




Zwei Jahre weniger als vom Staatsanwalt gefordert, dreieinhalb Jahre länger, als von der Verteidigung gewünscht – Uli Hoeneß ist wegen Steuerhinterziehung zu einer Haftstrafe verurteilt worden. (Die aktuellen Ereignisse lesen Sie übrigens hier) Richter Heindl stufte die Selbstanzeige als ungültig ein. Damit dürfte das letzte Wort jedoch noch längst nicht gesprochen sein. Zum einen, weil beide Parteien noch in Revision vor dem Bundesgerichtshof gehen können. Zum anderen aber auch, weil trotz des klaren Urteils viele Fragen offen bleiben.
Es sind die Merkwürdigkeiten, die im Kopf hängen bleiben: Sind die gewaltigen Summen, die sich im Verlaufe der viertägigen Verhandlung von Anfangs schon hohen 3,5 Millionen Euro auf immense 27,2 Millionen Euro addierten, tatsächlich bereits in Uli Hoeneß‘ Selbstanzeige enthalten gewesen? Warum ging die Staatsanwaltschaft dann weiter von 3,5 Millionen Euro aus? Warum kam es mitten im Gerichtssaal, vor den Augen von Richter und Staatsanwalt, zu mehreren kleinen Scharmützeln ausgerechnet zwischen Hoeneß und seinem bärbeißigen Verteidiger? Wie kann es sein, dass der eigene Anwalt Hoeneß offenbar mehrfach dazu anhalten musste, die Bedeutung der Recherchen eines Stern-Reporters als möglichen Auslöser für die Selbstanzeige nicht so herunterzuspielen und abzutun? „Erzählen Sie doch nichts vom Pferd“ soll Feigen Hoeneß angeraunzt haben. Wie passt allein das alles zusammen?
Nach einer cleveren Verhandlungs- und Verteidigungsstrategie sieht das nun wirklich nicht aus. Genauso wenig ist nachzuvollziehen, warum die Hoeneß-Seite die Eskalation der Hinterziehungssumme in Dimensionen, die kaum mehr nachvollziehbar sind, scheinbar tatenlos hat laufen lassen. Haben die Summen tatsächlich bereits in der Selbstanzeige gestanden, wären Hoeneß und seine Leute dann nicht besser beraten gewesen, die Bombe nicht erst im Prozess platzen zu lassen? Die Dynamik, die die scheibchenweise Enthüllung über mehrere Prozesstage hinweg in Gang setzte, hat maßgeblich dazu beigetragen, Hoeneß in der Öffentlichkeit nur noch immer weiter zu beschädigen.
Wie steht er denn da? Nun reduziert sich die Betrachtung seiner Person auf drei Ziffern: 2,7 und 2. 27,2 Millionen Euro. Und längst sind nicht alle Fragen beantwortet: Hatte Hoeneß seine Kollegen im Aufsichtsrat des FC Bayern über die neuen Dimensionen informiert? Im Vorstand der Allianz, die sich erst vor kurzem für 110 Millionen Euro Anteile beim deutschen Vorzeigeverein kaufte, sei mancher regelrecht vom Stuhl gefallen, als die Horror-Zahlen die Runde machten.
Und was wussten etwa die Herren Winterkorn (VW), Höttges (Deutsche Telekom) und Hainer (Adidas)? Sie haben sich vor Hoeneß gestellt, so lange es ging. Sie haben Ruf-Schäden für sich und ihre Unternehmen in Kauf genommen bei dem Bemühen, Hoeneß die Stange zu halten. Sie haben sich ein Gutachten besorgt zum Thema Corporate Governance, das ihnen korrektes Tun bescheinigte – geschenkt. Müssen nicht auch sie sich nun von Hoeneß getäuscht fühlen?





