




Deutsche Konzerne sparen einer Studie zufolge jährlich Milliarden Steuern, weil sie sich arm rechnen oder Gewinne ins Ausland verlagern. Nach einem Bericht der „Welt“ errechneten die Wirtschaftsforscher des DIW, dass zwischen den nachgewiesenen Profiten der Kapital- und Personengesellschaften und den steuerlich erfassten Gewinnen nach den letzten verfügbaren Zahlen aus dem Jahr 2008 eine Lücke von rund 92 Milliarden Euro klaffte.
Standorte der Dax-Konzerne in Steueroasen
Mehr als 200.000 internationale Konzerne sitzen im Corporation Trust Center in der North Orange Street 1209 von Wilmington im US-Bundesstaat Delaware. Dazu zählen mindestens sieben deutsche Dax-Konzerne. Weitere deutsche Parade-Unternehmen haben sich entweder ebenfalls hier oder anderswo in dem steuerfreundlichen US-Bundesstaat niedergelassen:
Adidas, Allianz, BMW, Daimler, Lufthansa, Siemens, Volkswagen, BASF, Bosch, Commerzbank, Continental, Deutsche Bank, E.On, Fresenius MC, HeidelbergCement, Henkel, Infineon, K+S, Linde, Lanxess, Merck, Munich Re, RWE, SAP, Thyssen Krupp
Allianz, Commerzbank, Deutsche Post, Heidelberg Cement, RWE.
Allianz, Deutsche Post, K+S, Linde,
Commerzbank, Deutsche Post, HeidelbergCement, Henkel, Linde, SAP, Siemens, VW
Lufthansa, Allianz, Commerzbank, Deutsche Bank, Deutsche Post, Deutsche Telekom, EADS, Fresenius MC, HeidelbergCement, SAP, Siemens, VW
Guernsey: Commerzbank, Deutsche Bank, Heidelberg Cement, Linde
Jersey: Lufthansa, Commerzbank, Deutsche Bank, Deutsche Post, Linde, ThyssenKrupp
Lufthansa, Adidas, Bayer, BASF, Beiersdorf, Commerzbank, Deutsche Post, HeidelbergCement, Merck, Siemens, ThyssenKrupp, VW
„Sollte unsere Schätzung stimmen, zahlten die deutschen Unternehmen zwischen 2001 und 2008 nur etwa 21 Prozent Steuern auf ihre Gewinne - und damit deutlich weniger als vom Gesetzgeber vorgesehen“, zitiert die „Welt“ Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW/Berlin). Auffällig sei das hohe Niveau an steuerlichen Verlusten und Verlustvorträgen, das die Unternehmen vor sich herschleppten.
Wie Dax-Konzerne herumdrucksen
Die WirtschaftsWoche befragte 32 große deutsche Unternehmen zu ihrem Engagement in Steueroasen. Hier die merkwürdigsten Antworten.
Wir werden es diesmal nicht schaffen, ihnen zu dem Thema etwas zukommen zu lassen. Wir haben in dieser Woche schlicht keine Kapazität, Urlaub und Krankheit haben den Bereich reichlich dezimiert. Sorry! (Vollständige Antwort)
So hat die Registrierung im US-Bundesstaat Delaware - was von ähnlichen Journalistenanfragen regelmäßig verkannt wird - keinerlei steuerliche Konsequenzen, d.h. weder in den USA noch sonst wo. Delaware als Registrierungsstaat wird von sämtlichen US- und Nicht-US-Unternehmensgruppen allein aus US-gesellschaftsrechtlichen Gründen gewählt. (Gekürzte Antwort)
Ähnlich antworteten Henkel, Bosch, Continental, BASF und K + S.
(Anmerkung: Durch die Gründung in Delaware zahlen die Unternehmen nur die US-Bundesteuer. Die zusätzlichen Steuern einzelner Bundesstaaten von bis zu zehn Prozent entfallen hier. Gewinne aus Lizenzen, Patenten, Marken- und Urheberrechten sind sogar komplett steuerfrei. Lediglich für die in Delaware erwirtschafteten Überschüsse kassiert der lokale Fiskus eine Abgabe.)
"Siemens ist in mehr als 190 Ländern aktiv - und das seit mehr als 165 Jahren. In den meisten Ländern haben wir aus dieser Historie heraus gewachsene Vertriebs- oder Produktionsstandorte und damit Tochtergesellschaften. Über solche gewachsenen Strukturen hinaus ergeben sich Zahl und Ort der jeweiligen Gesellschaftseinheiten unter anderem aus Akquisitionen, die in der Vergangenheit stattgefunden haben." (Vollständige Antwort)
"Munich Re ist an vielen Standorten der Welt vertreten, wo wir vereinzelt auch deutlich niedrigere Steuersätze haben als in Deutschland. Die größte Steuerlast in absoluten Summen haben wir im Inland." (Vollständige Antwort).
