Ein Kind, zwei Mütter BGH stärkt Rechte homosexueller Eltern

Vor Gericht erstreitet ein lesbisches Paar, was das deutsche Recht gar nicht vorsieht: Beide Frauen dürfen die Mütter einer gemeinsamen Tochter sein. Ihre Situation ist speziell, die Entscheidung trotzdem wegweisend.

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Viele Schwule und Lesben dürften den BGH für seine Entscheidung feiern. Quelle: dpa

Karlsruhe Es ist die Geschichte von zwei verheirateten Frauen und einem kleinen Mädchen, das keinen Vater, dafür eine Co-Mutter hat. Sie spielt zum Teil in Südafrika, denn in Deutschland wäre diese Geschichte so gar nicht möglich. Und doch sorgt der Bundesgerichtshof (BGH) mit einer Entscheidung dafür, dass diese unwahrscheinliche Familie auch nach deutschem Recht eine richtige Familie bleibt.

Die Geschichte beginnt im Januar 2008 in Südafrika. Die beiden Frauen - die eine Südafrikanerin, die andere auch Deutsche - geben sich das Jawort. „Civil union type marriage“ heißt so eine Ehe zweier Frauen oder Männer im liberalen Südafrika. In Deutschland könnten die beiden ihre Beziehung nur durch eine Lebenspartnerschaft verbindlich machen, wie es sie seit 2001 gibt. Auch wenn viele von „Homo-Ehe“ sprechen, stellt das deutsche Recht homosexuelle Paare bewusst nicht der Ehe von Mann und Frau gleich. Verbindungen, die im Ausland geschlossen werden, haben keinen Sonderstatus („Kappungsgrenze“).

Die beiden Frauen wünschen sich ein Kind. Durch künstliche Befruchtung wird die Südafrikanerin schwanger, 2010 bringt sie eine Tochter zur Welt - eine gemeinsame Tochter, nach südafrikanischem Recht. In der Geburtsurkunde stehen Mutter und Co-Mutter als „parent1“ und „parent2“ (Elternteil 1 und 2).

So einfach geht das in Deutschland nicht, müssen die Frauen feststellen, als sie die Geburt ihrer Tochter zwei Jahre später auf einem Berliner Standesamt registrieren lassen wollen. Das Amt lehnt den Antrag ab: Das Kind stamme von einer Südafrikanerin ab, habe also nicht die deutsche Staatsangehörigkeit, so die Begründung. Die deutsche Co-Mutter zählt nicht. Denn nach Rechtslage müsste sie das Kind ihrer Partnerin adoptieren, um es zu ihrem eigenen zu machen.

Die beiden Frauen legen Beschwerde ein, ihr Fall geht durch die Instanzen bis zum obersten Zivilgericht nach Karlsruhe - das am Ende im Sinne der Familie entscheidet. Auch wenn die südafrikanische Ehe in Deutschland nach dem Grundsatz der Kappungsgrenze nur als Lebenspartnerschaft zählt, hebt das aus Sicht der Richter nicht die Elternschaft der „Ehefrau“ auf. Denn diese habe eine andere Grundlage, nämlich eine besondere abstammungsrechtliche Bestimmung. Das kleine Mädchen ist damit Deutsche. Mit zwei Müttern.

Der am Mittwoch veröffentlichte Beschluss ist wegweisend, aber nicht unbedingt überraschend. Der Familiensenat des BGH stellt nicht zum ersten Mal die gesellschaftlichen Tatsachen über die deutsche Norm.

2014 gaben die Richter schon einmal zwei schwulen Vätern Recht, denen eine Leihmutter in Kalifornien das Kind ausgetragen hatte. In Deutschland ist das verboten - Karlsruhe bestätigte trotzdem die in den USA begründete Elternschaft. 2015 segnete der BGH den Entschluss zweier nicht verpartnerter Deutscher ab, in Südafrika gemeinsam ein Kind zu adoptieren. Auch das wäre hierzulande nicht möglich gewesen.

Die Begründungen stellen regelmäßig das Wohl des Kindes über alles. Auch in ihrer neuen Entscheidung unterstreichen die Richter, „dass die Verhältnisse einer eingetragenen Lebenspartnerschaft das Aufwachsen von Kindern ebenso fördern können wie die einer Ehe“. Heißt im Ergebnis: Auch wenn das deutsche Recht nicht vorsieht, dass zwei Frauen heiraten und gemeinsam ein Kind bekommen - wesentliche Rechtsgrundsätze werden dadurch zumindest nicht verletzt.

Die Grünen im Bundestag sehen darin den Auftrag, „dass sich die große Koalition dieser gesellschaftlichen Realität endlich stellt und aufhört, Regenbogenfamilien zu ignorieren“. Es sei an der Zeit, die Ehe für alle zu öffnen und homosexuellen Paaren die gemeinsame Adoption zu erlauben, fordert Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt.

Aber auch so dürften viele Schwule und Lesben den BGH für seine Entscheidung feiern. Macht es doch jedes Grundsatzurteil ein wenig einfacher, sich den eigenen Traum von einer „richtigen“ Familie, wenn schon nicht in Deutschland, so doch anderswo zu erfüllen.

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