Und noch einmal die Frage nach den 27,2 Millionen Euro – war es das wirklich? Es ist schwer vorstellbar, dass in der Kürze der Zeit die eingesetzten Steuerexperten tatsächlich ein vollständiges Bild sämtlicher Bewegungen auf Hoeneß‘ Konto zeichnen konnten. Die Summe von 27,2 Millionen Euro dürfte da allenfalls eine Annäherung darstellen. Vielleicht war es mehr, vielleicht war es weniger. Stammt das Geld tatsächlich nur aus Spekulationen um Devisen? Heribert Prantl hat in der Süddeutschen Zeitung das Verfahren mit einer Black Box verglichen: Der Deckel zu Hoeneß‘ Geschäften ging ganz kurz auf. Mit dem Urteil ist er wieder drauf und alles, was an Merkwürdigkeiten und möglichen Verbindungen womöglich noch zu Tage gekommen wäre, bleibt erst einmal im Dunkeln.
Was bleibt? Die Macher von Talkshows werden sich wieder nach anderen Themen umsehen müssen. Uli Hoeneß wird seine Wunden lecken, langsam wird wieder Ruhe einkehren. Klar ist: Bei Hoeneß sitzt die Schmach nun tief. Bei aller lederhosengestärkten Demonstration von Macht und Arroganz, die ihm seine vielen Feinde stets vorwarfen, ist die Haftstrafe nun ein Punkt, der den Mann ins Innere trifft. Hoeneß büßt nun ¬ sollte der BGH ihm das nicht noch ersparen - für den Schlamassel, den er selbst angerichtet hat.
Dreieinhalb Jahre sind eine lange Zeit. Offen ist, ob er sie zur Gänze in Haft verbringen müsste. In jedem Falle wird Uli Hoeneß lange genug aus dem Fokus der Öffentlichkeit verschwinden. Und das ist womöglich gut so. Denn vielleicht kommt dann anschließend auch der Zeitpunkt, wieder einigermaßen normal über den Menschen Hoeneß reden zu können. Dann ,wenn die überbordende Hysterie und der erschreckende Hass, dem viele gegenüber einem ihnen doch eigentlich völlig Unbekannten nur zu gern freien Lauf ließen, abgeebbt sind.
Dann kann es um die ganz andere Frage gehen, nämlich darum ob es eigentlich richtig ist, einen Menschen derart am Nasenring durch die Öffentlichkeit zu ziehen. Einen Pranger auf dem medialen Marktplatz aufzustellen, bei dem zwar nicht mehr mit Steinen oder faulem Obst nach dem Angeklagten geworfen wird. Das immerhin nicht. Aber viel besser war und ist es auch nicht das zu sehen, was und wer sich in den vergangenen Tagen zu reichlich blöden Kommentaren oder schimmeligen Witzen über einen Mann berufen fühlte, den man zwar nicht mögen muss. Aber dem man noch immer und trotz allem mit einem Mindestmaß an Respekt begegnen sollte.
Was bringt es beispielweise eigentlich, sich vor dem Urteil mit ständig neuen Forderungen nach einer „hohen Haftstrafe ohne Bewährung“ immer wieder ins Gespräch zu bringen wie das beispielsweise der Chef der Links-Partei tat? Ist das nicht billig, sich so schlicht Applaus abzuholen? Die Leute sind doch nicht blöd – jeder sieht die Nachrichten, jeder liest Kommentare, jeder hat eine Meinung. Es ist das Gericht, das am Ende das Urteil fällt.
Und auf eins gilt es zu achten: Es gibt keinen Zweifel daran, dass sich Hoeneß die Strafe reichlich verdient hat. Die hat er jetzt bekommen, und daran wird er sein Leben lang zu tragen haben. Er wird das, was in diesem vergangenen Jahr geschehen ist, nicht vergessen. Aber es gilt auch, die Verhältnismäßigkeit zu wahren: Hier geht es nicht um einen Mörder. Hoeneß hat zweifellos Schaden angerichtet. Doch im Rechtsstaat ist es der Sinn von Strafe, dass sie abgebüßt wird. Das tut er jetzt.
Und dann reicht es aber auch.