Die explodierenden Mieten und Grundstückspreise sorgen für viel Arbeit bei Gerichten und Rechtsanwälten. Wie das ARD-Politikmagazin „Report Mainz“ berichtet, ist die Zahl der Prozesse wegen Eigenbedarfs nach Angaben des Deutschen Mieterbunds von 2010 bis 2016 um mehr als die Hälfte auf 12.824 gestiegen. Der Mieterbund hat dabei gezählt, wie oft seine Rechtsschutzversicherung an solchen Eigenbedarfsklagen beteiligt war. Insgesamt ist die Zahl der Streitfälle im Mietrecht auf den niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung gesunken. Am häufigsten streiten Mieter und Vermieter wegen der Betriebskosten.
Streitigkeiten wegen Eigenbedarfs sind verglichen damit trotz des jüngsten Anstiegs deutlich seltener, haben aber eine höhere Brisanz. Denn hier geht es darum, den Mieter loszuwerden, weil der Vermieter den Wohnraum selber braucht oder teurer vermieten oder verkaufen will.
Angesichts der rasant steigenden Mieten und Wohnungspreise dürfte der Eigenbedarf bei vielen Kündigungen nur vorgeschoben sein. Denn der Abschluss eines neuen Mietvertrags erlaubt Vermietern, deutlich höhere Mieten festzulegen. Bei Altmietern sind Mieterhöhungen nur unter engen Voraussetzungen möglich, etwa wenn die Wohnung saniert wurde.
Ein recht spektakulärer Fall (Aktenzeichen VIII ZR 104/17) ist jetzt beim Bundesgerichtshof (BGH) gelandet, Deutschlands oberstem Zivilgericht. Die Streitparteien scheinen sämtliche Vorurteile gegen rücksichtslose Miet-Haie und bedauernswerte Mieter zu bestätigen, wie aus dem in der Pressemitteilung des Gerichts dargestellten Sachverhalt hervorgeht: Auf der einen Seite ein erfolgreicher Immobilienmakler, der seinen wohl aus dem gleichen Holz wie er selbst geschnitzten Geschäftspartnern gegenüber einen gehobenen Lebensstil demonstrieren will.
Und auf der anderen Seite ein 70-jähriger Dauermieter, der nach Jahrzehnten eine geräumige Altbauwohnung von 160 Quadratmetern in bester Frankfurter Lage (Westend) räumen soll, nur um den vom Vermieter auch noch ganz offen geäußerten Profilierungswunsch zu befriedigen. Der Mieter hält das für vorgeschoben und verweigert den Auszug.
Angesichts der umständlich klingenden Begründung ist wohl nicht auszuschließen, dass es sich hier um vorgeschobenen Eigenbedarf handeln könnte, schließlich fällt die Nettomiete für das Streitobjekt mit rund 850 Euro monatlich vergleichsweise günstig aus. Nur halb so große Wohnungen in deutlich weniger gefragten Frankfurter Stadtteilen kosten mittlerweile längst mehr als 1000 Euro kalt. Auch fällt auf, dass der Makler erst im Januar 2015 in den Besitz der langjährig vermieteten Wohnung gekommen ist und schon wenige Monate später, im Mai, die Kündigung aussprach.
Diese Kündigung unmittelbar nach dem Eigentümerwechsel spielt eine wichtige Rolle für den Fall, denn neue Wohnungsbesitzer dürfen Altmietern erst nach einer Sperrfrist von drei Jahren kündigen. Weil die Frist nicht eingehalten wurde, hat das Landgericht Frankfurt dem Mieter in der Vorinstanz Recht gegeben. Herrscht in Kommunen oder in bestimmten Stadtteilen starke Wohnungsnot, kann sich die Kündigungssperre in den betroffenen Gegenden nach einem Eigentümerwechsel sogar auf zehn Jahre verlängern.