Die neue WiWo App Jetzt kostenlos testen
Download Download

Familienunternehmen Erben droht Ungemach

Familienunternehmer können derzeit günstig vererben. Aber nicht mehr lange – es droht eine weitere Reform.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Vererben ist nicht leicht: Rüdiger und Detlev Paulmann haben zwei Jahre an einer Nachfolgeplanung für den Lampen- und Leuchtenhersteller mit rund 500 Mitarbeitern gearbeitet. Quelle: Nils Hendrik Müller für WirtschaftsWoche

Es war ein heiliger Krieg für Deutschlands Familienunternehmer. Jahrelang kämpften Industrielle, Freiberufler und Handwerker Seit an Seit für ein betriebsschonendes Erbschaftsteuerrecht. Ende 2008 wähnten sie sich am Ziel, als die damalige große Koalition aus Union und SPD das Übertragen von Familienunternehmen unter Auflagen steuerfrei stellte.

„Angefreundet“ hätten sich die Unternehmer mit dem jetzigen Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht, sagt Daniela Karbe-Geßler, Steuerexpertin beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag. „Handelbar“ sei es, urteilt Joachim Schramm vom sonst so kritischen Verband Die Familienunternehmer.

Wasser auf die Mühlen der Linken

Doch das aktuelle Erbschaftsteuergesetz macht Familienunternehmer offenbar nur noch begrenzte Zeit glücklich. Ungemach droht von zwei Seiten. So meldet Justitia Bedenken an. Die obersten Steuerrichter am Bundesfinanzhof (BFH) in München beschäftigen sich gerade mit einer Klage zum Erbschaftsteuerrecht und sehen in den aktuellen Verschonungsregeln „eine verfassungsrechtlich problematische Gestaltungsmöglichkeit“.

Das ist Wasser auf die Mühlen der Linken. Es gehe um Millionenerbschaften, die gezielt durch Schlupflöcher im Steuerrecht bugsiert werden, empört sich der nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD): „Jeder Anständige in diesem Land muss doch zustimmen, dass GmbHs, die einzig dem Zweck dienen, Erbschaft- und Schenkungsteuern zu umgehen, eine Lücke im Gesetz sind.“ Die müsse man schließen, fordert Walter-Borjans, „und zwar schnell“.

