




Die Bundesregierung dringt in der G20-Gruppe der führenden Industrie- und Schwellenländer auf rasche Fortschritte im Kampf gegen Steuerflucht und -Tricksereien. Man wolle „das Momentum, das wir in den letzten Jahren erreicht haben, weiter voranbringen“, sagte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) am Rande eines Treffens der G20-Finanzminister und -Notenbankchefs in Istanbul. Er arbeite darauf hin, „dass bei der Implementierung des vereinbarten automatischen Informationsaustauschs der Druck drauf bleibt“.
Bis Jahresende wollen die G20- und OECD-Länder unter anderem einen Aktionsplan beschließen, um Steuerschlupflöcher für internationale Konzerne zu schließen. Der Direktor des OECD-Zentrums für Steuerpolitik, Pascal Saint-Aman, sagte der Deutschen Presse-Agentur, für multinationale Unternehmen gebe es immer noch zahlreiche Wege, die Steuerlast auf Null zu drücken: „Wir schließen diese.“ Nach Angaben der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) sind 124 Staaten in die Bemühungen eingebunden, Steuerflucht zu unterbinden.
Das G20-Paket gegen die Steuertricks der Großkonzerne
Die führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) leiten im Kampf gegen Steuerschlupflöcher internationaler Konzerne die nächsten Schritte ein. Die Finanzminister und Notenbankchefs der G20 wollen sich bei ihrem Treffen in Istanbul auf neue Leitlinien verständigen, wie Länder künftig untereinander Steuerdaten multinationaler Konzerne austauschen. Nach Angaben der Industrieländerorganisation OECD, die das Vorgehen koordiniert, sollen die Daten ab dem Jahr 2017 vertraulich ausgetauscht werden.
Konzerne wie Apple, Amazon, Google oder Starbucks nutzen legale Schlupflöcher, um ihre Steuerlast massiv zu drücken. Dem wollen die G20- und OECD-Länder einen Riegel vorschieben. Bis Ende 2015 soll ein von der OECD erstellter Aktionsplan (BEPS/„Base Erosion and Profit Shifting“) stehen. Er soll 15 Maßnahmen enthalten, sieben davon hatte die OECD schon 2014 auf dem G20-Gipfel im australischen Brisbane vorgelegt. Der Rest soll auf dem Treffen der G20-Staats- und Regierungschefs in diesem Jahr in Antalya folgen.
Die Multis erzielen zwar hohe Gewinne, zahlen aber dank legaler Tricks und eines komplizierten Firmengeflechts wenig oder gar keine Ertragssteuern. Sie verschieben Gewinne und Aktivitäten zwischen Hochsteuer- in Tiefsteuerländern hin und her - auch unter Ausnutzung international nicht abgestimmter Steuerregeln und jeweiliger nationaler Schlupflöcher. Verlagert werden Patente, Markenrechte, Lizenzgebühren oder Darlehenszinsen in Tochterfirmen in Steueroasen und Niedrigsteuerländer. Das drückt den zu versteuernden Gewinn.
Künftig sollen Firmen dort Steuern zahlen, wo sie Produkte fertigen und Patente entwickeln - und nicht dort, wo Briefkastenfirmen unterhalten werden. Die Regeln zur Besteuerung von Betriebsstätten sind teils fast 100 Jahre alt. Im Zeitalter von Internet und Onlinehandel ist es aber immer schwieriger zu klären, welchem Land Geschäfte sowie Produkte und damit Gewinne und Steuern zuzuordnen sind.
Nein. Gelöst werden soll auch das Problem der „doppelten Nichtbesteuerung“. Das passiert, wenn zwei Länder die Rechtsform eines Unternehmen und die Transfers unterschiedlich einstufen, so dass Zahlungsströme gar nicht mehr besteuert werden. Tochterfirmen machen Zahlungen an ihre Zentrale im Ausland als Zinsen steuermindernd geltend, die Konzernmutter aber streicht das Geld als steuerfreie Dividende ein. Konzerne sollen sich nicht mehr arm rechnen können, indem Mutter und Töchter völlig überhöhte Preise für interne Leistungen untereinander verrechnen.
Unter anderem soll ein Missbrauch von Doppelbesteuerungsabkommen eingedämmt werden. Davon gibt es weltweit mehr als 3000. Geplant ist hier ein multilaterales Instrument - eine Art Werkzeugkasten, um Änderungen schnell umzusetzen. Schließlich sollen Konzerne den Steuerbehörden mitteilen, wie viel Steuern sie wo bezahlen.
In der Tat. Lizenzgebühren etwa sind beliebt, um steuerpflichtige Gewinne bei einem Konzernteil in einem Land zu drücken, die bei einer Tochter als Einnahmen gering belastet werden. Lizenzeinkünfte werden dort minimal besteuert, ohne dass tatsächlich geforscht und entwickelt wird. Der Druck auf Firmen, dies aus Konkurrenzgründen zu nutzen, steigt ebenso, wie der Druck auf Staaten, solche „Lizenz-“ oder „Patent-Boxen“ als Lockmittel ebenfalls einzuführen.
Ursprünglich sollte das Sparmodell abgeschafft werden. Inzwischen geht es um die Frage, ob „Patentboxen“ harmlos sind und zumindest einheitliche Regeln vereinbart werden sollten. Finanzminister Wolfgang Schäuble und sein britischer Kollege George Osborne schlagen vor, dass Forschungs- und Patenteinnahmen von Unternehmen künftig nur dort steuerlich begünstigt werden sollen, wo die Forschungsaktivitäten auch tatsächlich stattfinden. Bisherige Rabatte sollen schrittweise auslaufen. Nach einer Übergangszeit sollen bestehende Vorteile spätestens im Juni 2021 abgeschafft sein.
OECD-Generalsekretär Angel Gurría warnte, in den meisten Industrie- und Schwellenländern klaffe die Schere zwischen Reichen und Armen inzwischen so weit auseinander wie seit 30 Jahren nicht: „Wir müssen nicht nur nach starkem nachhaltigen und ausgewogenen Wachstum streben, sondern auch nach mehr inklusivem Wachstum.“
Die OECD legte in Istanbul ihren Jahresbericht „Das Wachstum fördern“ vor. Er kommt zu dem Ergebnis, dass die Finanzkrise in Industrie- und Schwellenländern besonders einkommensschwache Haushalte getroffen und deren soziale Not weiter verschärft habe. Junge Menschen müssten die größten Einkommenseinbußen hinnehmen und seien einem erhöhten Armutsrisiko ausgesetzt.
„Zu den politischen Herausforderungen gehören in nächster Zeit eine dauerhaft hohe Arbeitslosigkeit, eine Verlangsamung der Produktivität, ein hohes Staatsdefizit und eine hohe Staatsverschuldung“, heißt es in dem Bericht. Der Finanzsektor bleibe anfällig. In den meisten Industrieländern habe sich das Tempo der Strukturreformen in den vergangenen beiden Jahren verlangsamt.
In großen Schwellenländern habe das Reformtempo dagegen zugenommen. Deutschland rät die OECD unter anderem, Sozialabgaben besonders für Niedrigverdiener zu senken und bessere Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass auch Frauen in Vollzeit arbeiten können.