
Es war ein heiliger Krieg für Deutschlands Familienunternehmer. Jahrelang kämpften Industrielle, Freiberufler und Handwerker Seit an Seit für ein betriebsschonendes Erbschaftsteuerrecht. Ende 2008 wähnten sie sich am Ziel, als die damalige große Koalition aus Union und SPD das Übertragen von Familienunternehmen unter Auflagen steuerfrei stellte.
„Angefreundet“ hätten sich die Unternehmer mit dem jetzigen Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht, sagt Daniela Karbe-Geßler, Steuerexpertin beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag. „Handelbar“ sei es, urteilt Joachim Schramm vom sonst so kritischen Verband Die Familienunternehmer.
Wasser auf die Mühlen der Linken
Doch das aktuelle Erbschaftsteuergesetz macht Familienunternehmer offenbar nur noch begrenzte Zeit glücklich. Ungemach droht von zwei Seiten. So meldet Justitia Bedenken an. Die obersten Steuerrichter am Bundesfinanzhof (BFH) in München beschäftigen sich gerade mit einer Klage zum Erbschaftsteuerrecht und sehen in den aktuellen Verschonungsregeln „eine verfassungsrechtlich problematische Gestaltungsmöglichkeit“.
Das ist Wasser auf die Mühlen der Linken. Es gehe um Millionenerbschaften, die gezielt durch Schlupflöcher im Steuerrecht bugsiert werden, empört sich der nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD): „Jeder Anständige in diesem Land muss doch zustimmen, dass GmbHs, die einzig dem Zweck dienen, Erbschaft- und Schenkungsteuern zu umgehen, eine Lücke im Gesetz sind.“ Die müsse man schließen, fordert Walter-Borjans, „und zwar schnell“.





Gewichtiges Wort
Das Wort der Länder-Finanzminister hat bei der Erbschaftsteuer Gewicht. Gut vier Milliarden Euro jährlich fließen in die Kassen der Bundesländer. Und die sind vielerorts leer, ganz besonders in NRW.
Es geht aber auch um Parteipolitik und Ideologie. Man wolle „die Steuererleichterungen für reiche Erben zurücknehmen“, heißt es in einem SPD-Vorstandspapier, das die Handschrift von Parteichef Sigmar Gabriel trägt. Dessen potenzieller Koalitionspartner, die Grünen, haben bereits beschlossen, die Einnahmen aus der Erbschaftsteuer auf jährlich acht Milliarden Euro verdoppeln zu wollen.
Vorstellungen präzisieren
Bis zum Frühjahr 2013, also rechtzeitig vor der nächsten Bundestagswahl, wollen sie ihre Vorstellungen präzisieren. „Wir prüfen die Freibeträge und Steuersätze, wir wollen keine Ausnahmeregelungen mehr“, sagt die grüne Steuerexpertin Lisa Paus. Die Herausnahme von Betriebsvermögen sei falsch gewesen, ergänzt die Bundestagsabgeordnete; damit würden keine Arbeitsplätze gesichert, wohl aber Schlupflöcher geöffnet.
Auf dem rechten Flügel im Bundestag lautet indes die Devise: bloß nicht rühren. Der für Steuern zuständige CDU/CSU-Fraktionsvize Michael Meister hält die Begünstigung von Betriebsvermögen „nach wie vor für richtig“. Auswüchse seien zwar „nicht im Sinne der Verschonungsregeln“, aber akuten Handlungsbedarf sieht der CDU-Politiker nicht: „Wir warten jetzt erst einmal ab, wie sich das Bundesverfassungsgericht entscheidet.“ Das meint auch der FDP-Steuerexperte Daniel Volk: „Wir packen die Erbschaftsteuer erst an, wenn uns das Bundesverfassungsgericht dazu den Auftrag geben sollte.“