Zankapfel Erbe - die größten Fallstricke
Emotional überfordertWenn Partner oder Eltern sterben, ist das eine hohe emotionale Belastung. Aber auch eine große Erbschaft kann auf die Psyche schlagen. Das kann sich unterschiedlich auswirken. Nicht selten rutschen die Erben ab oder schlagen über die Stränge. Das Ergebnis ist dasselbe: Das Erbe wird verprasst, für Autos, Reisen, Partys. Mit entsprechenden Regelungen – etwas einer Dauertestamentsvollstreckung mit monatlichen Auszahlungen – kann dem entgegengewirkt werden. Quelle: dpa
Kein TestamentLiegt kein schriftliches und unterschriebenes Testament vor, gilt die gesetzliche Erbfolge – auch wenn der Erblasser mündlich einen anderen letzten Willen ausgesprochen hat. Stirbt ein Ehepartner, erbt der überlebende Partner. Gibt es Kinder, egal ob ehelich oder unehelich, bekommt der Ehepartner 50 Prozent und die Kinder teilen sich die verbleibenden 50 Prozent. Quelle: dpa
Langfristige BindungDas Berliner Testament ist beliebt und weit verbreitet. Doch es hat seine Tücken, denn es zementiert eine einmal getroffene Regelung. Bei dieser Testamentsform, setzen sich Eheleute gegenseitig als Alleinerben ein. Erst wenn beide tot sind, erben die Kinder. Diese Quote kann ein überlebender Elternteil im Nachhinein nicht verändern. Es sei denn, es gibt eine Klausel, die dies erlaubt. Ein neues Testament des länger Lebenden gilt nicht - das Berliner Testament geht immer vor. Quelle: dpa
Pflichtteilsstrafklausel und Jastrow’schen KlauselHat nun ein Ehepaar ein solches Berliner Testament und ein Ehepartner verstirbt, ist der Überlebende Partner erst einmal Alleinerbe. Steckt nun das ganze Vermögen des Paares in einem Grundstück mit Häuschen und die Kinder fordern ihren Pflichtteil, muss der überlebende Partner Haus und Hof verkaufen, um die Kinder auszubezahlen. Verhindern lässt sich solch ein Fall mittels der Pflichtteilsstrafklausel im Testament. Dabei verfügt das Paar, dass ein Kind, das beim Tod des ersten Elternteils seinen Pflichtteil einfordert, beim Tod des zweiten Elternteils enterbt ist. Wer also jetzt gierig ist und beispielsweise die Mutter zum Verkauf des Häuschens zwingt, soll bei deren Tod leer ausgehen. Im Falle der Jastrow’schen Klausel ist das Prinzip umgekehrt: Es droht also keine Strafe für Gierige, sondern eine Belohnung für Geduldige. Verzichtet ein Kind auf seinen Pflichtteil, wenn Vater oder Mutter sterben, bekommt das Kind beim Tod des anderen Elternteils quasi eine Bonuszahlung. Quelle: dpa
EnterbenDas eigene Kind vollständig zu enterben - ihm also auch den Pflichtteil zu verwehren, ist nur möglich, wenn - der Erbnehmer versucht hat, den Erblasser oder ein anderes Familienmitglied schwer zu verletzen oder zu töten - der Erbnehmer ein Verbrechen begangen hat, das mit einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung geahndet wurde und es für den Erblasser unzumutbar wird, seinen Nachlass - mit dieser Person zu teilen - wenn der Erbnehmer eine gesetzliche Unterhaltspflicht gegenüber dem Erblasser böswillig verletzte Quelle: dpa
Fehlerhaftes TestamentDer letzte Wille ist oft falsch oder missverständlich formuliert. Immerhin ein Drittel der Deutschen hat in einer Studie angegeben, sich mit Begriffen wie „gesetzlicher Erbfolge“ oder „Pflichtteil“ nicht auszukennen. Juristische Begriffe werden deshalb in Testamenten oft falsch verwendet oder verwechselt. Häufig sind sie deshalb so geschrieben, dass Fachleute sie auslegen müssen. Die Folge: Der letzte Wille ist nicht so umsetzbar, wie vom Erblasser gewollt. Quelle: dpa
Erbschaftssteuer nicht eingeplantNächste Angehörige – das sind Ehepartner, Kinder und Enkel – haben Freibeträge. Ehepartner erben 500.000 Euro steuerfrei, Kinder immerhin noch 400.000 Euro und Enkel 200.000 Euro. Erst wenn die Erbschaft diese übertrifft, greift der Fiskus zu. Doch häufig ist für die fällig werdende Erbschaftssteuer nicht genügend Geld auf dem Konto. Besteht ein Begünstigter auf schnelle Auszahlung, müssen Immobilien, Wertpapiere oder Kunstgegenstände veräußert werden. Quelle: dpa

Gewichtiges Wort

Das Wort der Länder-Finanzminister hat bei der Erbschaftsteuer Gewicht. Gut vier Milliarden Euro jährlich fließen in die Kassen der Bundesländer. Und die sind vielerorts leer, ganz besonders in NRW.

Es geht aber auch um Parteipolitik und Ideologie. Man wolle „die Steuererleichterungen für reiche Erben zurücknehmen“, heißt es in einem SPD-Vorstandspapier, das die Handschrift von Parteichef Sigmar Gabriel trägt. Dessen potenzieller Koalitionspartner, die Grünen, haben bereits beschlossen, die Einnahmen aus der Erbschaftsteuer auf jährlich acht Milliarden Euro verdoppeln zu wollen.

Vorstellungen präzisieren

Bis zum Frühjahr 2013, also rechtzeitig vor der nächsten Bundestagswahl, wollen sie ihre Vorstellungen präzisieren. „Wir prüfen die Freibeträge und Steuersätze, wir wollen keine Ausnahmeregelungen mehr“, sagt die grüne Steuerexpertin Lisa Paus. Die Herausnahme von Betriebsvermögen sei falsch gewesen, ergänzt die Bundestagsabgeordnete; damit würden keine Arbeitsplätze gesichert, wohl aber Schlupflöcher geöffnet.

Auf dem rechten Flügel im Bundestag lautet indes die Devise: bloß nicht rühren. Der für Steuern zuständige CDU/CSU-Fraktionsvize Michael Meister hält die Begünstigung von Betriebsvermögen „nach wie vor für richtig“. Auswüchse seien zwar „nicht im Sinne der Verschonungsregeln“, aber akuten Handlungsbedarf sieht der CDU-Politiker nicht: „Wir warten jetzt erst einmal ab, wie sich das Bundesverfassungsgericht entscheidet.“ Das meint auch der FDP-Steuerexperte Daniel Volk: „Wir packen die Erbschaftsteuer erst an, wenn uns das Bundesverfassungsgericht dazu den Auftrag geben sollte.“

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%