




Vor einem solchen Halbsatz hatten sich die deutschen Familienunternehmer gefürchtet: „Einen breiten Raum für eine Steuervermeidung bis hin zur völligen Steuerbefreiung“ lasse die Besteuerung von Erbschaften, konstatierte der Vorsitzende Richter Ferdinand Kirchhof bei einer Anhörung vor dem Bundesverfassungsgericht.
Damit wächst die Sorge der Unternehmer, dass das Gericht in seinem Urteil, das noch im Herbst zu erwarten ist, eine neue Reformbaustelle aufmacht. Denn aktuell werden Unternehmensvermögen in Deutschland steuerlich stark bevorzugt. Das aber stellte der Bundesfinanzhof in einem Urteil vor zwei Jahren negativ heraus – und verwies die Frage an das Bundesverfassungsgericht. Dort mussten nun Vertreter der Regierung, Wissenschaftler und Verbände vorsprechen.
Kaum vereinbar
Dabei prallten mal wieder zwei Ansichten aufeinander, die kaum miteinander vereinbar sind. Zum einen sollen die deutschen Familienunternehmen gefördert werden, was für eine Steuerbefreiung spricht. Auf der anderen Seite soll die Vermögensungleichheit nicht noch zunehmen, was für eine Besteuerung spricht, da sich in keiner Bevölkerungsgruppe der Reichtum stärker ballt als bei den Unternehmen. Eine einvernehmliche Lösung ist unmöglich.
In den vergangenen Jahren ist das Pendel zwischen den beiden Extrempositionen immer mal wieder stärker in die eine oder andere Richtung ausgeschlagen, die Unternehmer kamen aber immer recht glimpflich davon. Die aktuelle, seit 2009 geltende Regelung stellte sie sogar so gut wie nie zuvor.
Das dürfte sich bald ändern. Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel verkündete bereits unmittelbar nach der Anhörung: „Nach dem Urteil wird es Zeit für eine Reformdebatte in diesem Bereich! Die Konservativen werden dann auch aus ihrer bisherigen Verweigerungshaltung heraus müssen.“ Er machte zudem klar, wo es seiner Meinung nach hingehen soll: „Gerade die Armuts- und Reichtumsentwicklung der letzten Jahre weist auf den Handlungsbedarf.“
Die Parteien haben also bereits in Stellung gebracht. Je nach dem wie dringend der Handlungsbedarf nach dem Urteil sein wird, desto heftiger wird dann auch die Debatte losbrechen. Gerade für die SPD ist das Thema ein gefundenes Fressen, wurde ihr doch per Koalitionsvertrag Stillschweigen in Sachen Steuern verordnet. Da dürfte die Erbschaftssteuer als Einfallstor für all die anderen großen Fragen dienen, die man so gerne diskutieren möchte, um sich zumindest ein bisschen vom großkoalitionären Partner abzusetzen.
Genau hier liegt die Gefahr des Themas. Eine Detailänderung an der Erbschaftssteuerregelung würden auch Unternehmer gut verkraften. Zumindest unter der Hand räumen schon heute viele Fachanwälte und Firmenerben ein, dass die Befreiungen nicht nur im Sinne des Erfinders genutzt werden.
Bedrohlich werden könnte es jedoch, wenn die politische Linke auf die Idee kommen sollte, über die Erbschaftsteuer die großen Gerechtigkeitsfragen zu lösen. Das liegt nahe, da eine Vermögensteuer mit der CDU nicht zu machen sein wird. Für solche Umverteilungsfragen jedoch ist die Erbschaftsteuer völlig ungeeignet. Wer hier groß zulangt, vernichtet mehr Kapital, als er Einnahmen generiert.