschlagen – etwa die Deutsche Bank oder die HSH Nordbank, Landesbank von Hamburg und Schleswig-Holstein. Ebenfalls betroffen ist die baden-württembergische Landesbank LBBW. Dass ausgerechnet Landesbanken Geschäfte zu Lasten des Fiskus einfädelten, erstaunt doppelt, da diese Institute nicht nur dem Staat gehören, sondern im Zuge der Finanzkrise auch Milliardenhilfen der öffentlichen Hand in Anspruch genommen haben. Es sind also nicht nur die superreichen Privatleute, die jetzt am Pranger stehen.