Ein unwürdiges Schauspiel Beendet den Wahnsinn! Mehr Zeit und Logik für die Grundsteuererklärung

Screenshot des Elsterportals Quelle: dpa

Etwa vier von fünf Grundsteuererklärungen sind bisher nicht abgegeben worden. Dabei läuft die Frist Ende Oktober ab. Doch es braucht nicht nur mehr Zeit, sondern vor allem bessere Unterstützung. Ein Kommentar.

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Der Unmut ist riesig, das Chaos groß: Bis Ende Oktober müssen Eigentümer für 36 Millionen Grundstücke eine Grundsteuererklärung abgeben. Hintergrund ist die rechtlich zwingende Reform der Grundsteuer zum Jahresstart 2025. Gut einen Monat vor Ende der Abgabefrist sind aber etwa 80 Prozent der Erklärungen noch nicht abgegeben. Steuerberater, Unternehmensverbände, selbst die Kirchen fordern eine Fristverlängerung. Sogar Bundesfinanzminister Christian Linder (FDP) signalisierte schon vor Wochen, dass womöglich mehr Zeit nötig ist. Aktuell schien sich das Bundesfinanzministerium selbst nicht mehr ganz sicher zu sein, ob man dies noch befürworte oder nicht. Die finale Entscheidung obliegt ohnehin den Bundesländern.

Dabei gilt: Eine Fristverlängerung wäre sowieso nur ein kleiner, erster Schritt, um die Reform noch zu retten. Die zuständigen Bundesländer sollten die Frist wenigstens um ein paar Monate verlängern. Außerdem – und noch wichtiger – müssten sie dringend ihre Erläuterungen zur Grundsteuererklärung verbessern.

Im Juli, kurz nach Start des Abgabezeitraums, brach das staatliche IT-Steuerportal Elster immer wieder zusammen. Eine Abgabe der Steuererklärungen war so nicht möglich. Dann wurden Hotlines und Finanzämter mit Fragen von Immobilieneigentümern überrannt, besonders in den Bundesländern, die das Bundesmodell umsetzen. Mit kryptischen Fehlermeldungen am Ende der Grundsteuererklärung trieb das Elsterportal viele in den Wahnsinn. Im Onlineforum des Elsterportals beantwortet vor allem ein einziger Ruheständler die Fragen verunsicherter Eigentümerinnen und Eigentümer, inzwischen stammen mehr als 30.000 Beiträge allein von ihm. Eine ehrenwerte Sisyphusarbeit!

Schlingerkurs im Bundesfinanzministerium: Erst heißt es, eine Fristverlängerung sei bei der Grundsteuererklärung nicht vorgesehen. Nun soll sie doch noch eine Option sein. Entscheiden müssen ohnehin die Bundesländer.
von Niklas Hoyer

All das geschieht nicht, weil die Leute zu blöd wären. Sondern weil die Umsetzung der Grundsteuererklärung über das Elsterportal extrem mies gemacht ist. Bereits digital vorliegende Daten – etwa Bodenrichtwerte – können viel zu selten unkompliziert übernommen werden. Die Datenabfrage folgt außerdem keiner Nutzerlogik, sondern einer Bürokratenlogik.

Teils fehlt jede Logik. Bei einem Erbbaurecht zum Beispiel sind die Immobiliennutzer in der Regel nicht die Eigentümer des Grundstücks. Als Eigentümer in der Grundsteuererklärung werden aber trotzdem sie erfasst. Das steht im Hilfetext, der per Klick angezeigt wird. Eigentümer sollen zudem selbst wissen, was zur Wohnfläche zählt und was nicht: Der Keller? Meist nicht. Der Hobbykeller? Oft schon, außer er hat eine zu niedrige Deckenhöhe und kaum Tageslicht. Noch Fragen?

Flächen sind ohnehin so ein Thema bei der Grundsteuererklärung. Da wird zum Beispiel in einigen Bundesländern nach der „Fläche des Grundstücks“ gefragt. Gemeint ist aber nicht die Fläche des Grundstücks, sondern die Fläche am Grundstück, die einem anteilig gehört. Mit Klickanleitungen, also Erklärungen samt Screenshots aus Elster, versuchen die Bundesländer, irgendwie begreiflich zu machen, was kaum zu begreifen ist. Es ist schon erheiternd, wenn etwa die Finanzverwaltung Baden-Württemberg dort dann schreibt: „Hier steht zwar Fläche des Grundstücks, tatsächlich ist hier nur Ihr Miteigentumsanteil gefragt!“

Am Ende sollen mühsam eingegebene Flächen einzelner Flurstücke, mit dem jeweiligen Miteigentumsanteil multipliziert, summiert und dann abgerundet werden – nicht automatisch, sondern bitte vom Auszufüllenden, wahlweise im Kopf, auf Papier oder mit dem Taschenrechner. Das kann sehr kleinteilig werden, wenn etwa der Garagenhof 15 Miteigentümern gehört. Vor allem aber wird auch dieses Vorgehen im Onlineformular nicht erklärt, sondern erst in mehr oder weniger versteckten Hilfstexten. Bestenfalls.

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Wer nach bestem Wissen und Gewissen ohne weitere Erläuterungen die Formulare ausfüllt, der wird sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit falsch ausfüllen. Und das ist schon ein Armutszeugnis für unsere Finanzverwaltung.

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