Beiersdorf ist ein weltweit operierendes Unternehmen. Um nahe an unseren Kunden und Konsumenten zu sein, haben wir in über 150 Ländern operativ tätige Tochtergesellschaften. Unsere Politik dabei ist, dass wir lokal jeweils die der Wertschöpfung entsprechenden Steuern zahlen. Die aktuelle Anteilsbesitzliste findet sich in unserem Online-Geschäftsbericht. (Vollständige erste Antwort).
Antworten auf Nachfragen zu Gesellschaften in Panama:
Die BDF Panamá S.A. ist die Vertriebsgesellschaft, über die der Verkauf unserer Produkte vor Ort erfolgt. Die HUB LIMITED S.A. hat, wie aus S. 54 unseres AG-Berichts hervorgeht, kein nennenswertes Geschäft (Ergebnis in 2012: 17 TEUR).
Die HUB LIMITED S.A. hat wie bereits beschrieben kein Geschäft. Die Gesellschaft wurde als operative Vertriebsgesellschaft gegründet, übt diese Funktion allerdings im Moment nicht aus.
Mündliche Antwort (sinngemäß)
"Die Tochter in Delaware sein klein und unbedeutend mit praktisch nur einer Handvoll Anwälte", weswegen man nicht von einer Niederlassung sprechen könne. Das regionale Infineon-Hauptquartier für Nordamerika sei im kalifornischen Milpitas angesiedelt.
(ANMERKUNG: den Aufsichtsrat der "Infineon Technologies North America Corp, Wilmington, Delaware" sitzen zwei Infineon-Konzernvorstände, von denen einer Vorsitzender des Gremiums ist) .
In klassischen Steueroasen ist der Reifen- und Autoelektronikhersteller aus Hannover zwar nicht vertreten, dafür aber in der Delaware-Hauptstadt Wilmington gleich mit acht Töchtern: Die Firmen sind als Holding konzipiert und bündeln das operative Geschäft der einzelnen Unternehmensbereiche in den USA. Ausschlaggebend für die Ansiedlung der Töchter in Delaware sind "vornehmlich gesellschaftsrechtliche Gründe", so das offizielle Statement. Der Standort biete "durch seine hohe juristische Kompetenz eine besonders gute Infrastruktur" für Unternehmen. Das hilft offenbar auch bei der Erschließung neuer Finanzquellen: Um seine hohe Schuldenlast zu vermindern, platzierte Continental über die Delaware-Tochter Continental Rubber of America eine Anleihe mit einem Emissionsvolumen von 950 Millionen Dollar.
Auch die deutsche Industrie-Ikone unterhält eine Briefkastenfirma in Wilmington. Die in der Hauptstadt des US-Bundesstaats Delaware ansässige Bosch Management Services Corporation wurde nicht gegründet, um Steuern zu sparen, so das offizielle Statement des Konzerns, sondern weil "die Gesetze und die Gerichte in diesem Bundesstaat als besonders wirtschaftsfreundlich gelten". Bei Verbraucherklagen etwa werde in der Regel zugunsten der betroffenen Firmen entschieden, US-Unternehmen ließen sich deshalb "aus juristischen Gründen" bevorzugt in Delaware registrieren. Dieser Praxis sei auch Bosch mit seinen amerikanischen Geschäftsaktivitäten gefolgt.
Inzwischen seien es 568 Milliarden Euro. „Dies deutet auf Steuerbefreiungen, Steuervergünstigungen oder Gestaltungsmöglichkeiten hin, die systematisch zu deutlich reduzierten Besteuerungsgrundlagen führen“, wird Bach weiter zitiert.
Der Steuerexperte des DIW räumte der Zeitung zufolge ein, dass die Zahl von 92 Milliarden Euro mit einigen Schätzfehlern behaftet ist. „Wir sind bei unseren Untersuchungen jedoch auf eine dauerhafte Besteuerungslücke gestoßen“, sagte er. So habe die Steuerlücke seit 2000 stets über 90 Milliarden Euro betragen. 2007 seien es sogar 120 Milliarden gewesen. Wie die „Welt“ schreibt, ist die Studie im DIW-Wochenbericht enthalten, der diese Woche erscheint.