Doppelbesteuerung Wie der Fiskus Autofahrer und Raucher schröpft

Mehr als zwölf Milliarden Euro kassiert der Staat, indem er Steuern noch einmal besteuert. Vor allem Autofahrer und Raucher werden geschröpft.

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Raucher, Autofahrer, doppelte Steuerzahler. Quelle: Getty Images

Sie gehen arbeiten? Der Staat kassiert. Sie lassen Ihr Geld für sich arbeiten? Der Staat kassiert. Sie geben Ihr Geld aus? Der Staat kassiert. Nicht nur das Ergebnis ist immer gleich, die Begründung auch – reine Fürsorge. Die Einkommensteuern gibt es, weil der Staat das (übrig gebliebene) Eigentum schützt.

Die Verbrauchsteuern auf Tabak, Schnaps oder Bier werden erhoben, weil der Staat die Gesundheit schützt. Steuern auf Strom und Sprit kommen der Umwelt zugute. Doch bei einer ganz speziellen Besteuerungsart lässt sich an der Sinnhaftigkeit trefflich zweifeln: Es gibt nämlich auch Steuern auf Steuern.

Wie geht das überhaupt? Das Prinzip ist simpel und funktioniert immer dann, wenn eine der diversen Verbrauchsteuern fällig wird; also wenn Sie Ihr Auto betanken, das Licht einschalten oder eine Flasche Schampus öffnen. Denn auf die Summe aus Herstellungs- und Vertriebskosten, Gewinnanteil und eben den Verbrauchsteuern schlägt der Fiskus am Ende noch einmal die Mehrwertsteuer drauf, und zwar den vollen Satz von 19 Prozent. Nur beim Kaffee gelten sieben Prozent, wenn Sie die Bohnen kaufen oder das Heißgetränk to go mitnehmen.

Genießen Sie den Kaffee im Café, sind es wieder 19 Prozent. Verwirrend? Vielleicht. Allein durch die Mehrwertsteuer auf die verschiedenen Verbrauchsteuern kassierten Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und seine Länderkollegen 2015 insgesamt gut zwölf Milliarden Euro, berechnete der Bund der Steuerzahler. „Der Staat macht heimlich Kasse“, schimpft Steuerzahlerpräsident Reiner Holznagel.

Dass sie der Fiskus gleich mehrfach zur Kasse bittet, fällt den meisten Verbrauchern überhaupt nicht auf. Denn Verbrauchsteuern werden auf Rechnungen nicht gesondert ausgewiesen. Allein die Mineralöl- und die Zigarettenwirtschaft machen hin und wieder darauf aufmerksam, wer wie viel vom Kunden einsackt.

Wirtschaft und Steuerrecht verschmelzen

Bei Superbenzin E5, das im Januar durchschnittlich 1,25 Euro pro Liter kostete, blieben der Tankstelle und Mineralölfirma nur 39,5 Cent. Die restlichen 85,5 Cent flossen ins Staatssäckel. Darin enthalten sind zwölf Cent Mehrwertsteuer auf die Mineralölsteuer. Im Jahr 2015 zahlten die Autofahrer allein durch diesen Trick 7,5 Milliarden Euro zusätzlich an der Tankstelle. Alles in allem errechnet sich beim Liter E5 ein effektiver Steuersatz von 216 Prozent. Bei Zigaretten ergibt sich nach dem gleichen Prinzip eine Abgabenlast von 260 Prozent. Von den 5,60 Euro pro Packung wandern mehr als vier Euro an den Staat.

Moralisch mag man den doppelten Zugriff für bedenklich halten, juristisch ist er einwandfrei. Dafür sorgt die EU-Mehrwertsteuersystemrichtlinie (Abkürzung: MwStSystRL), die als Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer unter anderem auch „Steuern, Zölle, Abschöpfungen und Abgaben mit Ausnahme der Mehrwertsteuer selbst“ auflistet.

Ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums nennt einen weiteren Grund: „Die Umsatzsteuer ließe sich nicht praktizieren, wenn der Unternehmer bei jedem Umsatz die Höhe der im Preis enthaltenen anderen Steuern oder Abgaben ermitteln und aus der Bemessungsgrundlage ausscheiden müsste.“

Bei Benzin, Tabak, Kaffee oder Schnaps erschließt sich das Argument indes nicht. Kompliziert würde es tatsächlich bei Autos, Computern oder Kochtöpfen, in deren Kostenmix sich immer wieder Elemente der Strom- und Energiesteuer finden. Hier verschmelzen die komplizierten Welten von Wirtschaft und Steuerrecht zu einem unentwirrbaren Knäuel. Selbst der Bund der Steuerzahler ist an dieser Stelle ratlos.

Wo sich die Steuer auf der Steuer nicht abschaffen lasse, fordert Holznagel aber, sollte auf die betroffenen Güter „höchstens der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent erhoben“ oder „die speziellen Verbrauchsteuern komplett abgeschafft werden“. Bei einem jährlichen Verbrauchsteueraufkommen von 65 Milliarden Euro ist so etwas aber völlig illusorisch.

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